Beim Formel-E-Saisonfinale in London brannte das Licht in der Rennleitung bis spät in die Nacht hinein. Mehr als zehn Vorfälle gab es nach dem chaotischen Samstagsrennen, in dem sich Jake Dennis vorzeitig zum Weltmeister kürte, zu überprüfen bzw. zu verhandeln. Nach Mitternacht kündigten die Stewards an, ein offizielles Rennergebnis inklusive aller Strafen bis zum 3. Training am Sonntagmorgen zu veröffentlichen - vorbehaltlich eines möglichen Porsche-Einspruchs...

Zu den 'Straftätern' von London zählte auch McLaren-Pilot Rene Rast. Der dreifache DTM-Champion hatte im Rennen ausgerechnet seinen Landsmann Pascal Wehrlein (Porsche) in die Mauer geschickt und dafür eine 5-Sekunden-Zeitstrafe kassiert. Ein höchst unglücklicher Vorfall in der 29. von 37 Rennrunden, schließlich kämpften die beiden Landsmänner zu diesem Zeitpunkt um den dritten Platz auf dem Podium.

Wehrlein: "Hätten heute um den Sieg gekämpft"

Während es für Rast nach einer Achterbahn-Saison nur noch um die Goldene Ananas ging, hätte Wehrlein mit einer dicken Punkteausbeute seine eigenen Titelchancen zeitweise zumindest in der Theorie aufrechterhalten können und vor allem dem Porsche-Team Big Points im Kampf um die Team-Weltmeisterschaft beschert. Stattdessen mussten beide Autos in Folge der Kollision während der kurz darauffolgenden Rot-Phase wegen Schäden repariert werden und fielen damit per Reglement beim Re-Start ans Ende des Feldes zurück.

"Schade, wir hätten heute um den Sieg gekämpft", sagte Wehrlein, der als Zehnter einen WM-Punkt abstaubte, kurz nach dem Rennende zu Motorsport-Magazin.com. Mit Rast habe er noch nicht gesprochen, "ob er sich verschätzt hat. Ich kann sagen, dass ich ihm auf der Außenseite genug Platz gelassen habe. Dann habe ich einen Schlag von innen bekommen und bin geradeaus in die Mauer. Ich war schon vor ihm und weil die nächste Kurve eine Rechtskurve gewesen wäre, hätte ich locker überholt."

Rast: Lenkrad verloren, keine Absicht

Rast redete nicht um den heißen Brei herum und erklärte MSM: "Ich bin über den Kerb innen aufgestiegen. Das Auto ist hochgeflogen, ich habe das Lenkrad verloren und bin dann in ihn rein. Das war mit Sicherheit keine Absicht. Dann war der Frontflügel weg und mein Rennen auch gelaufen." Während der Rot-Unterbrechung musste an Rasts McLaren zudem ein Dämpfer getauscht werden, "weil der oben rausguckte".

Wehrlein hätte unterdessen nur zu gerne auf einen Wechsel seines Porsche-Frontflügels verzichtet, wurde dazu aus Sicherheitsgründen aber von der FIA verdonnert. Ohne die Reparatur hätte er das Rennen beim Re-Start auf dem dritten Platz fortsetzen können statt bis auf P16 durchgereicht zu werden. Porsche hatte das Gefühl, dass Wehrleins lädierter Flügel sicher genug war, um das Rennen damit über die Runden zu bringen.

Wehrlein: "Rene würde so ein Urlaub mal gut tun"

Wehrlein: "Während der roten Flagge war nicht ganz verständlich, wieso wir unsere Nase wechseln mussten. Ungefähr 80 Prozent im Feld sind mit kaputten Frontflügeln herumgefahren." Zum unfallträchtigen Rennen auf dem ExCel-Messegelände schob der Porsche-Werksfahrer mit einem Grinsen im Gesicht hinterher: "Vieles kommt durch die Strecke und wir befinden uns am Ende der Meisterschaft. Viele fahren gerne noch mal Harakiri. Und ich glaube, einige brauchen einfach nur Urlaub. Zum Beispiel der Rene, dem würde so ein Urlaub mal gut tun."

Rast: "Es war zu chaotisch. Zur Zeit versucht man immer nur, dem Vordermann auszuweichen. Das hat nicht mehr viel mit Rennfahren zu tun. Es ist so schwierig für die Rennfahrer, sich immer aus allem herauszuhalten. Alle fahren nebeneinander und alle versuchen irgendwas Verrücktes, was dann nicht klappt."

Am Sonntag (ab 18:00 Uhr live bei ProSieben) wartet das letzte Rennen der ersten Saison mit den neuen Gen3-Autos. Die Distanz ist von der FIA im Vergleich zum Vortag um zwei Runden auf 34 Umläufe gekürzt worden. Einige Fahrer erwarten deshalb ein Rennen mit einem hohen Vollgas-Anteil auf der Strecke, die nur wenige Überholmöglichkeiten bietet. Innerlich wird schon einmal die Brechstange parat gelegt. Es könnte ein weiterer langer Abend für die Rennleitung werden...