Es waren Horror-Szenen bei der Formel E in Rom. Sechs Autos schieden in einer Massen-Karambolage auf einmal aus - und das in einer Highspeed-Passage! In Runde 9 verlor Sam Bird in Kurve 6 die Kontrolle über seinen Jaguar und krachte rechts sowie links in die Mauern. Während sein Auto mittig auf der Strecke zum Stehen kam, erwischte ihn zunächst Sebastien Buemi (Envision) am Heck und zerstörte dabei sein eigenes Auto.

Sekunden später konnten Antonio Felix da Costa (Porsche) und einige anderen Wagen nur knapp ausweichen und berührten teilweise die Streckenbegrenzungen. Dann raste Edo Mortara (Maserati) seitlich in Birds verunfallten Jaguar und sorgte damit für einen absoluten Schockmoment. Insgesamt waren sechs Autos in den Horror-Crash verwickelt: Sam Bird, Sebastien Buemi, Edoardo Mortara, Antonio Felix da Costa, Lucas di Grassi und Robin Frijns.

Mortara: "Gelbe Flaggen halbe Sekunde vor dem Einschlag"

"Das Problem ist, dass du um die Kurve fährst und alles blind ist", beschrieb Mortara gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Als ich ihn (Bird) sah, habe ich versucht zu bremsen. Aber leider blockieren dann die Vorderräder und du fährst geradeaus. Ich habe noch versucht zu lenken und wollte ihm ausweichen, konnte es aber nicht."

Gelbe Flaggen habe Mortara nicht rechtzeitig gesehen, bevor er Birds Jaguar seitlich rammte. Der frühere DTM-Vizemeister: "Als ich die gelben Flaggen sah, war das eine halbe Sekunde oder so vor dem Einschlag. Das passiert alles so schnell und es gibt wenig seitens der Rennleitung, was sie da tun können."

Bird nach Unfall mit Ersatz-Chassis

Die gute Nachricht: Alle Fahrer konnten die zerstörten Autos aus eigener Kraft verlassen, während die Rennleitung das Geschehen um 15:24 Uhr mit roten Flaggen unterbrach. Nur 14 der 22 Boliden konnten das Rennen nach 41 Minuten Unterbrechung durch rote Flaggen wieder aufnehmen. Nach Jake Hughes' Unfall im Qualifying und Andre Lotterers vorangegangenem Renn-Crash war es der dritte Unfall in der Highspeed-Passage den Berg hoch.

"Wir fahren morgen mit einem Ersatz-Chassis, mit dem hier kannst du keine Rennen mehr fahren", sagte Bird, der im Medical Center durchgecheckt wurde, zu Motorsport-Magazin.com. "Ich bin enttäuscht, sauer, frustriert, einfach alles!" War das der schwerste Unfall in der Geschichte der Formel E, wollten wir vom Elektro-Routinier wissen: "Also diesen Titel will ich nicht gewinnen, aber schön war es nicht."

Buemis Envision fängt kurzzeitig Feuer

Buemis Envision-Jaguar verlor durch den Einschlag in Birds Heck sogar kurzzeitig die Bodenhaftung und hing halb schief in der Luft. "Ich konnte nicht viel machen", sagte der Schweizer zu Motorsport-Magazin.com. "Es war ein bisschen unglücklich, wie Sam auf die Strecke zurückkam. Als ich da ankam, war nicht genug Platz auf der Innenseite. Und um zu versuchen, außen zu fahren, war ich schon zu festgelegt. Du bleibst voll auf dem Gas, siehst gar nichts, und auf einmal steht ein Auto quer vor dir. Ich habe alles probiert, aber mit so viel Geschwindigkeit kannst du nicht einfach so schnell lenken. Du musst langsam lenken, ansonsten würdest du dich drehen."

Ungewöhnlich: Videos zeigten, dass Buemis Heck nach dem Crash sogar Feuer fing. "Das kann ich mir nicht erklären", entgegnete der vierfache Le-Mans-Sieger, der hoffte, am Sonntag wieder ins Geschehen eingreifen zu können. "Das wartet leider viel Arbeit auf das Team." Als wir am Samstagabend durch die Boxengasse schlenderten, wurde in fast jeder Garage noch eifrig geschraubt. Die Pitlane erinnerte mehr als ein riesengroßes Ersatzteillager. Bei Porsche und Maserati standen zudem neuen Batterien vor den Garagen.

Felix da Costa: "Furchterregendster Moment meines Lebens"

Porsche-Werksfahrer Felix da Costa beschrieb die Karambolage auf Instagram als den "furchterregendsten Moment meines Lebens", und zeigte Bilder, auf denen Reifenabdrücke auf seinem Halo-Kopfschutz zu sehen waren. Die Spuren stammten von Buemis linker Fahrzeugseite.

"Es war eine der Szenen, die man nicht sehen will. Das sind mit die schlimmsten Unfälle, die passieren können. Ein Auto steht quer auf die Strecke und ein anderes kann nicht ausweichen", berichtete Florian Modlinger, Gesamtprojektleiter des Porsche Formel-E-Teams. Auch Porsche-Fahrer Pascal Wehrlein kam nicht unbeschadet durch diese heikle Szene, der frühere DTM-Meister erhielt einen Schlag von Lucas di Grassi (Mahindra).

"Da waren gelbe Flaggensignale. Du weißt aber nie, ob die für Turn 6 oder Turn 7 gelten", sagte di Grassi zu MSM. "Und du kennst die Distanz nicht. Du gehst vom Gas und machst praktisch, was die anderen vor dir machen. Ich bin vom Gas, zuerst war da aber nichts. Als Pascal dann bremste, waren überall Teile verstreut. Ich erwischte einige Teile und habe dadurch meine vordere Aufhängung beschädigt. Dann traf ich Pascal und bin noch irgendwie zwischen Sam und der Mauer hindurchgefahren."

"Es ist eine blinde Kurve, wir kommen da mit 160 Sachen an und du weißt nicht, was kommt", berichtete Abt-Cupra Pilot Robin Frijns. Der Grund für den erneuten Crash in den schnellen Kurven: Bodenwellen und Kanaldeckel. Das weiß auch Jake Hughes, der schon im Qualifying mit seinem McLaren an derselben Stelle verunfallte. "Die Bodenwellen sind das Problem. Du hast wahnsinnige Probleme, das Auto zu kontrollieren, sobald du über diese Bodenwelle kommst!"

Alle Fahrer unverletzt - Bodenwellen sorgen für Instabilität

Auch für Jaguar-Teamchef James Barclay war der Bird-Crash ein Schock. "Das war ein absoluter Horror-Unfall, und das im schnellsten Teil der Strecke. Sam ist raus aus dem Auto, er hat gesagt, er ist okay. Wir hatten einige Unfälle in der Vergangenheit, aber das war schlimm, vor allem wegen der Stelle. Die Autos waren stark, sie haben die Fahrer geschützt", erklärt Barclay noch während des Rennens. Sein anderer Pilot, Mitch Evans, konnte das Samstagsrennen vor Nick Cassidy (Envision) und Maximilian Günther (Maserati) gewinnen.

Mit einer Geschwindigkeit von über 200 km/h fahren die Piloten durch die Kurven 5 und 6. Links und rechts lauern Betonmauern auf die Piloten. Ein Ausrutscher auf einer Bodenwelle kann so wie in Birds Fall fatale Folgen haben.

"Wir hatten drei Unfälle an dieser Stelle. Das ist wegen einer Bodenwelle. Wenn du leicht von der Ideallinie fährst, heben deine Räder schon fast ab. Wir müssen da etwas an der Strecke ändern, diese Bodenwellen abflachen. Da hast du fast keine Chance mehr", schlug Jaguar-Chef Barclay Änderungen an der Strecke vor.

Doch nicht alle Fahrer vertraten die Ansicht, dass sich umgehend etwas an der Strecke im Bereich der Kurven 6 und 7 ändern müsse. Schließlich waren Unfälle hier die Ausnahme. Wenn es aber krachte, dann richtig. Buemi: "Sam ist da ein bisschen zu weit rechts gefahren. Dadurch kam er dann auch auf die andere Bodenwelle."

Di Grassi ergänzte: "Das ist ein Stadtkurs und nichts anderes als mit den Bodenwellen in Sebring. Der einzige Unterschied ist, dass mit den Gen2-Autos diese Ecke Vollgas ging. Es war nicht einfach, aber möglich. Mit dem Gen3-Auto, das mehr Leistung und weniger Grip hat, wird das zu einer richtigen Kurve. Selbst im Qualifying fährst du da nicht mit Vollgas durch."