Nach dem chaotischen Samstagsrennen der Formel E in Berlin, ging es am Sonntag kaum weniger chaotisch weiter: Klima-Chaoten stürmten die Startaufstellung und verzögerten den Start zum achten Rennen der Saison 2023. Nachdem die Störer von der Strecke abgeführt worden waren, konnte es endlich losgehen - und Nick Cassidy (Envision) legte so richtig los! Der Neuseeländer feierte einen knappen Sieg vor Jake Dennis (Andretti) und dem zweifachen Meister Jean-Eric Vergne (DS Penske).

Nachdem im Samstagsrennen 23 Führungswechsel das Geschehen bestimmten, machte Cassidy diesmal klaren Prozess: Der von P8 gestartete Envision-Pilot übernahm in der 24. Runde die Führung und gab sie bis zum Zieleinlauf nach 40 Runden nicht mehr ab. Damit bewies Cassidy: Auch ohne Windschatten kann man Rennen in der Formel E gewinnen. Beim Fallen der Zielflagge betrug sein Vorsprung auf den Zweiten Dennis 0,4 Sekunden. Vergne lief mit 1,2 Sekunden Rückstand ein.

Samstags-Sieger Mitch Evans (Jaguar) sammelte nach Start von P5 als Vierter weitere wichtige WM-Punkte in einem Rennen, das ausnahmsweise ohne Safety-Car-Phasen auskam. Antonio Felix da Costa (Porsche) schlug nach seinem Ausfall am Samstag mit Platz fünf zurück und war damit besser platziert als Teamkollege und WM-Spitzenreiter Pascal Wehrlein, der nach Start von P6 als Siebter ins Ziel einlief.

Porsche-Gesamtprojektleiter Florian Modlinger: "Von P6 und P10 kommend haben wir uns gut nach vorne gearbeitet. Es war aber mehr drin, deswegen können wir nicht ganz zufrieden sein. Das Rennen war am Anfang verschleppt - also ein bisschen langsamer als erwartet - gegen Ende dafür aber schneller als wir erwartet haben. Deswegen wurde das Überholen schwieriger und nur mit viel Risiko möglich."

Formel E: Wehrlein ist Halbzeit-Meister

Nach dem achten von 16 Saisonrennen führt Wehrlein die Gesamtwertung in der Formel E weiter an. Der frühere DTM-Champion und Formel-1-Fahrer hat zur Saisonhalbzeit 100 Punkte auf dem Konto. Cassidy ist mit seinem Sieg mit 96 Punkten bis auf 4 Zähler an den Porsche-Piloten herangerückt. Gesamtdritter ist Jean-Eric Vergne mit 81 Punkten, gefolgt von Jake Dennis (80).

Für die Aufholjagd des Rennens sorgte Maximilian Günther: Der Maserati-Pilot stürmte vom 21. Startplatz bis auf die sechste Position nach vorne! Ein starkes Wochenende des Allgäuers beim Heimspiel nach dem Podestplatz am Samstag. Im ersten der beiden Berlin-Rennen bescherte Günther dem Formel-E-Neueinsteiger aus Italien nicht nur das erste Podest, sondern sammelte seine ersten Punkte in der laufenden Saison.

"Ein super Rennen, von Platz 21 bis auf P6 ist ziemlich optimal", sagte Günther. "Wir hatten eine gute Pace, die Energie gut gemanagt und zum richtigen Zeitpunkt attackiert. Wir haben am Wochenende viele Punkte geholt, das ist super für die Moral des Teams."

Der amtierende Weltmeister Stoffel Vandoorne (DS Penske), Nico Müller (Abt-Cupra) und Dan Ticktum (NIO 333) komplettierten die Top-10 auf den Plätzen acht, neun und zehn. Damit feierte das Abt-Team seinen ersten Punktgewinn in einem Rennen in der laufenden Saison.

Robin Frijns und Teamkollege Müller hatten sich im regnerischen Qualifying am Sonntagvormittag völlig überraschend eine Doppel-Pole gesichert. Bei trockenen Bedingungen konnte das Mahindra-Kundenteam aus Kempten die Pace der starken Konkurrenz nicht mitgehen, durch Müllers Top-10-Ergebnis aber aufatmen. Pole-Setter Frijns fuhr auf den 17. Platz. Rene Rast (McLaren) auf P13 und Andre Lotterer (Andretti) nach vorzeitigem Ausfall verpassten die Punkteränge.

Formel E in Berlin: So lief das Rennen am Sonntag

Die Startaufstellung: Abt-Wahnsinn in Berlin! Das bislang schlechteste Team der Formel E fuhr vor heimischem Publikum sensationell zur Doppel-Pole. Robin Frijns setzte sich im Finale gegen Nico Müller durch und holte seine zweite Pole in der Elektro-Serie nach 2021. Dahinter lauerten Samstags-Polesetter Sebastien Buemi und Jean-Eric Vergne. Samstagssieger Mitch Evans, Pascal Wehrlein, Jake Dennis, Nick Cassidy, Stoffel Vandoorne und Antonio Felix da Costa komplettierten die Top-10.

Der Start: Der für 15:04 Uhr geplante Start verzögerte sich um einige Minuten, weil Protestler kurz vor dem Rennstart unerlaubterweise die Strecke gestürmt hatten. Es dauerte eine Weile, um die wieder für sichere Verhältnisse für alle Beteiligten zu sorgen.

Beim verspäteten Start um 15:10 Uhr tat sich durch die ersten Kurven hindurch nicht viel. Robin Frijns führte mit leichtem Vorsprung, dahinter folgte Teamkollege Nico Müller. Dahinter lauerten Sebastien Buemi und Jean-Eric Vergne, gefolgt von Mitch Evans und Pascal Wehrlein. Der Verlierer der Startphase war Oliver Rowland, der vom 12. bis auf den letzten Platz durchgereicht wurde.

Die erste Rennhälfte: Gleiches Spiel wie am Vortag: Die Hälfte des Feldes schnappte sich schon nach wenigen Runden den ersten Attack Mode, was für zahlreiche Positionswechsel im Feld sorgte. Die NIO-Piloten Dan Ticktum und Sergio Sette Camara hatten bis zur 5. Runde bereits beide Attack Modes gezündet. Pole-Setter Frijns schloss sich dieser Strategie an und fuhr zum Ende der 7. Runde an fünfter Stelle. Vergne führte vor Buemi und Müller.

In Runde 13 fiel Andre Lotterer vorzeitig aus. Beim Kampf um die Spitze traf Jean-Eric Vergne den Führenden Müller leicht am Heck, wodurch auf der Außenseite Sebastien Buemi die Führung übernehmen konnte. Hinter dem Schweizer machten die beiden Porsche von Wehrlein und Felix da Costa Druck. In Runde 16 zogen die beiden Porsche an Buemi sowie Cassidy auf der Außenbahn vorbei und übernahmen die Spitze. Felix da Costa aktivierte sofort seinen zweiten Attack Mode und fiel auf P3 zurück. Ebenso Wehrlein, sodass Buemi wieder auf P1 fahren musste...

Edoardo Mortara musste seinen Maserati in Runde 18 wegen eines zunächst nicht bekannten Problems an der Box abstellen. Auch Sam Bird musste in die Boxengasse, um sich nach einem vorherigen Kontakt einen neuen Frontflügel für seinen Jaguar abzuholen.

Der weitere Rennverlauf: Zur Halbzeit führte Wehrlein vor Porsche-Teamkollege Felix da Costa, Vergne, Dennis und Evans. Aus dem Reigen der Top-5 hatte nur Andretti-Fahrer Dennis erst einen Attack Mode gezündet, alle anderen waren bereits bereinigt. Die Autos rauschten munter zu zweit oder sogar zu dritt eng nebeneinander durch die Kurven, bis Vergne in Runde 21 Wehrlein kassierte und die Führung übernahm.

In Runde 22 verlor Buemi auf P7 liegend seinen Frontflügel, setzte die Fahrt zunächst fort, bog dann aber in die Boxengasse ab. Zwei Runden später war plötzlich Cassidy Erster, gefolgt von Dennis, Wehrlein, Vergne und Günther, der vom 21. Startplatz kam. Ein großes Durcheinander zu diesem Zeitpunkt im Feld, in dem die Top-18 um weniger als 10 Sekunden getrennt waren. In den folgenden Rennen ordnete sich das Feld auf den vorderen Positionen. Die Top-10 5 Runden vor Schluss: 1. Cassidy, 2. Dennis, 3. Vergne, 4. Evans, 5. Felix da Costa, 6. Günther, 7. Wehrlein, 8. Vandoorne, 9. Müller, 10. Ticktum

Überraschenderweise änderte sich an dieser Rangordnung bis zum Zieleinlauf nach 40 Runden nichts mehr. Cassidy siegte vor Dennis und Vergne.