Beim Debüt der Formel E im indischen Hyderabad hat sich Mitch Evans die Pole Position im Qualifying geschnappt. Der Jaguar-Pilot setzte sich im Finale der K.o.-Phase gegen den zweifachen Meister Jean-Eric Vergne (DS Penske) durch, der heute den zweiten Startplatz im vierten Rennen der Saison 2023 (ab 10:30 Uhr live im TV bei ProSieben) einnimmt. Für Evans war es die erste Pole Position in der laufenden Saison sowie seine vierte in der Formel E.

In einem wegen zahlreicher nachträglich gestrichener Rundenzeiten völlig zerfahrenen Qualifying belegten - vorläufig - Sebastien Buemi (Envision) und Sacha Fenestraz (Nissan) die Plätze drei und vier. Maximilian Günther (Maserati), Sam Bird (Jaguar), Edoardo Mortara im zweiten Maserati und Rene Rast (McLaren) folgten auf den Position fünf bis acht.

Track Limits! Qualifying wird zur Farce

Das Qualifying artete während der laufenden Session zu einer Farce aus: Vor dem Halbfinale wurden im Nachgang mehrere Rundenzeiten aus den Viertelfinals gestrichen. Davon betroffen waren Rene Rast, Maximilian Günther, Sam Bird, Edoardo Mortara und Sacha Fenestraz, die zum Teil bereits Platz in ihren Autos genommen hatten, um das Halbfinale in Angriff zu nehmen. Das stellte die Order komplett auf den Kopf, sorgte für kollektive Verwirrung bei den Teams sowie Zuschauern und führte zu einer ärgerlichen Wartepause.

Das Chaos artete im geradezu lächerlichen Anblick aus, dass im zweiten Halbfinale Jean-Eric Vergne ganz alleine seine Runde fuhr und kampflos ins Finale einzog, weil seinen möglichen Halbfinal-Gegnern Rast und Mortara im Viertelfinale die Rundenzeiten gestrichen worden waren.

Dass die Track Limits - auf einem Stadtkurs, wo üblicherweise die Mauern die Streckenbegrenzung bilden - eine große Rolle spielen würden, hatte sich schon in den Trainings abgezeichnet. Am Freitag gab es 36 Verstöße, im 2. Freien Training am Samstagmorgen 56 weitere!

Der Grund liegt in der Konstruktion der Strecke: Aus Zeitmangel wurden keine echten Kerbs in entscheidenden Kurven wie der Schikane (Turn 1/2) installiert, was die Fahrer zum Abkürzen geradezu einlud! Stattdessen überwacht die Rennleitung mögliche Track-Limit-Verstöße per Kamera. Das Auswerten der Bilder kostet allerdings einiges an Zeit. Ähnliche Vorgänge waren schon in der DTM-Saison 2022 zu beobachten, in der Renndirektor Scot Elkins ebenfalls die Leitung hatte.

"So wie sie es positioniert haben, fährt das Auto in die eine Richtung und sie haben eine Linie gemalt, die in die andere Richtung geht", kritisierte der erfahrene Bird. "Irgendwann wird also jeder mal dort hinüberfahren. Wir haben nach verschiedenen Lösungen gefragt und das ist die, die sie sich ausgedacht haben. Da hätte man einen besseren Job machen können."

Bestes Qualifying-Ergebnis für Günther

Maserati-Neuzugang Maximilian Günther gelang mit Startplatz fünf sein bislang bestes Ergebnis in der laufenden Saison. Der Allgäuer profitierte in der Gruppenphase von Hughes' nachträglicher Strafe und rückte vom fünften auf den vierten Platz vor, der zum Einzug in die Duellphase berechtigt. Im Viertelfinale war für Günther gegen den schnelleren Jaguar-Pilot Evans vorzeitig Feierabend.

Rast in Top-8 der Startaufstellung - Strafe für Hughes

Rene Rast schaffte es zum dritten Mal in Folge in die K.o.-Phase und damit zum dritten Mal in die Top-8 der Startaufstellung. Der McLaren-Pilot, der dem britischen Rennstall zuletzt in Saudi-Arabien den ersten Podestplatz beim Formel-E-Debüt bescherte, scheiterte im Viertelfinale zuerst an seinem früheren Audi-DTM-Markenkollegen Edo Mortara sowie später an den Track Limits und reiht sich im Rennen auf dem achten Startplatz ein.

Rasts Teamkollege, der bislang in den Qualifyings überraschend schnelle Jake Hughes, landete hingegen am Ende der Startaufstellung. Der Brite hatte sich in Gruppe A die Bestzeit gesichert, bis ihm nachträglich die zwei besten Rundenzeiten aberkannt wurden. Hughes hatte die Mindeststandzeit in der Boxengasse missachtet und wurde für diesen Regelverstoß bestraft. Erstmals seit seinem diesjährigen Formel-E-Renndebüt verpasste er das Viertelfinale sowie einen Startplatz in den Top-3.

Porsche scheitern in Gruppenphase - Strafe für Wehrlein

Pascal Wehrlein verpasste unterdessen zum ersten Mal in der laufenden Saison den Sprung in die K.o.-Phase. Der Meisterschaftsführende musste sich in Gruppe A mit dem fünften Platz zufriedengeben und würde das Rennen demnach von Position neun in Angriff nehmen - wäre da nicht die 3-Platz-Strafe, die nachträglich er für ein Blockieren von Sergio Sette Camara erhält...

Wehrlein konnte am Samstag wieder ins Geschehen eingreifen, nachdem der Porsche-Fahrer im Freitags-Training schwer verunfallt war. Nach einem Check im örtlichen Krankenhaus erhielt Wehrlein die Startfreigabe, während Porsche sein Auto reparieren konnte.

Vor Ort vermutete das Werksteam ein Problem an der Vehicle Control Unit (VCO), das der Auslöser für seinen heftigen Einschlag in der letzten Kurve gewesen sein soll. Der ebenfalls in Gruppe A gestartete Porsche-Teamkollege Antonio Felix da Costa, der am Freitag aus Sicherheitsgründen nach dem Wehrlein-Crash das Training auslassen musste, kam nicht über P7 und damit Startplatz 13 hinaus.

Ähnlich unbefriedigend lief es für das Andretti-Duo Jake Dennis und Andre Lotterer, die mit ihren Porsche-Motoren ebenfalls am Freitag aus Sicherheitsgründen aussetzen mussten. Der Meisterschaftszweite Dennis kam in Gruppe B nicht über den sechsten Platz hinaus und konnte nicht an seine bisherigen Top-Leistungen in den Qualifyings anknüpfen. Teamkollege Lotterer musste sich gar mit P10 in der Gruppe und damit einem Startplatz in den letzten Reihen begnügen.

Kelvin van der Linde im Reifenstapel

Für Formel-E-Rückkehrer Abt-Cupra gab es im Qualifying einmal mehr nichts zu holen. Kelvin van der Linde, der wie zuletzt den verletzten Robin Frijns ersetzt, sorgte in Gruppe B für einen zwischenzeitlichen Abbruch mit roten Flaggen. Der Südafrikaner verpasste in der Schikane den Bremspunkt und fuhr nur noch geradeaus.

Ohne die Möglichkeit, sein Auto ausreichend abbremsen zu können, berührte er mit der Front seines Mahindra-Kundenautos leicht die Reifenstapel in der Auslaufzone. "Das verdammte System hat schon wieder nicht funktioniert", schimpfte van der Linde. Teamkollege Nico Müller belegte den drittletzten Rang in der Gruppe B.

Formel E in Hyderabad: So lief das Gruppen-Qualifying

Qualifying-Gruppe A: Pascal Wehrlein, Sebastien Buemi, Jake Hughes, Lucas di Grassi, Mitch Evans, Antonio Felix da Costa, Sacha Fenestraz, Stoffel Vandoorne, Maximilian Günther, Oliver Rowland, Sergio Sette Camara

Jake Hughes ging dem Verkehr in Gruppe A am besten aus dem Weg und sicherte sich die Bestzeit spät in 1:14.121 Minuten. Aber: Dem McLaren-Fahrer wurden nachträglich die besten zwei Rundenzeiten aberkannt, weil er die Mindeststandzeit in der Boxengasse missachtet hatte. Damit rückte Maximilian Günther als Fünfter automatisch ins Viertelfinale vor, nachdem er die Top-4 zuvor um 0,015 Sekunden verpasst hatte.

An der Spitze ging es eng zu: Mitch Evans mit 0,073 und Sacha Fenestraz mit 0,083 Sekunden Rückstand belegten die Plätze zwei und drei hinter dem später bestraften Hughes. Sebastien Buemi gelang als Viertem - nachträglich Dritten - ebenfalls der Sprung ins Viertelfinale.

Nicht rund lief es für das Porsche-Duo Pascal Wehrlein und Antonio Felix da Costa: nur die Plätze sechs und acht! Weltmeister Stoffel Vandoorne und Lucas di Grassi von Lokalmatador Mahindra landeten auf den letzten Positionen.

Qualifying-Gruppe B: Jake Dennis, Sam Bird, Rene Rast, Andre Lotterer, Nick Cassidy, Jean-Eric Vergne, Edoardo Mortara, Dan Ticktum, Norman Nato, Nico Müller, Kelvin van der Linde

Zur Halbzeit der zwölfminütigen Session sorgte Kelvin van der Linde für einen zwischenzeitlichen Abbruch mit roten Flaggen. Der Abt-Pilot verpasste in der Schikane den Bremspunkt und fuhr nur noch geradeaus. Ohne die Möglichkeit, sein Auto ausreichend abbremsen zu können, berührte er leicht die Reifenstapel in der Auslaufzone. "Das verdammte System hat schon wieder nicht funktioniert", schimpfte der Südafrikaner.

Nach der Wiederaufnahme gaste Rene Rast mächtig an und erzielte die Gruppen-Bestzeit in 1:14.091 Minuten! Dem McLaren-Piloten folgte Jean-Eric Vergne mit nur 0,004 Sekunden Rückstand als Zweiter. Sam Bird (+0,096 Sekunden) und Edoardo Mortara (0,142 Sekunden) schafften es ebenfalls in die Duellphase. Nick Cassidy scheiterte auf P5 mit nur einer Tausendstelsekunde Rückstand auf Mortara.

Die Andretti-Fahrer Jake Dennis und Andre Lotterer mussten sich unterdessen mit den Plätzen sechs und zehn begnügen. Nico Müller im zweiten Abt-Cupra belegte P9 in der Gruppe.

Formel E in Hyderabad: So lief die K.o.-Phase

Das Viertelfinale

Im ersten Duell setzte sich Sebastien Buemi mit einer 1:13.599 und gut einer Zehntelsekunde Vorsprung gegen Sacha Fenestraz durch. Buemi gelang es als erstem Fahrer am Wochenende, die 1:14er-Marke zu knacken.

Im zweiten Viertelfinale scheiterte Maximilian Günther (1:14.621) mit deutlichem Rückstand an Mitch Evans, der in 1:13.526 Minuten rund acht Zehntelsekunden schneller war und ins Halbfinale einzog.

Deutlich enger ging es im dritten Duell zwischen Sam Bird und Jean-Eric Vergne zu: Der Jaguar-Pilot avancierte mit einer starken Rundenzeit von 1:13.467 Minuten in die nächste Runde ein, während Vergne den Zielstrich mit einer persönlichen Bestzeit von 1:13.503 Minuten überquerte. Bird wurde die Rundenzeit allerdings nachträglich wegen missachteter Track Limits aberkannt.

Ein kleiner Quersteher kostete Rene Rast im letzten Duell des Viertelfinals den Sieg gegen Edoardo Mortara. Gut eine halbe Sekunde Rückstand hatte Rast auf Mortaras Rundenzeit von 1:13.749 Minuten. Aber: Genau wie Bird, wurden auch Mortara UND Rast die Rundenzeiten wegen Track Limits gestrichen! Damit zog keiner der beiden Fahrer ins Halbfinale ein.

Das Halbfinale

Nach dem Track-Limit-Chaos und einer längeren Wartezeit konnte es endlich weitergehen. Mitch Evans setzte sich im ersten Duell des Halbfinals gegen Sebastien Buemi durch. Das zweite "Duell" war hingegen ein Witz! Jean-Eric Vergne fuhr komplett alleine auf der Strecke, weil seinen möglichen Gegnern zuvor die Rundenzeit gestrichen worden war. So zog der DS-Pilot mit einer lockeren Runde kampflos ins Finale ein.

Das Finale

Im Finale hatte Jean-Eric Vergne dann wieder einen Gegner auf der Strecke, verlor das Duell allerdings gegen Mitch Evans.