Die Formel E erlebte beim Renndebüt im indischen Hyderabad einen echten Stotterstart. Nicht nur musste das 1. Freie Training am Freitag wegen nicht endgültig geklärter Gründe ("Höhere Gewalt") um 50 Minuten verschoben werden, obendrein flatterte das offizielle Sessionergebnis auch noch mit rund dreistündiger Verspätung ein!

Der Grund dafür ist nach zahlreichen Diskussionen im Vorfeld wenig überraschend: Track Limits. Ja, selbst auf den von Mauern umgebenen Stadtkursen der Formel E spielen die leidigen Streckenüberschreitungen inzwischen eine Rolle.

In den 30 Minuten Trainingszeit auf der Stadtstrecke in Hyderabad zählte die Rennleitung um Renndirektor Scot Elkins am Ende immerhin 36 Track Limits. Den Vogel schoss McLaren-Rookie Jake Hughes mit fünf Verstößen ab, dem Briten wurden wie allen weiteren betroffenen Piloten die entsprechenden Rundenzeiten gestrichen.

Wenn man sich nun fragt, wie auf einem Stadtkurs - wo üblicherweise das Motto 'Die Mauer ist das Track Limit' gilt - die Streckengrenzen missachtet werden können, der findet die Antwort vorwegs in der Schikane in den Kurven 1 und 2. Dieser Bereich sorgt für eine Unterbrechung zwischen den beiden längsten Geraden auf dem 2,835 Kilometer langen Kurs und soll dabei helfen, dem Energie-Management eine bedeutendere Rolle zukommen zu lassen.

Es gilt in der Formel E: Je weniger die Fahrer bremsen müssen, desto weniger Energie können sie zurückgewinnen. Den daraus resultierenden 'Vollgas-Rennen' würde damit ein ganz wichtiges strategische Element fehlen, das sich die Verantwortlichen der Elektro-Rennserie wünschen.

Das aktuelle Streckenlayout des Hyderabad ePrix, Foto: FIA Formula E
Das aktuelle Streckenlayout des Hyderabad ePrix, Foto: FIA Formula E

Kerbs fallen aus Zeitgründen flach

Der ursprüngliche Plan, am Eingang und Ausgang der Schikane und weiterer kritischer Stellen Kerbs zu installieren, konnte "aus Zeitgründen, um die Strecke zur Benutzung fertigzustellen" nicht umgesetzt werden, wie aus einem nicht-öffentlichen Schreiben hervorgeht, das Motorsport-Magazin.com vorliegt. Stattdessen befinden sich an diesen Stellen lediglich flache Randsteine, die zum Überfahren geradezu einladen.

Um mögliche Track-Limit-Verstöße und ein Abkürzen (Short-Cutting) dennoch überwachen zu können, wurden in den Kurven 1&2, 12&13 sowie 16&17 Kameras installiert. Die aufgenommenen Bilder müssen manuell ausgewertet werden, um Vergehen erfassen und bestrafen zu können. Das kostet wenig überraschend einiges an Zeit.

Im Fahrer-Briefing wurden die Piloten dazu angehalten, in den Kurven 2, 13 und 17 den Kerb zu ihrer Linken mit mindestens einem der Reifen der rechten Fahrzeugseite berühren zu müssen.

Foto: LAT Images
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Track-Limit-Kamers schon zu Elkins' DTM-Zeiten

Die Idee, Track Limits per Kamera zu überwachen, nutzte Rennleiter Elkins bereits 2022 in seiner ersten und auch letzten Saison in der DTM, nachdem sein Auftraggeber, der AvD, nach der Übernahme der DTM-Markenrechte durch den ADAC keine Rolle mehr spielt.

Während der US-Amerikaner in seiner Heimat eher weniger mit den leidigen Grenzüberschreitungen konfrontiert war, bekam er in der DTM die volle Breitseite des 'europäischen Motorsports' ab. Allein beim Vorsaison-Test 2022 in Hockenheim wurden fast 600 Regelvergehen registriert! In der DTM hatte man sich zuletzt schon fast daran gewöhnt, mehrere Stunden auf offizielle Rennergebnisse warten zu müssen.

Fahrer üben Schikanen-Kritik

"Mit der Schikane bin ich nicht happy", sagte Jaguar-Pilot Sam Bird kurz vor dem 1. Freien Training am Freitag. "Da hätte man viel bessere Arbeit machen können. Die Auslaufzone in Turn 3 bereitet mir auch Sorgen. Wenn wir nächstes Jahr wiederkommen, braucht es ein paar Änderungen. Man muss von den Erfahrungen lernen, die wir dieses Jahr sammeln."

Envision-Pilot Sebastien Buemi stimmte zu: "Ich hoffe, dass wir in den Schikanen keine Probleme mit Abkürzen bekommen. Wir haben darüber gesprochen. Das wird mit Kameras überwacht. Hoffentlich finden wir eine Lösung, dass man in den Schikanen nicht abkürzen kann. Dann sollte es okay sein." Ein mögliches Abkürzen in der Schikane könnte nicht nur einen Zeit-, sondern auch einen Energie-Vorteil bringen, fürchten einige Fahrer.

Foto: LAT Images
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Auslaufzone in der Haarnadel bereitet Sorgen

Mit der kurz angelegten Auslaufzone in Kurve 3 - der Haarnadel nach der langen Geraden, die ein wenig an die Parabolika in Hockenheim erinnert und wo sich die Attack-Mode-Aktivierungszone befindet - waren auch nicht alle Fahrer glücklich. Im Vorfeld wurden in diesem Bereich Topspeeds von bis zu 260 km/h erwartet, also eine ganze Menge für einen Stadtkurs.

Und nicht umsonst hatte die FIA zum vergangenen Rennwochenende in Saudi-Arabien nachträglich eine Notfallbremse in allen Autos verbauen lassen, falls bei einem Systemfehler die Bremskraft an der Vorderachse nicht ausreicht. Zur Erinnerung: Die Gen3-Autos haben keine hydraulische Bremse an der Hinterachse, diesen Part übernimmt allein die Rekuperation der E-Maschine.

"Es gibt ein paar Sicherheitsbedenken bezüglich der Auslaufzone in Kurve 3", bestätigte Andretti-Pilot Jake Dennis. "Das muss sich bessern, wir haben hier schließlich ordentlich Speed drauf." Nach dem 1. Freien Training, das zwischenzeitlich wegen eines heftigen Unfalls von Porsche-Werksfahrer Pascal Wehrlein abgebrochen werden musste, steht den Fahrer am Samstagmorgen ein weiteres Training zur Verfügung, um sich mit den Streckenbedingungen vertraut zu machen. Wenig später warten schon das Qualifying und das vierte Rennen der Saison.