Sechs Hundertstelsekunden! So wenig trennte Sebastien Buemi (Envision) und Jake Hughes (McLaren) im Qualifying-Finale bei der Formel E in Saudi-Arabien - mit dem besseren Ausgang für den vierfachen Le-Mans-Sieger aus der Schweiz.

Buemi sicherte sich seine 15. Pole Position in der Formel E - letztmals stand er im Juli 2019 beim New York ePrix auf dem ersten Startplatz. "Ich kann es noch", brüllte der 34-Jährige am Teamfunk nach zwei zuvor schwierigen Jahren bei Nissan.

Die unbändige Motivation war Buemi während des gesamten Qualifyings auf dem 2,495 Kilometer langen Würstenkurs deutlich anzumerken. "Das war meine emotionalste Pole", sagte Buemi kurz vor seinem 100. Rennen in der Formel E (heute um 18:00 Uhr live im TV bei ProSieben).

Beide McLaren in Top-8 der Startaufstellung

McLaren-Rookie Hughes gelang nach dem Saisonstart in Mexiko-City zum zweiten Mal der Einzug in die K.o.-Phase des Qualifyings und schließlich der Sturm bis ins Finale. "Gegen Buemi bin ich meine beste Runde gefahren, aber es reichte einfach nicht", sagte der Brite.

McLaren-Teamkollege Rene Rast erreichte zum ersten Mal bei seinem Formel-E-Comeback die K.o.-Phase des Qualifyings. Im Viertelfinale war gegen den schnellen Jaguar von Sam Bird trotz einer starken Leistung kein Kraut gewachsen - damit Startplatz fünf für den dreifachen DTM-Champion. Bird, der heute sein 100. Rennen in der Formel E bestreitet, startet von Platz drei.

Beide McLaren starten aus den vorderen Reihen in Saudi-Arabien, Foto: LAT Images
Beide McLaren starten aus den vorderen Reihen in Saudi-Arabien, Foto: LAT Images

NIO sorgt für große Überraschung

Für eine faustdicke Überraschung sorgte Dan Ticktum aus dem langjährigen Hinterbänkler-Team NIO 333 mit Startplatz vier. Der junge Brite hinterließ bereits in den vorangegangenen Trainings einen starken Eindruck und setzte diesen Trend im Qualifying fort. Im Halbfinale gegen Jake Hughes schied Ticktum auf spektakuläre Weise aus, als er nach einem knappen Duell in der letzten Kurve einen Quersteher fabrizierte und knapp einem Mauereinschlag entging.

Porsche-Duo raus - Wehrlein erlebt Schreckmoment

Das Porsche-Werksteam konnte zunächst nicht an den starken Saisonauftakt anknüpfen. Der Mexiko-Zweite Pascal Wehrlein verpasste in der Qualifying-Gruppe B den Sprung in Viertelfinale als Sechster und startet von Platz neun.

Einen Schreckmoment erlebte der frühere DTM-Champion und Formel-1-Fahrer, als er kurz vor Schluss auf den bummelnden NIO von Sergio Sette Camara auflief und einen Auffahrunfall nur um Haaresbreite verhindern konnte. Die Rennleitung untersuchte den Vorfall und brummte dem Brasilianer nachträglich eine 3-Platz-Gridstrafe auf.

NIO argumentierte, dass wegen eines Internetsproblems das GPS-Tracking nicht zur Verfügung gestanden habe und Sette Camara meinte, dass er nicht ausreichend Sicht in den Rückspiegeln gehabt habe. Wehrleins Porsche-Teamkollege Antonio Felix da Costa schied ebenfalls vorzeitig aus und startet von 14 ins Rennen.

Porsche verpasst die K.o.-Phase im Qualifying, Foto: LAT Images
Porsche verpasst die K.o.-Phase im Qualifying, Foto: LAT Images

Maserati-Debakel: Günther und Mortara crashen

Maximilian Günther sorgte mit einem heftigen Unfall für frühe rote Flaggen in der Qualifying-Gruppe A. Der Maserati-Neuzugang hatte in Kurve 12 des Kurvengeschlängels nach einem Verbremser die Kontrolle über sein Auto verloren. Fast frontal schlug der Allgäuer in die TecPro-Barrieren ein.

Glück im Unglück: Günther konnte das stärker beschädigte Auto aus eigener Kraft verlassen. Dem Team gelang es allerdings nicht, das Auto rechtzeitig zum Rennstart am Abend zu reparieren.

Formel-E-Neueinsteiger Maserati erlebte im Qualifying ein völliges Debakel: Wenige Minuten, nachdem die Rennleitung das Qualifying in Folge des Günther-Crashs wieder freigegeben hatte, donnerte auch noch Teamkollege Edoardo Mortara mit dem Heck in die Mauer und musste vorzeitig aufgeben.

Das zerstörte Maserati-Heck von Edoardo Mortara, Foto: LAT Images
Das zerstörte Maserati-Heck von Edoardo Mortara, Foto: LAT Images

Abt: Müller muss Qualifying auslassen

Formel-E-Rückkehrer Abt-Cupra erlebte einen schwierigen Auftakt in den Renntag. Der zweifache DTM-Vizemeister Nico Müller musste das Qualifying nach seinem Unfall eine Stunde zuvor im Freien Training auslassen.

Teamkollege Kelvin van der Linde, der für den an der Hand verletzten Stammfahrer Robin Frijns (Unfall in Mexiko-City) ersetzt, belegte in seiner Qualifying-Gruppe mit 1,1 Sekunden Rückstand den letzten Platz vor Müller. Der Südafrikaner und Audi-Sport-Fahrer bestreitet in Saudi-Arabien seine ersten Rennen in der Formel E und ist in seiner bisherigen Karriere noch nie ein Formel-Rennen gefahren.

Abt-Duo in Diriyah: Nico Müller und Kelvin van der Linde, Foto: LAT Images
Abt-Duo in Diriyah: Nico Müller und Kelvin van der Linde, Foto: LAT Images

Formel E in Saudi-Arabien: So lief das Gruppen-Qualifying

Qualifying-Gruppe A: Jake Dennis, Lucas di Grassi, Jake Hughes, Antonio Felix da Costa, Nick Cassidy, Maximilian Günther, Oliver Rowland, Sacha Fenestraz, Dan Ticktum, Edoardo Mortara, Norman Nato

Die 12-minütige Session musste nach fünf Minuten wegen eines heftigen Einschlags von Maximilian Günther in die TecPro-Barrieren mit roten Flaggen unterbrochen werden. Der Maserati-Pilot verlor in Turn 12 des Kurvengeschlängels die Kontrolle über sein Auto nach einem Verbremser und landete frontal in der Streckenbegrenzung. Günther konnte das Auto eigenständig verlassen.

Nach einer Unterbrechung von 14 Minuten im Zuge von Streckenarbeiten gab die Rennleitung das Qualifying erneut frei. Zwei Minuten vor dem Sessionende verunfallte mit Edoardo Mortara auch der zweite Maserati-Fahrer nach einem Dreher samt Heckeinschlag.

Die beste Rundenzeit in der Gruppe gelang Jake Hughes in 1:10.269 Minuten. Mit mehr als drei Zehntelsekunden Rückstand folgte Oliver Rowland als Zweiter. Auch Dan Ticktum und Lucas di Grassi zogen ins Viertelfinale ein. Unter anderem für Mexiko-Sieger Jake Dennis (P6) sowie Porsche-Werksfahrer Antonio Felix da Costa (P7) war vorzeitig Feierabend.

Qualifying-Gruppe B: Pascal Wehrlein, Andre Lotterer, Sebastien Buemi, Mitch Evans, Stoffel Vandoorne, Jean-Eric Vergne, Nico Müller, Sergio Sette Camara, Rene Rast, Sam Bird, Kelvin van der Linde

In einem bis zur letzten Sekunde spannenden Qualifying hatte Sam Bird die Nase mit einer persönlichen Bestzeit von 1:09.942 Minuten die Nase vorne - der Jaguar-Pilot knackte als erster Fahrer die 1:10er-Marke. Sebastien Buemi im Jaguar-Kundenauto von Envision, Mitch Evans im zweiten Werks-Jaguar sowie Rene Rast zogen ebenfalls ins Viertelfinale ein.

Pascal Wehrlein verpasste den Sprung in die nächste Runde als Fünfter um 0,142 Sekunden. Einen absoluten Schreckmoment erlebte der Porsche-Werksfahrer, als er in der Schlussphase des Qualifyings plötzlich auf den langsam fahrenden Sergio Sette Camara auflief und einen Auffahrunfall nur haarscharf vermeiden konnte. Die Rennleitung kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an.

Nichts zu holen gab es für Weltmeister Stoffel Vandoorne (P9) und DS-Teamkollege Jean-Eric Vergne (P7). Zwischen den beiden Champions platzierte sich Andre Lotterer als Sechster. Kelvin van der Linde belegte mit 1,1 Sekunden Rückstand den vorletzten Platz vor Abt-Teamkollege Nico Müller, der das Qualifying nach seinem Trainings-Unfall auslassen musste.

Formel-E-Qualifying in Saudi-Arabien: So lief die K.o.-Phase

Das Viertelfinale

Im ersten Viertelfinal-Duell knöpfte Dan Ticktum an seine bisher starken Leistungen an und warf mit einer Bestzeit von 1:09.593 Minuten seinen Gegner Oliver Rowland (Mahindra) locker aus dem Wettbewerb.

Jake Hughes machte im zweiten Viertelfinale kurzen Prozess mit Mexiko-Polesetter Lucas di Grassi. Der McLaren-Pilot knackte die 1:10er-Marke mit einer 1:09.713 und knöpfte dem Mahindra-Fahrer gute drei Zehntelsekunden ab.

Aus dem dritten Duell im Viertelfinale ging Sebastien Buemi als Sieger des 'Jaguar-Battle' gegen Werksfahrer Mitch Evans hervor! Der Schweizer fuhr eine 1:09.790 und war damit zwei Zehntel schneller als sein Rivale aus Neuseeland.

Rene Rast gelang im letzten Viertelfinal-Duell mit einer 1:09.729 eine starke Rundenzeit, doch Gegner Sam Bird konnte das noch toppen! Der Jaguar-Pilot umrundete den Kurs in 1:09.558 Minuten und zog als vierter Pilot ins Halbfinale ein.

Das Halbfinale

Im Briten-Duell behielt Jake Hughes trotz eines leichten Mauerkontakts die Oberhand - weil sich Gegner Dan Ticktum nach einem packenden Duell in der letzten Kurve verbremste! So reichte dem McLaren-Fahrer eine 1:09.779, um mit einer halben Sekunde Vorsprung ins Finale einzuziehen.

Im Duell der Jaguar-Motoren setzte sich Sebastien Buemi (1:09.366 Minuten) mit seinem Kunden-Envision gegen Werksfahrer Sam Bird durch. "Yes!", jubelte der Schweizer nach seinem Einzug ins Finale am Teamfunk.

Das Finale

Sebastien Buemi schnappte sich in einem brutal engen Finale die Pole Position! Der Envision-Pilot (1:09.435 Minuten) setzte sich mit exakt sechs Hundertstelsekunden gegen Jake Hughes (1:09.495 Minuten) durch.

Formel E Saudi-Arabien: Vorläufige Startaufstellung

Pos.FahrerTeam
1Sebastien BuemiEnvision
2Jake HughesMcLaren
3Sam BirdJaguar
4Dan TicktumNIO 333
5Rene RastMcLaren
6Mitch EvansJaguar
7Lucas di GrassiMahindra
8Oliver RowlandMahindra
9Pascal WehrleinPorsche
10Nick CassidyEnvision
11Sergio Sette Camara (+3 Plätze)NIO 333
12Jake DennisAndretti
13Jean-Eric VergneDS Penske
14Antonio Felix da CostaPorsche
15Andre LottererAndretti
16Norman NatoNissan
17Stoffel VandoorneDS Penske
18Sacha FenestrazNissan
19Kelvin van der LindeAbt-Cupra
20Edoardo MortaraMaserati
21Nico MüllerAbt-Cupra
22Maximilian GüntherMaserati