Unter künstlichem Flutlicht hat Pascal Wehrlein (Porsche) das Freitagsrennen der Formel E in Saudi-Arabien gewonnen. Im zweiten Lauf der Saison 2023 überquerte der frühere DTM-Champion und Formel-1-Fahrer nach 39 Runden die Ziellinie als Erster.

Porsche-Power dominerte auf dem Wüstenkurs wie schon vor zwei Wochen beim Saisonauftakt in Mexiko-City: Auftaktsieger Jake Dennis mit seinem Porsche-Kundenauto von Andretti belegte diesmal den zweiten Platz, nachdem er Wehrlein beim Saisonstart noch besiegt hatte. Sam Bird (Jaguar) komplettierte das Podium als Dritter in seinem 100. Formel-E-Rennen.

Wehrlein siegt von Startplatz neun

In einem durchweg eng geführten Rennen mit vielen Überholmanövern verbesserte sich Wehrlein schon früh vom neunten Startplatz um mehrere Positionen. In der Schlussphase setzte sich der Porsche-Werksfahrer gegen den lange Zeit führenden Bird durch und feierte seinen zweiten Sieg in der Formel E - und das in seinem 50. Rennen in der Elektro-Rennserie.

"Ich kann es nicht fassen", jubelte Wehrlein auf dem Podium. "Ich war ziemlich sicher, dass wir Plätze gutmachen können, wenn alles passt. Aber das Auto war sensationell. Von P9 auf 1 - ich hatte noch nie so ein geiles Rennen! Ich bin so dankbar, was die Jungs und Mädels mir da hingestellt haben. Ich weiß, wie viel Arbeit da drinsteckt."

Bird war in den letzten Runden auch für Andretti-Pilot Dennis kein Gegner. Der von Platz elf gestartete Brite nahm die Verfolgung zu Bird auf, für einen Überholversuch reichte es allerdings nicht. Wehrlein hatte beim Zieleinlauf 0,5 Sekunden Vorsprung.

"Ich wusste, dass ich eine gute Pace habe", sagte Dennis nach seinem zweiten Podesterfolg in Serie. "Aber in den ersten Runden konnte ich nicht viel unternehmen. Als sich das Feld verteilte, konnte ich die Power dann nutzen. Von P11 auf den zweiten Platz, das passiert nicht oft. Am Ende hatte Pascal die gleiche Power wie ich. Mit einer Runde mehr wäre ich vielleicht näher dran gewesen, aber was soll's."

Enger Rennstart in Saudi-Arabien unter Flutlicht, Foto: LAT Images
Enger Rennstart in Saudi-Arabien unter Flutlicht, Foto: LAT Images

Pole-Setter Buemi verpasst Sieg im 100. Rennen

Pole-Setter Sebastien Buemi (Envision) konnte den ersten Startplatz nicht verteidigen und musste sich in seinem 100. Formel-Rennen mit dem vierten Platz begnügen. Rene Rast (McLaren) fuhr als Fünfter zum ersten Mal für den britischen Rennstall in die Punkteränge und sicherte sich den Zusatzzähler für die schnellste Rennrunde. Nick Cassidy (Envision), der zweifache Champion Jean-Eric Vergne (DS Penske) und McLaren-Rookie Jake Hughes komplettierten die Top-8. Andre Lotterer (Andretti) und Mitch Evans (Jaguar) folgten auf den Positionen neun sowie zehn und sicherten sich die letzten Punkteränge.

Kelvin van der Linde beendet erstes Formel-E-Rennen

Das deutsche Team Abt-Cupra ging im Freitagsrennen leer aus. Positiv: Kelvin van der Linde, der als Ersatzmann für den verletzten Robin Frijns (Handbruch) sein erstes Rennen in der Formel E bestritt, sah die Ziellinie auf dem 16. Platz.

Abt-Teamkollege Nico Müller musste hingegen vorzeitig die Segel streichen "Ein schwarzer Tag", sagte der zweifache DTM-Vizemeister. "Der Grund für den Ausfall lag schon im 2. Training. Da hatte ich eine Berührung mit der Wand und der Schaden war erstaunlich groß. Wir konnten schon das Qualifying nicht fahren. Es gab mehr zu tauschen als erwartet. Auf dem Weg in die Startaufstellung hatten wir dann den Eindruck, dass etwas nicht passt. Wir haben das Auto später aus Sicherheitsgründen abgestellt."

Am Samstag (18:00 live im TV auf ProSieben) erwartet die Fahrer ein weiteres Nachtrennen auf dem Wüstenkurs. Der unübliche Zeitplan ist dem saudi-arabischen Wochenendtakt geschuldet, in dem der Freitag und Samstag als freie Tage gelten.

Formel E in Saudi-Arabien: So lief das Rennen am Freitag

Die Startaufstellung: Sebastien Buemi nahm zum ersten Mal seit 2019 ein Rennen vom ersten Startplatz auf - seine 15. Pole Position in der Formel E. McLaren gelang mit den Startplätzen zwei und fünf durch Jake Hughes bzw. Rene Rast ein starkes Teamergebnis. Ebenso Jaguar: Mitch Evans startete von P3, Teamkollege Sam Bird (100. Rennen wie Buemi und Vergne) vom sechsten Platz.

Für eine faustdicke Überraschung sorgte Dan Ticktum, der seinen NIO 333 auf Platz vier in der Startaufstellung bugsierte. Pascal Wehrlein startete von P9, Andre Lotterer von P15, während Maximilian Günther das Rennen nach seinem Qualifying-Unfall auslassen musste. Kelvin van der Linde fuhr in seinem ersten Qualifying zu Platz 19, Abt-Teamkollege Nico Müller musste das Rennen nach dem verpassten Quali als Letzter aufnehmen.

Der Start: Nach einer ungewöhnlich langen Wartezeit in der Startaufstellung, konnte Sebastien Buemi die Pole durch die engen ersten Kurven hindurch verteidigen. Nach einem unglücklichen Auffahrunfall von Antonio Felix da Costa rückte das Safety Car zum ersten Mal aus. Nach nur einer Runde bog das Safety Car wieder ab, während Felix da Costa das Rennen mit einem neuen Frontflügel als Letzter fortsetzen konnte. Ebenso Oliver Rowland, der einen ungeplanten Boxenstopp einlegen musste.

Beim Re-Start blieb Buemi cool und vorne, während Verfolger Jake Hughes eine kleine Lücke aufmachte. Hinter Sam Bird, Dan Ticktum und Rene Rast konnte sich Pascal Wehrlein früh vom neunten bis auf den sechsten Platz verbessern. Andre Lotterer machte ebenfalls drei Positionen gut und beendete die erste Runde auf P12.

Die erste Rennhälfte: In Runde 3 preschte Sam Bird mit seinem Jaguar vor und übernahm auf der Innenseite den zweiten Platz von Jake Hughes. Der Brite machte munter weiter und schnappte sich in Runde 7 locker die Führung von Pole-Setter Buemi. Zwei Umläufe später aktivierten die ersten Fahrer im Mittelfeld den Attack-Mode, während sich der Punk an der Spitze zurückhielt.

In Runde 10 nutzte Pascal Wehrlein einen leichten Verbremser von Vordermann Rene Rast und überholte für Platz fünf. Jake Dennis nutzte wenig später die Zusatzpower seines Attack-Modes und übernahm die neunte Position von Lucas di Grassi. Die erste Phase der Attack-Mode-Aktivierungen führte zu deutlich mehr Positionswechseln als zuletzt in Mexiko-City.

Sacha Fenestraz wollte in Runde 12 seinen Attack-Mode abseits der Ideallinie aktivieren, beschädigte sich dabei aber den Frontflügel seines Nissan und musste die Box ansteuern. Mitch Evans kassierte auf P9 liegend wegen eines gefährlichen Verbremsers eine 5-Sekunden-Zeitstafe. Teamkollege und Spitzenreiter Sam Bird aktivierte in Runde 14 seinen Attack Mode mit einer Dauer von 3 Minuten. Auch Wehrlein und Rast zündeten den Zusatzboost.

In Runde 14 stellte Nico Müller seinen Abt-Cupra aus Sicherheitsgründen vorzeitig in der Box ab. Hinter dem Führenden Bird und Buemi rückten die Verfolger Wehrlein und Rast auf P3 und P4 nach vorne, weil Jake Hughes von Rang 5 seinen Attack-Mode zündete und dadurch zwei Plätze verlor.

Der weitere Rennverlauf: In Runde 24 zündete Buemi seinen Attack Mode - das nutzte Wehrlein, um kampflos die zweite Position zu übernehmen. Auch Spitzenreiter Sam Bird aktivierte zum zweiten Mal die Zusatzleistung, hatte zu diesem Zeitpunkt aber 2 Prozent weniger Restenergie als Verfolger Wehrlein. Der Porsche-Fahrer griff in der 25. Runde tatsächlich an und ging kurzzeitig am Jaguar vorbei, Bird schlug aber sofort zurück und blieb vorne.

Jake Dennis setzte seine Aufholjagd munter fort und kassierte in der 26. Runde Vordermann Jake Hughes am Ende der langen Geraden - Platz fünf für den Andretti-Piloten, der das Rennen von P11 aufgenommen hatte. Wehrlein ließ unterdessen nicht locker und wurde in Runde 30 belohnt, als er Bird auf der Geraden überholte und diesmal vorne bleiben konnte.

Unterdessen machte auch Dennis mit seinem Andretti-Porsche einen weiteren Platz gut, weil der Drittplatzierte Buemi seinen letzten Attack-Mode zündete und durch das Überfahren der Attack-Zone abseits der Ideallinie eine Position einbüßte. Von der Zusatzleistung konnte der Envision-Fahrer nicht profierten und musste sich auf P4 einordnen. Damit war Wehrlein der letzte Fahrer auf der Strecke, der noch einen Attack-Mode verpflichtend einsetzen musste.

So geschehen in Runde 34, als Wehrlein über die Aktivierungsschleifen fuhr. Zeitgleich überholte Dennis seinen Vordermann Bird für Platz zwei, kam in dieser Szene aber nicht mehr an Wehrlein vorbei. Dennis nahm die Verfolgung zu Wehrlein auf, für einen Angriff reichte es allerdings nicht. Beim Zieleinlauf waren die beiden um nur eine halbe Sekunde getrennt.