Nach dem chaotischen Abbruch-Regenrennen vom Samstag, rissen sich die Formel-E-Fahrer am Sonntag in New York bei durchweg trockenen Bedingungen zusammen und lieferten eine blitzsaubere Vorstellung ab! Antonio Felix da Costa fuhr von der Pole Position größtenteils ungefährdet zu seinem ersten Saisonsieg und dem ersten seit dem Monaco ePrix 2021. Für sein Team Techeetah war es ebenfalls der erste Triumph in der laufenden Saison 2022.

Stoffel Vandoorne (Mercedes) überquerte nach einem guten Start von Platz fünf die Ziellinie nach 39 Runden als Zweiter auf dem 2,320 Kilometer langen Kurs im Hafengebiet von Brooklyn. Mit Mitch Evans (Jaguar) fuhr neben Vandoorne ein weiterer Titelanwärter auf das Podest. Der Neuseeländer hatte das fünftletzte Saisonrennen als Sechster aufgenommen und sich in der Folge stark nach vorne gekämpft.

Vandoorne übernimmt Führung in Formel-E-Tabelle

Der frühere Formel-1-Fahrer Vandoorne übernimmt damit die Führung in der Gesamtwertung mit 155 Punkten. Der Belgier verdrängte Edo Mortara (144 Punkte) von der Spitze. Gesamtdritter ist Mitch Evans mit 139 Zählern vor Jean-Eric Vergne, der bislang 128 Punkte sammeln konnte.

„Das war ein gutes Rennen, viele Punkte, ein sehr guter Tag“, sagte Vandoorne. „Wir sind vorne und es stehen noch vier Rennen an. Wir müssen fokussiert bleiben, weil das Feld in der Formel E so eng ist. Ein paar Hundertstelsekunden können schon einen großen Unterschied fürs Wochenende machen. Natürlich würde ich gern den Titel holen in meiner letzten Saison für Mercedes (Ausstieg zum Saisonende; d. Red.).“

Erster Saisonsieg für Antonio Felix da Costa in der Formel E, Foto: LAT Images
Erster Saisonsieg für Antonio Felix da Costa in der Formel E, Foto: LAT Images

Evans: "Komischer Move von de Vries"

In der Schlussphase des Rennens kassierte Evans zunächst den lange Zeit auf Platz vier fahrenden Mercedes-Weltmeister Nyck de Vries (P7 nach leichtem Mauereinschlag) und in der vorletzten Runde auch Alex Sims, der seinen zweiten Startplatz nicht in einen Podestplatz ummünzen konnte. Vor allem gegen de Vries war es zeitweise haarig, der Niederländer ging mit der 'Brechstange' zu Werke.

Evans war wenig begeistert: „Unser Auto war richtig schnell heute. Ein guter Start, wir kamen nach vorne und die Balance passte bei diesen heißen Temperaturen. De Vries hatte keine Pace, das war ein komischer Move von ihm. Und dann kam dieses Schlagloch aus dem Nichts! Ich konnte das Auto retten. Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe. Das war wild! Danach hatte ich einen schleichenden Plattfuß und einen Schaden. Irgendwie hatte ich aber das Gefühl, den Sieg verpasst zu haben.“

Lotterer nach Pannenstart in den Punkten

Eine riesengroße Aufholjagd gelang Sam Bird (Jaguar), der von Startplatz 16 bis auf P5 nach vorne eilte. Robin Frijns (Envision), de Vries und Jake Dennis (Andretti) belegten die Plätze sechs bis acht. Andre Lotterer fiel von Platz drei beim Start früh zurück und musste sich als Neunter mit zwei WM-Punkten begnügen. Dahinter stürmte Titelaspirant Edoardo Mortara nach technischen Problemen im Qualifying vom 20. bis auf den zehnten Platz nach vorne und kassierte den letzten Punkt. Pascal Wehrlein (nach gestrichenen Rundenzeiten von P20 gestartet) verpasste Zählbares als Elfter knapp.

Ein großer Verlierer im Kampf um die Weltmeisterschaft war Jean-Eric Vergne (Techeetah). Der zweifache Champion fiel nach einem bereits schwierigen Qualifying drei Runden vor Schluss im hinteren Feld vorzeitig aus. Samstags-Sieger Nick Cassidy (Envision), der die Pole Position wegen einer Grid-Strafe verloren hatte, beendete das Rennen auf P16, eine Position vor Maximilian Günther (Nissan).

In zwei Wochen gastiert die Formel E zum vorletzten Rennwochenende der Saison 2022 in London (30./31. Juli 2022). Nach dem Double-Header in der britischen Hauptstadt wartet das große Finale, das erstmals im südkoreanischen Seoul (13./14. August 2022) ausgetragen wird.

Formel E in New York: So lief das Rennen am Sonntag

Die Startaufstellung: Samstags-Sieger Nick Cassidy erzielte eine Doppel-Pole in New York, erhielt am Sonntag aber eine Strafversetzung um 30 Plätze in der Startaufstellung. Das Team hatte zuvor die Batterie wechseln (+20) sowie den fünften Kühler (+10) in der laufenden Saison verbauen müssen. Weil Cassidy nicht die kompletten 30 Strafplätze antreten konnte, erhielt er für das Rennen auch noch eine Durchfahrtstrafe. Profiteur war Antonio Felix da Costa, der zum zweiten Mal in dieser Saison von P1 startete. Alexander Sims, Andre Lotterer und Sergio Sette Camara rückten durch Cassidys Strafe auf die Plätze zwei, drei und vier nach vorne. Die Titelanwärter Stoffel Vandoorne und Mitch Evans sicherten sich mit P5 und P6 eine gute Ausgangslage, während ihre WM-Rivalen Jean-Eric Vergne (P12, Unfall) und Edoardo Mortara (P21, Technische Probleme) strauchelten. Pascal Wehrlein wurden alle Quali-Rundenzeiten aberkannt, wodurch er auf den 20. Platz zurückfiel.

Das Wetter: Nach dem plötzlichen Regenschauer, der ein Chaos im Samstagsrennen auslöste und für einen Rennabbruch sorgte, blieb es beim zweiten Lauf am Sonntag durchweg trocken. Die Zuschauer schwitzten bei 28 Grad Außentemperatur, die Reifen an den Formel-E-Autos mussten mit 39 Grad Streckentemperatur zurechtkommen.

Der Start: Drama bei Andre Lotterer! Der Porsche-Pilot zuckte von P3, kam dann überhaupt nicht vom Fleck und fiel auf den 11. Platz zurück. Antonio Felix da Costa steuerte mit bereits komfortablem Vorsprung die erste Kurve vor Verfolger Alex Sims an. Stoffel Vandoorne gelang von der sauberen Seite ebenfalls ein guter Start, der Mercedes-Pilot verbesserte sich um um Positionen auf P3 vorbei an Sergio Sette Camara. Teamkollege Nyck de Vries kam ebenfalls gut aus den Puschen und fuhr von P7 bis auf Platz fünf nach vorne. Gewinner der Startphase waren Jake Dennis, dem drei Positionsgewinne bis auf P6 gelangen, und Dan Ticktum (Von P17 auf P11).

Die erste Rennhälfte: Nach dem Pannenstart berappelte sich Lotterer und kämpfte sich in den ersten fünf Runden immerhin auf den neunten Platz nach vorne. Nyck de Vries überholte Sergio Sette Camara und fuhr auf P4 hinter Teamkollege Stoffel Vandoorne. Nick Cassidy absolvierte auf dem letzten Platz seine im Vorfeld verhängte Durchfahrtstrafe. Mitch Evans attackierte früh den Sechstplatzierten Jake Dennis und hatte dabei Robin Frijns im Schlepptau, kam aber nicht am Andretti-Fahrer vorbei. Ansonsten tat sich in den ersten zehn Minuten nicht allzu viel, die Fahrer suchten den Rennrhythmus.

In Runde 8 aktivierten Dan Ticktum, Antonio Giovinazzi und Pascal Wehrlein als erste Fahrer den Attack Mode (Nutzung im Rennen: 1 Mal 8 Minuten). Einen Umlauf später holten sich auch Sebastien Buemi und Teamkollege Maximilian Günther den 250-kW-Zusatzboost ab. In Runde 10 wurde es erstmals im Spitzenfeld spannend, als Nyck de Vries und Sergio Sette Camara von P4 und P5 gleichzeitig den Attack Mode zündeten. De Vries hielt die Position, während Sette Camara einen Platz an Evans verlor.

In Runde 11 nutzten Spitzenreiter Antonio Felix da Costa und der Zweitplatzierte Alex Sims die Gelegenheit und aktivierten ihren einzigen Attack Mode. Durch die verlorene Zeit, um über die Aktivierungsschleifen abseits der Ideallinie zu fahren, übernahm Vandoorne in diesem Moment die Führung. In dieser Zeit entschied sich praktisch auch das gesamte Mittelfeld, den Attack Mode zu nutzen.

In Runde 12 reagierte Vandoorne an der Spitze, holte sich den Attack Mode und fiel wieder auf den dritten Platz zurück. Dank Teamkollege de Vries im Rücken war die Position trotz des Zeitverlusts nicht gefährdet, der Niederländer steckte für den in der Meisterschaft deutlich besser platzierten Vandoorne zurück. Oliver Rowland wurde im hinteren Feld von Maximilian Günther auf der Strecke gedreht. In Runde 16 drückte sich Evans vorbei an de Vries und übernahm die vierte Position.

Der weitere Rennverlauf: Zur Rennhalbzeit nach rund 22 Minuten führte Felix da Costa mit einer halben Sekunde Vorsprung auf Sims. Vandoorne und Evans folgten mit knapp einer Sekunde Rückstand, während die die Zusatzpower des Attack Mode auslief. De Vries, Dennis, Frijns und Lotterer fuhren dahinter auf den Plätzen fünf bis acht. Wehrlein belegte nach 19 Runden den 16. Rang, Günther lag auf P20.

Lucas di Grassi zündete in Runde 20 als viertletzter aller Fahrer seinen Attack Mode und begann die Aufholjagd vom 16. Platz. Sam Bird kassierte Lotterer und übernahm die achte Position vom Porsche-Werksfahrer. In Runde 22 kämpfte sich Vandoorne an Simns vorbei und nahm auf P2 die Jagd zu Felix da Costa auf. Zur gleichen Zeit packte de Vries die Brechstange gegen Evans aus und drückte sich am Jaguar vorbei auf P4. Beim Gegenangriff verlor Evans kurz die Kontrolle über sein Auto und hatte Glück, dass er eine Kollision mit de Vries und Hintermann Frijns vermeiden konnte.

Mortara setzte in Runde 24 seinen Attack Mode ein und verbesserte sich zügig auf P15. Nick Cassidy aktivierte ebenfalls, lag zu diesem Zeitpunkt aber weiter an letzter Stelle. In Runde 28 musste Antonio Giovinazzi seinen Dragon-Penske vorzeitig in der Boxengasse abstellen. Zehn Minuten vor dem Rennende lagen die Top-10 innerhalb von fünf Sekunden, Felix da Costa führte mit 0,5 Sekunden vor Vandoorne.

In Runde 31 sorgte de Vries erneut für Wirbel, als er sich auf P4 liegend wild verbremste und den Platz an Langzeitgegner Evans verlor. Eine Runde später rutschte der Mercedes-Weltmeister in ein Schlagloch, berührte die Mauer und büßte eine weitere Position an Sam Bird im zweiten Jaguar ein. De Vries fiel mit seinem beschädigten Auto in der Folge noch weiter zurück.

In Runde 34 nutzte Vandoorne seinen Fanboost und kam bis auf 0,3 Sekunden an Felix da Costa heran – für einen Angriff reichte es nicht. Felix da Costa konterte seinerseits mit dem Fanboost und stellte den Abstand von einer halben Sekunde wieder her. Dahinter überholte Evans Vordermann Sims und übernahm die dritte Position.

In der letzten Runde krachte es dann richtig auf der Strecke! Di Grassi und Askew kollidierten auf der Strecke und lösten kurzzeitig einen Stau aus. Die Rennleitung sicherte die Stelle mit gelben Flaggen ab, verzichtete aber trotz an der Seite parkender Autos auf ein Safety Car. So konnte Felix da Costa den Sieg im Renn-Speed vor Vandoorne und Evans über die Ziellinie tragen.