"Heute trinken wir Tequila!", kündigte Pascal Wehrlein noch auf dem Podium nach seinem ersten Sieg in der Formel E beim Mexiko-City ePrix an und erntete damit verständlicherweise einen Jubelsturm aus Reihen der begeisterten Fan-Massen. Nach dem ersten Sieg von Porsche in der dritten Saison des Werksteams war Party angesagt - und Andre Lotterer dürfte sich wohl einen 'Doppelten' genehmigt haben.

Schon zuvor im Rennen hatte der dreimalige Le-Mans-Sieger eine bittere Pille geschluckt und sich in den Dienst des Teams gestellt. Beim historischen Doppelsieg der Zuffenhausener gab Lotterer den Teamplayer und verzichtete in der Schlussphase auf einen Angriff gegen Vordermann Wehrlein. Und das, obwohl er sich mit etwas mehr Energie im Auto durchaus gut Chancen hätte ausrechnen können.

Verständlich, dass Porsche auch unter den Augen der mitgereisten Vorstands-Mitglieder Michael Steiner und Andreas Haffner den lange erwarteten Triumph nicht aufs Spiel setzen wollte. Ebenso, dass ein Kampf der beiden Porsche-Fahrer das vor dem Rennen ausgegebene Strategie-Ziel, die Distanz auf 40 Runden zu strecken, arg gefährdet hätte. Hier lag am Ende der Schlüssel zum Erfolg, nachdem der Rest des Starterfeldes mit einem 39-Runden-Rennen kalkuliert hatte und demnach zu früh zu viel Energie brauchte.

Lotterer: "Wir haben als Team gespielt"

Dass echte Racer wie Lotterer einen möglichen Sieg abtreten, muss natürlich trotzdem etwas weh getan haben. "Ich hatte mehr Energie und sicherlich hätte ich am Ende eine gute Gelegenheit gehabt, in Führung zu gehen. Aber wir haben als Team gespielt", sagte der 40-Jährige, der Porsche 2020 in Mexiko-City die erste Pole Position beschert hatte.

In der 28. der 40 Runden übernahm Wehrlein vor Lotterer die Führung zurück, nachdem der bisherige Spitzenreiter Edoardo Mortara (Venturi) Gas rausnehmen musste, um mit seinem Energie-Management hauszuhalten. In der Folge zogen die beiden Porsche konstant vom Rest des Feldes weg, wobei Wehrlein zwischenzeitlich die Nachricht erhielt, sich um seinen Hintermann keine Sorgen machen zu müssen.

Formel E: Die Rennhighlights des Mexiko-City ePrix im Video (05:00 Min.)

Wehrlein: Toller Job von Lotterer

Eine klare Teamanweisung für einen Nicht-Angriffspakt, den Lotterer akzeptierte. "Andre hat heute einen tollen Job gemacht", bedankte sich Wehrlein für die Unterstützung. "Wenn wir gekämpft hätten, hätten wir wohl viel Zeit verloren und nicht die 40 Runden geschafft. Das Team hat es verdient."

Gerade in der eng geführten Formel E ist es üblich, dass sich Teamkollegen während der Rennen gegenseitig unterstützen. Windschattenfahrten können beispielsweise einen Vorteil beim Energie-Management bringen. Es gilt: Je weniger gekämpft wird, desto mehr können die Fahrer mit ihrer verfügbaren Power haushalten. Dass es in der Formel E trotzdem regelmäßig knallt, weil die robusten Autos jegliche Kontakte aushalten, dürfte allerdings auch kein Geheimnis mehr sein.

Lotterer: Von Beginn an klare Teamwork-Strategie

Lotterer ertrug es mit einer Prise Salz, suchte den Grund für den möglicherweise verlorenen Sieg aber auch bei sich selbst. "Wenn ich vor Pascal gestartet wäre, wäre es anders gelaufen", glaubte der gebürtige Duisburger. "Aus Sicht des Teams war es das Richtige. Wir blieben cool und haben als Team abgeliefert. Wenn ich mich besser qualifiziert hätte, wäre alles gut gewesen. Aber ich freue mich für Pascal. Er hat letztes Jahr in Mexiko den Sieg verloren. Jetzt hat das Karma zurückgeschlagen."

Während Wehrlein zum dritten Mal in der Formel E von der Pole Position startete, musste sich Lotterer mit Startplatz drei zufriedengeben. Ein kleiner Fahrfehler in der neu eingeführten K.o.-Phase des Qualifyings wenige Stunden zuvor kostete ihn die durchaus mögliche erste Startreihe.

Lotterer: "Ein kleiner Fehler im Qualifying hat mich in diese Position gebracht. Wir hatten von Beginn an eine klare Teamwork-Strategie, um uns aufs Rennen zu fokussieren und nicht gegeneinander zu fahren. Für das Team hat es sich ausgezahlt und ich muss das nächste Mal im Qualifying einfach vorne sein."

Erinnerungen an Santiago de Chile 2018

Wer die Formel E schon etwas länger verfolgt, musste allerdings seine Zweifel haben, ob Lotterer mit dem möglichen Sieg vor Augen sich auch wirklich in den Dienst des Teams stellen würde. Dass er als Rennfahrer der alten Schule im Normalfall weder Freund noch Feind kennt - sehr zur Freude vieler Motorsport-Fans - hatte er schon einmal in der Elektro-Rennserie bewiesen.

2018 in Santiago de Chile war Techeetah, damals mit dem Duo Lotterer und Jean-Eric Vergne, auf dem Weg zum ersten Doppelsieg eines Teams in der Geschichte der Formel E. Doch statt den Triumph ungefährdet ins Ziel zu bugsieren, griff Lotterer seinen Vordermann und Kumpel Vergne an, es kam sogar zum Kontakt, Räder stiegen in die Luft, es hätte in einem völligen Debakel enden können.

Stattdessen lieferten Lotterer und Vergne eine großartige Show und wurden mit dem Doppelsieg belohnt. Lotterers Herangehensweise damals war eindeutig: "Auf der Strecke gibt es keine Geschenke!" Nach den zwei eher schwierigen Saisons von Porsche in der Formel E kann sich aber offenbar auch ein Veteran wie Lotterer noch umbesinnen.