Formel E, das ist nicht nur Elektro- sondern auch Kontaktsport! In kaum einer anderen Top-Rennserie gehen die Fahrer derart hart zu Werke wie hier. Kaum ein Rennen ging auch in der abgelaufenen Saison 2021 ohne Kollisionen respektive Safety-Car-Phasen über die Bühne.

Der Grund für die zeitweiligen 'Demolition-Derbys' liegt in den vorhandenen Möglichkeiten. Das aktuelle Gen2-Auto - ein Mix aus Formel- und GT-Wagen - ist derart robust konstruiert, dass Kontakte ohne größeres Risiko möglich sind. Das wissen die Fahrer natürlich und handeln entsprechend auf den meist engen Stadtkursen.

Vor allem die Vorderpartie mit einem soliden Frontflügel, der direkt mit den Radabdeckungen auf beiden Seiten des Autos verbunden ist, lädt zum aggressiven Fahren und Rad-an-Rad-Duellen am oder über dem Limit ein. Und da die Aerodynamik in der Formel E eine höchst untergeordnete Rolle spielt, wirken sich verlorene Teile nur bedingt auf die Performance aus.

Gen3-Auto: Schluss mit den Demolition-Derbys?

Ab 2023 könnte damit Schluss sein, wenn das neue Gen3-Auto kommt. Wie sich auf ersten von der Formel E veröffentlichten Bildern erkennen lässt, kehrt die dritte Generation zurück zu offenstehenden Rädern. Das nimmt dem Fahrzeug einiges an Robustheit und könnte dazu führen, dass Piloten künftig wieder mehr aufs Material achten müssen.

Bis es soweit ist, darf 2022 in der vierten und letzten Saison mit dem Gen2-Auto noch einmal freudig reingehalten werden. Das bleibt allerdings nicht ohne Kritik. Jean-Eric Vergne, selbst auf der Rennstrecke nicht unbedingt ein Kind von Traurigkeit, kritisierte: "Wir sind eine sehr professionelle Rennserie. Aber wie die Fahrer im Moment agieren - weil die Autos es zulassen, sich gegenseitig zu treffen und trotzdem in die Punkte zu fahren - ist nicht akzeptabel."

Als Beispiel führte der zweifache Formel-E-Champion das Sonntagsrennen in London an, als es zu zahlreichen Kollisionen kam. Audi-Pilot Rene Rast wurde ebenso unsanft abgeräumt wie Vergnes Techeetah-Teamkollege Antonio Felix da Costa, Tom Blomqvist, Edoardo Mortara, Alex Sims und obendrein Stoffel Vandoorne.

Vergne: Denkt denn keiner an die Kinder?!

Vergne: "Die FIA muss etwas machen. Rennen wie in London sind komplett inakzeptabel. Wenn man sich vorstellt, dass Kinder Formel-E-Rennen schauen, dann müssen sie denken, dass wir da Kart-Rennen unter Freunden fahren. Das darf nicht sein. Wir repräsentieren Marken. Das ist eine schlechte Show und ich bitte die FIA dringend darum, etwas zu unternehmen. Sie müssen es mehr überwachen."

In der Formel E hat die Rennleitung üblicherweise sowieso alle Hände voll zu tun, wie allein diese Statistik aus der Saison 2021 belegt: In 13 der 15 Rennen musste das Safety Car auf die Strecke, insgesamt ganze 26 Mal! Höhepunkt war das dramatische Regen-Rennen in Valencia samt der 'Energie-Farce', als Safety-Car-Fahrer Bruno Correia fünfmal ausrücken musste.

Vergne legte nach: "Selbst im Kart fahren die Kinder fairer als wir in der Formel E! Im Kartsport triffst du jemanden und wirst disqualifiziert. Denen ist es egal, was vorher passiert ist. Warum können wir so etwas nicht auch in der Formel E haben? Das verstehe ich nicht. Ich kann nur hoffen, dass wir faireres und saubereres Racing erleben. Was ich letzte Saison erlebt habe, ist inakzeptabel."