Sechs Rennen innerhalb von neun Tagen an einem Ort: Die Formel E veranstaltete Corona-bedingt das wohl außergewöhnlichste Saisonfinale in der Geschichte des Motorsports. Statt wie geplant in den Innenstädten von Seoul, New York oder London zu fahren, diente der stillgelegte Flughafen Tempelhof in Berlin als Kulisse für das eilige Finale.

Die Begeisterung hielt sich nach dem Sixpack in der Hauptstadt eher in Grenzen - außer bei Antonio Felix da Costa, der seinem neuen Team DS Techeetah die dritte Meisterschaft in Folge bescherte und mit seinem dominanten Auftritt in den ersten beiden Rennen nicht dazu beitrug, Spannung bis zum Schluss aufkommen zu lassen.

Ebenso wenig die vorherigen Mit-Favoriten von BMW und Jaguar, die zum Berlin-Auftakt ein sportliches Debakel erlebten und Techeetah kampflos die zweite Team-Meisterschaft nacheinander überließen.

"Sechs Rennen sind zu viel", meinte aber selbst der frisch gebackene Champion Felix da Costa mit Blick auf neun Tage in Isolation und dem wahlweisen Aufenthalt an der Strecke oder im Hotelzimmer. Und auch mit Blick auf die Team-Crews, die mit nur je 19 Mitgliedern an der Strecke arbeiten durften und nach dem Marathon völlig platt waren.

Niemand in der Formel E hatte sich einen derartigen Ausgang der sechsten Saison gewünscht, die Ende Februar nach dem fünften Rennen in Marrakesch abrupt gestoppt werden musste - und besonders die Elektro-Rennserie traf: an die üblichen Rennen in den Innenstädten war in Folge der Corona-Krise nicht mehr zu denken. Auf ein Ausweichen auf traditionelle und von der Öffentlichkeit abgeschirmte Permanentstrecken verzichteten die Verantwortlichen.

Öffentliche Kritik hielt sich angesichts der einzigartigen Umstände in Grenzen. "Es war nicht ideal, aber es gab keine andere Option", meinte Mercedes-Teamchef Ian James. "Wir wissen ja auch noch nicht, wie es weitergeht. Für die siebte Saison müssen wir für alles gerüstet sein, auch, wenn ich am liebsten keine sechs Rennen innerhalb von neun Tagen mehr sehen möchte."

Die karge Tempelhof-Kulisse ohne Zuschauer entlang der Strecke trug nicht unbedingt zum Spektakel bei, obwohl sich die Formel E mit der Schaffung drei unterschiedlicher Streckenvarianten Mühe gab, für zusätzliche Spannung zu sorgen.

Einen Großteil der TV-Zuschauer dürfte das allerdings nicht interessiert haben. Hochsommer in Deutschland und unübliche Rennaustragungen auch unter der Woche sorgten dafür, dass Eurosport (wird 2021 durch Sat.1 ersetzt) auf Anfrage von Motorsport-Magazin.com die TV-Quoten bis heute nicht herausgerückt hat...

"Für diese Saison waren die sechs Rennen eine gute Lösung, aber in Zukunft würden wir gern wieder auf unterschiedlichen Strecken fahren", sagte Techeetah-Teamchef Mark Preston. Vincent Gaillardot aus dem Nissan-Team fügte hinzu: "Für die Leute in unserem Team war das eine Challenge, alle sind fertig. Da müssen wir in Zukunft aufpassen."

Auf der Gegenseite erhielt die Formel E durchweg großes Lob für die Ausarbeitung und Umsetzung ihres Hygienekonzepts für die Rennwoche in der deutschen Hauptstadt. Immer wieder gab es Zweifel, ob die Rennen unter den aktuellen Umständen und unter den zahlreichen und sich ständig verändernden Restriktionen überhaupt über die Bühne gehen würden.

Nur zwei positive Corona-Fälle wurden kommuniziert, es traf ausgerechnet Formel-E-Gründer Alejandro Agag und Mahindra-Teamchef Dilbagh Gill. Der Inder hätte die letzten Rennen nach weiteren und negativen Tests an der Strecke verfolgen können, zog es aus Gründen der Sicherheit aller Beteiligten aber vor, weiter von einem Hotelzimmer in Berlin aus das Geschehen zu verfolgen.

"Es war alles sehr effizient und gut organisiert", sagte Mercedes-Fahrer Stoffel Vandoorne. "Niemand wünscht sich eine solche Lösung, aber unter den aktuellen Umständen war es die einzige Lösung." Die siebte Saison der Formel E, dann erstmals mit dem Status einer FIA-Weltmeisterschaft, soll im Januar 2021 in Santiago de Chile beginnen.