Mehr Leistung, weniger Ausgaben, neue Technologien und Partner: Die Formel E stellt die Weichen für eine stabile Zukunft. Die dritte Generation der Rennwagen mit dem Namen Gen3 soll wie geplant zur Saison 2022/23 ihr Renndebüt geben und vier Saisons lang zum Einsatz kommen. Eine Verzögerung in Folge der Corona-Krise soll es trotz erster Vermutungen nicht geben. Das teilte die FIA in einem öffentlichen Schreiben mit.

Das Gen3-Auto bedeutet die nächste technologische Revolution für die seit 2014 bestehende Formel E. Inzwischen sind die konkreten Leistungsdaten bekannt, nachdem die FIA zuletzt im Zuge einer Ausschreibung mehrerer Komponenten (Batterie, Chassis, Reifen) unterschiedliche Szenarien in Betracht gezogen hatte.

Die Wahl fiel dabei auf das ambitionierteste und leistungsstärkste von drei möglichen Paketen. Der Gen3-Rennwagen soll bis zu 350 kW leisten, was rund 475 PS entspricht. Die aktuellen Autos bringen es auf maximal 250 kW (339 PS). Die im Rennen freigegebene Leistung soll 300 kW (407 PS, aktuell: 200 kW) betragen, während im Qualifying sowie im Attack Mode und beim Fanboost die vollen 350 kW zur Verfügung stehen.

Mehr Power - weniger Gewicht

Zusätzlich sollen die neuen Formel-E-Autos laut der letzten Ausschreibung einige Kilogramm abspecken. Als Zielgewicht gab die FIA insgesamt 780 Kilo an. Das wären 120 Kilogramm weniger als beim aktuellen Gen2-Auto, das stattliche 900 Kilo Mindestgewicht auf die Waage bringt. Dabei soll allein die Batterie - aktuell üppige 385 Kilo schwer - um 101 Kilo leichter werden.

"Die Ausschreibung beinhaltet ein paar sehr ambitionierte Ziele", sagte Audi-Motorsportchef Gass im Februar zu Motorsport-Magazin.com. "Grundsätzlich ist es gut, die Performance weiter zu steigern, wenn man es richtig macht. Die größte Herausforderung sehe ich im Gewicht."

Gen3: Aktuelle Rahmendaten zum neuen Formel-E-Auto

  • Einsatz ab 2022/23 für 4 Saisons geplant
  • Maximale Leistung: 350 kW (475 PS)
  • Zielgewicht: 780 Kilo (120 weniger als beim Gen2)
  • Batterie soll 101 Kilo abspecken (aktuell 385 Kilo)
  • Zweiter E-Motor als Einheitsbauteil geplant
  • Neuer E-Motor an der Vorderachse nur zur Rekuperation
  • Bis zu 600 kW Gesamt-Rückgewinnung über die Bremse
  • Fast Charging: 4 kWh Ladung während Boxenstopps möglich
  • Einheitliche Allwetter-Reifen von Hankook
  • Kosten für Chassis & Frontmotor von Spark: 340.000 Euro
  • Kosten für leichtere Williams-Einheitsbatterie: 250.000 Euro

Boxenstopps mit Schnelllade-Technologie

Die Einsparungen am Gewicht der Batterie sollen mittels einer neuen Technologie erzielt werden. Die Rede ist vom Flash-Charging, wie es die FIA bezeichnet, also einer Schnelllademöglichkeit. Dabei würden die Formel-E-Autos während eines Rennens wieder einen Boxenstopp einlegen, wie zur Zeit der früheren Autowechsel. Vorgesehen war zuletzt ein 30-sekündiger Boxenstopp, während dem die Fahrer 4 kWh nachladen können.

Zwar liegt die Einführung des Gen3-Autos noch eine Weile hin, das Renndebüt ist für Jahresende 2022 vorgesehen, doch schon jetzt gibt es einige Diskussionspunkte. Im Fokus steht vor allem ein neuer, zusätzlicher Einheitsmotor an der Frontachse. Das Leichtbauteil soll lediglich zur Rückgewinnung von Energie verwendet werden. "Wenn man schon eine zweite MGU einbaut, mehr Gewicht im Auto hat und dafür Geld ausgibt, stellt sich die Frage, ob es nicht Sinn machen würde, sie auch zum Antreiben zu benutzen", merkte Gass an.

Mit dem Gen3-Auto können Fahrer künftig beim Bremsen 350 kW über die Vorderachse sowie 250 kW über die Hinterachse zurückgewinnen, also zusammen 600 kW. Das sind 350 kW mehr als beim aktuellen Gen2-Boliden. Einen von einigen Parteien geforderten Allradantrieb soll es aber auch in Zukunft aus Kostengründen nicht geben.

Formel-E-Finale Berlin: BMW-Titelanwärter Max Günther exklusiv (16:55 Min.)

Hankook löst Michelin an

Für das Gen3-Projekt haben FIA und Formel E in dieser Woche einige Partner präsentiert. Überraschenderweise löst Hankook, aktuell vor allem als Reifenlieferant der DTM bekannt, den bisherigen Partner Michelin ab und stattet künftig die Gen3-Boliden mit Allwetterreifen aus. Die Entwicklung der Einheitsbatterie geht zurück an Williams, nachdem McLaren den Akku für das aktuelle Auto gebaut hatte. Mit Spark Technologies bleibt der Chassis-Partner an Bord.

Kostenbremse ab Saison 7

Im gleichen Zuge hat die FIA unterschiedliche Möglichkeiten kommuniziert, wie die Teams ab der kommenden Saison kostensparender agieren können. Vorgesehen ist, dass pro Team nur noch 17 statt wie bisher 20 Mitglieder in der jeweiligen Garage arbeiten dürfen.

Noch interessanter: Außerhalb der Strecke dürfen während eines Rennwochenendes nur noch sechs Mitarbeiter an einem Ort arbeiten. In der Vergangenheit kursierten immer wieder Gerüchte über entlang der Strecke gemietete Hotelzimmer, in denen sich die Ingenieure breitmachten und zusätzlich zu den Ingenieuren in den Teamfabriken weitere Kosten verursachten.

Ab der nächsten Saison, die Anfang 2021 in Santiago de Chile beginnt, soll außerdem die Anzahl der vergebenen Reifen um 25 Prozent (50 Prozent bei Doppel-Rennen) sinken und der Einsatz von Bremsscheiben reduziert werden. Künftig könnten weitere Einsparungen bei Einheitsbauteilen hinzukommen sowie mehr EB-Teile eingeführt werden. Um auch bei der Logistik Geld zu sparen, hat die Formel E obendrein eine Logistics Working Group ins Leben gerufen.

Neuer Homologations-Prozess

Bereits beschlossen, um in Zeiten von Corona das Budget nicht noch mehr zu belasten: Die in der Formel E engagierten Hersteller dürfen in den kommenden beiden Saisons 2020/21 und 2021/22 nur einmal statt zweimal einen Antriebsstrang homologieren (Motor, Inverter, Getriebe und Teile der Hinterachse). Das spart auf der einen Seite Kosten, auf der anderen Seite könnten sich größere Performance-Unterschiede im Starterfeld ergeben.

Die Regelung bedeutet konkret: Teams können entweder zur kommenden Saison 7 einen neuen Antriebsstrang entwickeln und diesen für den Verlauf von zwei Saisons einsetzen. Oder sie starten in der kommenden Saison mit dem aktuellen Material und können für die übernächste Saison neues Material homologieren und dieses für ein Jahr nutzen. Die meisten Teams dürften sich für Variante 1 entscheiden.