Schummelei, Eklat, Skandal oder auch Betrug: Über Daniel Abt prasselte nach seiner Aktion während des virtuellen Formel-E-Rennens am Samstag handfeste Kritik in den Medien herein. Begriffe, die im Audi-Kosmos seit der schwerwiegenden Diesel-Affäre nur zu gerne vermieden werden.

https://www.motorsport-magazin.com/formele/news-263141-daniel-abt-von-audi-nach-formel-e-vorfall-suspendiert/

10.000 Euro Strafe in Form einer Spende muss Abt zahlen, zudem wurde er vom Rennen im virtuellen Berlin-Tempelhof - wo der Audi-Werksfahrer vor ziemlich genau zwei Jahren und selbst am Steuer den realen Heimsieg errungen hatte - disqualifiziert und verlor alle Punkte in der Meisterschaft.

Anstatt selbst das fünfte Saisonrennen der virtuellen Formel-E-Serie mit dem Namen 'Race at Home Challenge' zu bestreiten, überließ er einem Sim-Profi das Lenkrad. Dass der junge Österreicher, kurz zuvor im Rennen der eSportler bereits am Start, umgehend von der Formel E verbannt wurde, zeigt, wie dieser vermeintliche Spaß beim Veranstalter ankam.

Unbedachter Dummejungenstreich

Abt und einige andere professionelle Rennfahrer mögen die virtuellen Elektro-Rennen nicht allzu ernst nehmen - möglicherweise aus gutem Grund - doch die deftige Geldstrafe zeigt, dass ein derart unbedachter Dummejungenstreich auf einer ernstzunehmenden Plattform mit großer Reichweite und allen 24 Fahrern des aktuellen Formel-E-Starterfeldes nichts zu suchen hat.

Was Abt genau mit dieser möglicherweise noch folgenschwereren 'Schnapsidee' bezwecken wollte, darüber kann nur spekuliert werden. Vermutlich sollte es ein Scherz werden, den der 27-Jährige im Anschluss mit seinen hunderttausenden Followern teilen wollte.

Darauf deutet schon die 'billige' Inszenierung hin, in der das Gesicht des #66 Audi-Fahrers verdeckt war und es im Anschluss an den herausgefahrenen Podestplatz zu einem vermeintlichen Verbindungsproblem während der Interview-Runde kam. Spätestens hier musste auch dem Letztem klar gewesen sein, dass Abt - der sich zuvor nicht gerade mit Ruhm beim Sim-Racing bekleckert hatte - wohl kaum selbst gefahren sein konnte.

Siehe Einblendung unten rechts: Offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmt, Foto: Formula E
Siehe Einblendung unten rechts: Offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmt, Foto: Formula E

Wettbewerb im Hintergrund

Dass sich Abt mit seinem Sim-Strohmann einen wettbewerblichen Vorteil mittels Betruges verschaffen wollte, um seine Chancen in der virtuellen Meisterschaft zu verbessern, ist kaum denkbar. In den ersten vier der insgesamt acht Rennen der Serie war er komplett leer ausgegangen und ohnehin ist ein Erfolg in der virtuellen Formel E größtenteils unbedeutend.

Vielmehr ein Zeitvertreib, um die Corona-Zwangspause zu überbrücken und Spenden für das Unicef-Kinderhilfswerk zu sammeln sowie eine Gelegenheit für den einen oder anderen Fahrer, vertraglich vereinbarte Promo-Tage abzufeiern.

Daniel Abt schweigt

Dass Fehltritte in der virtuellen Welt sich aber schnell auf das reale Geschehen auswirken können, haben die vergangenen Wochen mehrfach bewiesen. Wie heikel Abts Aktion bei Audi aufgenommen wurde, darauf deutet die Absage auf eine Interview-Anfrage von Motorsport-Magazin.com hin: "Aktuell ist keine weitere und sein Zitat überschreitende Stellungnahme seitens Daniel geplant."

Abts kindischer und vermutlich nicht böswilliger Streich in solch einem Umfeld kann interne Konsequenzen nach sich ziehen, wenngleich sich der Kemptener öffentlich entschuldigt hat. "Ich habe es nicht so ernst genommen, wie ich es hätte tun sollen", ließ Abt ausrichten, auch, dass der Vorfall nie mit einer schlechten Absicht gemeint gewesen sei. Dass er einen schlechten Beigeschmack hinterlässt, wusste Abt ebenso.

Formel E: Daniel Abt sorgt für Eklat - Berlin-Rennen Re-Live: (01:49:45)

Da Costa: Wir kennen Daniel als Witzbold

Die Reaktionen fielen äußerst gemischt aus und waren am Sonntag nach der offiziellen Bekanntgabe ein großes Thema in den sozialen Netzwerken. Manche warfen Abt Dummheit und Respektlosigkeit vor, andere nahmen ihn in Schutz. "Es ist nur ein Spiel", twitterte etwa Formel-E-Fahrer Antonio Felix da Costa. "Wir alle kennen Daniel als einen lustigen Kerl und Witzbold."

Zweifellos gehört Formel-E-Pionier Abt zu den unterhaltsamsten Rennfahrern auf der Welt, Fans schätzen seine Authentizität und offene, nicht immer Marken-konforme Art. Doch hier ging der Witz gewaltig nach hinten los, auch seine eigene Community reagierte mit Verwunderung.

Mit seinen 351.000 Abonnenten und über 66 Millionen Video-Aufrufen bei YouTube zählt Abt zu den größten und wichtigsten Aushängeschildern der Rennserie und auch seines Arbeitgebers Audi Motorsport. Ein echter Gewinn für beide, die dank Abts kreativer Ideen im Automobilbereich einen enormen Image-Gewinn bei der jugendlichen Zielgruppe verzeichnen können.

Diese Präsenz dürfte ihm in der Vergangenheit auch dabei geholfen haben, sein Cockpit beim Audi-Werksteam in der Formel E zu rechtfertigen. Im September 2019 sagte Audi-Motorsportchef Dieter Gass bei Motorsport-Magazin.com bezüglich Abts Vertragsverlängerung um eine weitere Saison: "Bei einem Werkseinsatz überwiegt natürlich die Performance. Wir schauen uns aber das Gesamtbild an und das hat dazu geführt, dass wir Daniel für die Saison 6 bestätigt haben."

Damals erfuhr Abt im internen Duell mit DTM-Vizemeister Nico Müller auch Unterstützung aus Audis Marketing-Abteilung, die sich für eine Weiterbeschäftigung des deutschen Social-Media-Fixsterns eingesetzt hatte. Der Schweizer Müller erhielt parallel zu seinem DTM-Engagement beim Hinterherfahr-Team Dragon Racing die Gelegenheit, sich weiter mit der Formel E vertraut zu machen und für höhere Aufgaben zu empfehlen.

Daniel Abts Karriere in der Formel E

StatistikZahlen
Rennen63
Siege2
Podestplätze10
Pole Positions2
Schnellste Runden8
Punkte390
Beste Platzierung5 (2017/18)

Bangen ums Audi-Cockpit

Neben Müller muss Abt nach der aktuell unterbrochenen Saison um weitere hochkarätige Cockpit-Konkurrenz fürchten. Der zweifache DTM-Champion Rene Rast oder Jamie Green suchen nach Audis angekündigtem Ausstieg aus der Tourenwagenserie eine neue Beschäftigung im Konzern. Und nur in der Formel E sind die Ingolstädter künftig noch werksseitig vertreten.

Abt, der in 63 Formel-E-Rennen zehn Mal aufs Podium fuhr, zwei Siege erzielte und 2018 als erster deutscher Rennsieger in die Geschichte einging, musste schon vor dem Sim-Vorfall um seine Zukunft bangen. In der vergangenen Saison konnte er den Verbleib im Werksteam auch mit starken Leistungen untermauern. Dieses Jahr tun sich Abt und Audi jedoch schwer und wegen der Corona-Krise bleiben kaum noch Möglichkeiten, auf der Strecke Eigenwerbung zu betreiben.

Der Dummejungenstreich abseits der realen Rennstrecke könnte sich im Gesamtbild dieser Ausnahmesituation als folgenreich erweisen für Abt, der allein wegen seines Nachnamens nur schwer ein anderes Cockpit in der Formel E finden wird.