Es kommt im Motorsport nicht oft vor, dass Teamorder vom schlechter platzierten Piloten missachtet wird. Beim Berlin ePrix der Formel E ereignete sich jedoch genau so ein Fall, der weitreichende Auswirkungen auf den Ausgang der Meisterschaft haben könnte. Zwei Runden vor dem Ende des Rennens lag Daniel Abt an der zweiten Stelle, vor seinem Teamkollegen Lucas di Grassi.

Abt wurde vom Team, das seinem Vater Hans-Jürgen Abt gehört, angewiesen, den in der Meisterschaft führenden di Grassi vorbeizulassen, woraufhin er seinem Stallgefährten mit Handzeichen signalisierte, vorbeizufahren. Der Brasilianer nahm die Einladung jedoch nicht an, überquerte die Ziellinie lediglich als Dritter und liegt damit vor den letzten beiden Saisonrennen in London nur noch einen Punkt vor Sebastien Buemi, der in Berlin gewann.

Beim Team ABT Schaeffler Audi Sport ging man mit der missratenen Teamorder gelassen um. "Daniel hat ihm Platz gegeben, aber vielleicht hat Lucas das nicht erkannt - wir müssen das akzeptieren", sagte Hans-Jürgen Abt, der seinem Sohn nichts vorwerfen wollte. "Daniel weiß, dass er uns in der Meisterschaft helfen kann, und hat das auch versucht."

Di Grassi lehnt Teamorder ab

Auch di Grassi war keineswegs erbost aufgrund der verlorenen Punkte im Titelkampf - ganz im Gegenteil. "Wenn ich die Meisterschaft wegen dieser drei Punkte verliere, bevorzuge ich es, sie so zu verlieren, anstatt Teamorder zu verwenden", gab sich der Brasilianer ausgesprochen fair. "Es wäre nicht richtig gewesen, hätte ich Daniels Platz übernommen, denn er hat ihn sich verdient."

Di Grassi hatte sich eigener Aussage zufolge bereits bei der internen Besprechung vor dem Rennen gegen Teamorder ausgesprochen. "Wir haben beschlossen, uns nicht zu bekämpfen, der Langsamere sollte den Schnelleren vorbeilassen, aber in den letzten beiden Runden war ich nicht schneller", machte der Ex-Formel-1-Pilot deutlich. "Das Risiko war zu groß, um einen Angriff für drei Punkte zu starten."

Daniel Abt wollte seinen Stallgefährten hingegen vorbeilassen, fuhr sogar langsamer und gab Handzeichen - doch vergebens. "Es spielt für mich keine Rolle, ob ich Zweiter oder Dritter werde", sagte der Deutsche, der beim seinem Heimrennen die beste Platzierung seiner Formel-E-Karriere erreichte. "Wir sind ein Team und das Ziel lautet, die Fahrer- und Herstellermeisterschaft zu gewinnen."

Beides ist für Abt freilich noch möglich. Während di Grassi mit einem Punkt Vorsprung zum Double-Header nach London Anfang Juli reist, liegt das Team elf Zähler hinter e.dams Renault, der Mannschaft von Buemi. Ein hochspannendes Finale scheint somit garantiert.