Das Sesselrücken ist also offiziell. Und man kann von einer win-win-win-win-Situation sprechen. Ferrari kann rasch einen Mantel des Schweigens über das missglückte Badoer-Experiment breiten. Vijay Mallya hat für die Freigabe von Fisico höchstwahrscheinlich einen spürbaren Rabatt bei den noch offenen Motorrechnungen bekommen. Tonio Liuzzi wird, wenn nichts Dummes passiert, ausgerechnet bei seinem Heim-Rennen die Rückkehr aus der Versenkung feiern dürfen. Und der größte Sieger von allen strahlt sicher die nächsten drei Tage sogar beim Schlafen von einem Ohr bis zum anderen. Giancarlo Fisichella darf nach gefühlten zwanzig Jahren des Wartens und Hoffens endlich in den roten Overall. Wie in "Ironic" von Alanis Morissette, wo ein alter Mann 98 Jahre alt wird und dann im Lotto gewinnt. Bei Fisico aber hoffentlich mit längerer Haltbarkeit.

Der ewige Traum von Rot

Fisichella war ein, zwei Mal dran an einem Vertrag mit Maranello, aber eben nie nah genug. Schon als er noch bei Minardi und dann bei Jordan fuhr, machte er nie einen Hehl daraus, was für ihn die Vollendung einer Formel 1-Karriere sei. Die Todt/Schumacher-Ära kam aber genau zum falschen Zeitpunkt für ihn. Michael hätte in der Anfangszeit nie einen Mann wie Fisico neben sich geduldet. Denn vom Speed her fand der Römer erst Jahre später in Fernando Alonso seinen Meister.

Und den halte ich persönlich für den allerbesten seit Senna und Schumi. "Ferrari ist es völlig egal, ob du Italiener bist", hat er mir mal gestanden. "Im Gegenteil: Als Italiener musst du doppelt so gut sein, damit man dort auf dich aufmerksam wird." Und die Historie gibt ihm Recht. Abgesehen von einigen Kurzeinsätzen für Badoer oder Larini oder den Chaos-Jahren der Prä-Schumi-Ära, die Ivan Capellis Karriere zerstörten, war da nicht viel. Der letzte ernstzunehmende Ferrari-Italiener war Michele Alboreto und das ist auch schon wieder über zwanzig Jahre her.

Glanzlichter und Durchhänger

In Fisicos Karriere sind mir ein paar Rennen ganz deutlich in Erinnerung geblieben. Alle sind sie typisch für ihn. Alle zeigen, dass er zu den Besten gehört, aber auch, warum er nie ein ganz Großer wurde: Nürburgring 1999, Regenchaos. Da zeigt sich, wer Auto fahren kann. Und fast wie selbstverständlich hieß der Führende kurz vor dem Ende Fisichella - in einer Zumutung von Rennauto, das Benetton hieß. Aber beim letzten Regenguss war er auch schon wieder im Kies.

Dann war da dieser kuriose Sieg in Interlagos 2003 im Jordan - keine Chance gehabt und sie dennoch genutzt. Oder Melbourne 2005, der Sieg zum Saisonauftakt (ja, Fisico hat mal die WM angeführt...). Scheinbar mit links hat er den Rest der Formel 1 düpiert. Dann kam aber nichts mehr nach. Und Alonso nahm ihn an die kurze Leine (oder doch Flavio?). Symptomatisch sein 2. Platz in Suzuka im selben Jahr: Bis in die letzte Runde hat er sich in Führung liegend mit kaputten Reifen gegen den aufholenden Räikkönen gewehrt. Dann hat ihn der Finne im Stile einer öffentlichen Hinrichtung noch geschnappt. Dazwischen liegt ein WM-Titel für Kimi und ein Frührentner-Dasein am Ende des Feldes für Fisico. Jetzt sind sie Teamkollegen.

The Drivers' driver

Jubel über die Pole, Jubel über Platz 2 und Jubel über den Ferrari-Vertrag., Foto: Sutton
Jubel über die Pole, Jubel über Platz 2 und Jubel über den Ferrari-Vertrag., Foto: Sutton

Die Grand-Prix-Piloten haben vor einigen Jahren den aus ihrer Sicht perfektesten Fahrer des Feldes gewählt. Die Wahl fiel dabei nicht auf Abo-Sieger Schumacher. Er kam nur auf Rang 2. Die meisten Votes gingen an Fisichella. Und auch bei seinen Arbeitgebern hört man nur Gutes über den Römer. Das ist auch nicht selbstverständlich. Es kann schon mal vorkommen, dass man unter der Hand Dinge hört, wenn ein Fahrer das Team verlassen hat.

Ein Teamchef hat mir mal launig zugeflüstert, der gerade verabschiedete Fahrer "sei doch eigentlich schon seit zwei Jahren in Frühpension". Fisico ist durch so manches Wellental gegangen. Aber sein Auftreten war immer weltmeisterlich. Überhaupt ist er einer von der Sorte, an denen sogar Journalisten kaum ein schlechtes Haar lassen können. Fisico hat nie seine Heimatstadt Rom verlassen. Das unterscheidet ihn mal massiv vom Rest der Formel 1. Als er schon Formel 1 fuhr stand er regelmäßig beim AS Roma im Stadion hinter dem Tor, um seine Idole zu bewundern. Wenn er über Fußballer spricht, dann wird er sofort zum kleinen Jungen, der wahnsinnig stolz ist, die Handynummer eines Roma-Kickers zu haben.

Ein Traum wird wahr

Fisichella und Ferrari - das ist die Geschichte mit den zwei Königskindern, die nicht zueinander kommen konnten. Aber mit Happy End. Persönlich glaube ich nicht, dass Fisico schon in Monza im Ferrari groß aufgeigen wird. Denn das ist die Kehrseite seines italienischen Temperaments. Wenn der Finne unter Druck den Schalter umlegt, dann spielt es in Fisico's Kopf noch "Casino", oder wie sein ehemaliger Teamkollege Alex Wurz letztes Wochenende meinte: "Beim Heimrennen war er besonders leicht zu biegen. Das hat er immer Nerven gezeigt."

Vielleicht hat er durch den Stallwechsel sogar eine Siegchance im Force India weggeworfen. Und was das langfristig bedeutet, hat er sich wohl auch gut überlegen müssen. Fünf Rennen Ferrari und dann ein Versorgungsposten in Maranello? Wer weiß? Wenn Kimi Räikkönen wirklich abhaut und Felipe Massas Genesung etwas komplizierter verlaufen sollte, dann könnte die Türe bei Ferrari für Fisichella noch weiter aufgehen als wir alle im Moment vermuten. Der einzige Pferdefuß dabei: Im anderen Auto säße mit ziemlicher Sicherheit dann Fernando Alonso. Und ob Fisico sich das ein zweites Mal antun will...?