Warum hat Schumacher das Comeback abgesagt?

Die Schmerzen waren zu groß. "Gleich beim ersten Test in Mugello waren die Schmerzen sehr dominant", verrät er. Selbst nach einem Tag Pause und trotz spezieller Medikamente gegen die Schmerzen und Entzündungen nahmen sie nicht ab. "Ich war weit weg, von dem, wo ich hätte sein müssen." Das Comeback sei nicht möglich gewesen. "Ich konnte nicht schmerzfrei fahren. Es ging einfach nicht." Zudem hätte bei einem Unfall das Risiko bestanden, dass sich Schumacher schlimmere Verletzungen und bleibende Schäden hätte zuziehen können.

Welche Verletzungen hatte Schumacher?

"Die Unfallfolgen waren die schwersten, die Michael in seiner Karriere zu tragen hatte", erklärte sein Leibarzt Dr. Johannes Peil. "Er hat durch den Unfall eine Fraktur im Bereich des siebten Halswirbels und eine Fraktur der ersten Rippe links erlitten. Außerdem hat er beim Aufschlag eine Fraktur im Bereich der Schädelbasis davongetragen." Dies sei eine wichtige Fläche im Bereich des vorderen Hinterhauptes. "Die Stelle ist ungefähr so groß wie der Fingernagel des Daumens. Darauf lastet das gesamte Gewicht des Kopfes und wird auf beiden Seiten auf den sogenannten Atlas abgetragen." Auf der linken Seite dieser spiegelblanken Fläche habe Schumacher eine Berstungsfraktur erlitten. Eines der Fragmente zerschlug die linke von zwei Arterien, die das Kleinhirn versorgt. "Das Kleinhirn ist für die Motorikfähigkeiten, Geschicklichkeit, Schnelligkeit und Reaktion verantwortlich." Sämtliche Unfallfolgen wurden am Tag nach dem Motorradsturz bei Testfahrten im spanischen Cartagena festgestellt.

Wird Schumacher wieder vollständig gesund?

In drei von vier Bereichen haben die Ärzte Schumachers Gesundheit wieder hergestellt. So ist die Verletzung im Bereich des Halswirbels bereits komplett verheilt. "Er wird wieder viele Sportarten betreiben können, leider auch Motorradrennen fahren können", so Peil. "Mir wäre es nicht unangenehm, wenn selektiv das Motorradfahren durch die Heilung nicht gedeckt wäre", meint er. Rein physisch betrachtet sei Schumacher perfekt für das Comeback gerüstet gewesen. "Er kann sehr gut Sport treiben, ich hätte mir gewünscht, dass der eine oder andere gesehen hätte, wie gut er bei der Ausdauer vorbereitet war." Dazu habe man sehr gute Vergleichswerte zu früher.

Warum wollte Schumacher zurückkommen?

"Dass ich enttäuscht bin, ist selbstverständlich", so Schumacher. "Niemand hat sich ausgesucht, dass Felipe diesen Unfall hatte - das war nie geplant und es gab nie seriöse Absichten, in die Formel 1 zurückzukehren. Es war ein reiner Hilfsdienst für das Team, für Felipe, einen Freund, den ich mein Cockpit überlassen habe, weil ich damals nicht mehr wollte und ihn für einen würdigen Nachfolger gehalten habe." Als Massa außer Gefecht war, wollte er als Freundschaftsdienst für Ferrari, Luca di Montezemolo und Massa ins Auto steigen. "Ich bin seit über zehn Jahren Teil der Ferrari Familie. Es war für mich eine Selbstverständlichkeit, zur Verfügung zu stehen. Das es nicht geht, ist sehr frustrierend."

Wird Schumacher noch einen Comeback-Versuch starten?

Schumacher hatte vor dem Massa-Unfall nicht vor, in die Formel 1 zurückzukehren. "2006 war die Batterie leer, es war keine Frage, weiterzumachen und ich bereue den Rücktritt nicht. Ich wollte nicht weiterfahren." Nun erlebe er den härtesten Moment seiner Karriere und denke nicht darüber nach, was in der Zukunft geschehen werde oder nicht. "Es gibt keinen Zweifel an meiner Entscheidung von 2006. Dass ich nicht helfen kann, beschäftigt mich momentan mehr. Ich werde weiter meine Kartaktionen betreiben, weil es Spaß macht, alles andere steht in Moment überhaupt nicht zur Diskussion."

Warum wurde Schumacher nicht früher untersucht?

Erst am vergangenen Montag kam das Comeback-Aus, nach zwei Wochen der intensiven Vorbereitung. Eine frühere Diagnose sei jedoch nicht möglich gewesen. "Zum einen war die Zeit sehr eingeschränkt", so Schumacher, "zum anderen kann nur eine Fahrt in einem F1-Auto Auskunft darüber geben, ob es möglich ist oder nicht." Das sei nur mit dem Test in Mugello möglich gewesen. "Mein Arzt hatte mir schon vorher gesagt, dass genau diese Belastung der entscheidende Punkt wäre, an dem wir feststellen würden, wie sich die Dinge entwickeln."

Danach musste man den Verlauf abwarten, um festzustellen, wie sich die Fahrt mit dem F2007 in Mugello auf Schumachers Gesundheit auswirkte. Erst danach sei eine definitive Analyse möglich gewesen. "Die F1 ist etwas Besonderes, es gibt keine Möglichkeit, es im Labor oder mit einer Nackentrainingsmaschine adäquat nachzustellen", sagt Peil. Selbst nach zwei, drei Wochen Urlaub benötigen die Fahrer einige Zeit, um sich wieder an die Belastungen zu gewöhnen.

Dr. Peil hätte sogar am liebsten noch etwas länger gewartet. Zwar wurden die Folgen des Motorradunfalls regelmäßig kontrolliert und Fortschritte beobachtet, so dass Schumacher wieder Motorrad fahren konnte, doch sei es nicht möglich gewesen, die CT-Untersuchung ständig durchzuführen, da dabei eine gewisse Menge an Strahlung anfalle, bei der eine relativ starke Dosis an Kontrastmitteln verwendet werden musste. "Da wird Michael wie jeder andere Patient behandelt", so Peil. "Ich hätte die Untersuchung am liebsten später gemacht, um die spezifische Belastung des F1-Sports mit drin zu haben. Es wäre interessanter gewesen, wenn er nicht nur einmal knapp 70 Runden gefahren wäre, sondern noch mal 60 oder 70 Runden."

Fährt Schumacher weiter Motorradrennen?

Schumacher steigt vorerst auf kein Motorrad., Foto: IDM
Schumacher steigt vorerst auf kein Motorrad., Foto: IDM

Trotz seines Motorradunfalls schließt Schumacher weitere Motorradrennen nicht aus. Vorerst sind diese aber kein Thema. "Ich fühle mich momentan nicht danach." Dem Unfall gibt er keine Schuld am gescheiterten Comeback. "Ich habe nicht einmal gehört, dass er sich darüber beklagte", so Dr. Peil. "Obwohl es ja relativ doof ist, sich so eine Verletzung beim Motorradfahren zuzuziehen." Schumacher genieße das Zweiraderlebnis. "Ich glaube an Bestimmung und Hinterher ist man immer schlauer. Es ist gefährlich, aber das gehört zu meiner Natur. Ich springe aus Flugzeugen, fahre Formel 1, fahre Motorräder. Man kann es auch so sehen: Ich habe den Unfall überlebt."

War der Motorrad-Unfall lebensgefährlich?

Gerade nach dem Unfall von Massa in Budapest wurde in den Medien schnell mit dem Begriff lebensgefährlich hantiert. Dr. Peil wollte diesen nicht verwenden, sagte aber: "Wir haben uns damals große Sorgen gemacht. Bei solchen Unfallfolgen ist Lebensgefahr eine Geschichte, aber ein Fähigkeitsausfall durch Schädigung des Gehirns eine ganz andere. Wenn Hauptarterien betroffen sind, kann man weiter existieren, aber nicht mehr in der Qualität."

Schumacher hatte bei seiner nächsten Motorradausfahrt nach dem Unfall aber keine Angst. "Ich hätte es ja nicht tun müssen und wenn du Angst vor etwas hast, was du nicht tun musst, dann machst du es eben nicht." Dennoch stuft er den Unfall anders ein als seinen Crash in Silverstone 1999. "Dort war es nicht so extrem. Ich war während des Unfalls nicht ohnmächtig. Beim Motorradunfall habe ich nichts mitbekommen. Ich habe kein Erinnerungsvermögen daran, was passiert ist. Ich weiß nur, dass ich irgendwann aufgewacht bin und meine Probleme hatte. Obwohl die zum Teil heftig waren, sitze ich hier und glaube, wenn alles verheilt ist, ein komplett normales Leben führen zu können."

Ist Luca Badoer der richtige Ersatzmann?

An der Stelle von Schumacher wird Luca Badoer in Valencia im zweiten Ferrari sitzen. "Luca ist genauso lange dabei wie ich, war schon immer unser Ersatzfahrer", so Schumacher. "Er musste immer für den Fall der Fälle fit sein." In den letzten Wochen habe Badoer sein Training sogar noch intensiviert, da er immer gewusst habe, dass eine Möglichkeit bestehe, dass er und nicht Schumacher fahren würde. Sie fuhren sogar gemeinsam Kart in Lonato.

"Bei meinem Unfall in Silverstone 1999 hat sich das Team für eine andere Variante entschieden, danach hat man ihm versprochen, dass er definitiv den Job erhalten würde, wenn wieder so eine Situation eintreten sollte", erklärt Schumacher. "Der einzige Fahrer, den er an seiner Stelle akzeptierte, war ich. Das muss man ihm anrechnen. Er hat mir den Vortritt gelassen, da ich in seinen Augen der einzige war, der den Job hätte machen dürfen." Insofern sei es verständlich, dass Badoer im Auto sitze. "Er hat sich gut vorbereitet, kennt das Team, die Abläufe und die Details. Für meine Begriffe ist er die perfekte Lösung."

Wird Schumacher in Valencia sein?

Schumacher telefonierte bereits einige Male mit Badoer und steht ihm mit Rat und Tat zur Seite. Es ist jedoch noch nicht entschieden, ob er nächste Woche nach Valencia reisen wird. "Das werde ich mit dem Team besprechen." Noch sei nicht klar, ob dies positiv oder eher eine Ablenkung wäre. "Wenn ich helfen kann, bin ich aber bereit."

Wann gab es den letzten Kontakt zu Felipe Massa?

"Ich habe ständig Kontakt zu Felipe", sagt Schumacher. "Wir sind nicht nur Rennfahrerkollegen, sondern auch privat befreundet. Ich habe gestern mit ihm gequatscht und es geht ihm gut. Er arbeitet an sich, um so schnell wie möglich wieder dabei zu sein. Er freut sich darauf, irgendwann wieder ins Lenkrad zu greifen."

Verlängert Schumacher als Ferrari-Berater?

"Bis jetzt wurde in keiner Hinsicht über Verträge gesprochen", betont Schumacher. Ob er seine Rolle als Ferrari-Berater fortsetzen wird, steht noch nicht fest. Das sei auch nicht Bestandteil des Comebacks gewesen.

Hat Willi Weber die Fanartikelproduktion gestoppt?

In den letzten Tagen wurde darüber spekuliert, dass Schumachers Manager wegen der drohenden Comeback-Absage die Produktion der Comeback-Fanartikel stoppte. "Es wurde nie etwas gestoppt, weil nie etwas produziert wurde", stellte Weber klar. Es habe eine Menge Anfragen gegeben, aber er habe immer auf die theoretische Chance einer Absage hingewiesen. "Einige wollten auf Verdacht produzieren, aber dafür habe ich keine Freigabe gegeben und es hat auch niemand gemacht."

War das Comeback nur ein PR-Gag, um an Sponsoren zu kommen?

In den letzten Wochen wurden einige Vertragsverlängerungen mit Sponsoren und neue Kampagnen mit Michael Schumacher bekannt gegeben. Die Verträge dafür seien jedoch schon lange unterschrieben gewesen. Teilweise wurde der Start nur für einen günstigen Zeitpunkt aufgehoben. "Es wurde von Anfang an offen kommuniziert, dass es unter gewissen Bedingungen klappen kann, aber erst bestimmte Fragezeichen beseitigt werden müssten", erinnert Schumacher. Das Comeback habe von Beginn unter der Voraussetzung gestanden, dass es seine Gesundheit erlauben würde, wieder Formel 1 zu fahren.