Die ganze Startaufstellung ist von Stammfahrern besetzt. Die ganze Startaufstellung? Nein, bis zuletzt wehrte sich ein kleines italienisches Dorf namens Faenza gegen die Cockpit belagernde Übermacht. Beim Toro Rosso Press Day in Barcelona schien es sogar kurzzeitig so, als ob einer der Belagerer den Sprung ins Cockpit geschafft hätte: Anstelle eines zweiten Piloten neben Tonio Liuzzi brachten die Jungbullen eine Römerin an die Strecke. Die Gladiatorin posierte aber nur für Fotos, verteilte die Presseschriftrollen im Media Centre und kämpfte mit ihrer luftigen, römischen Kleidung gegen den wie immer starken katalanischen Wind. Im Cockpit des STR2 nahm sie nicht Platz, spätestens dann hätte ihr Outfit endgültig versagt - ebenso wie Tonios fragwürdige Kombination aus Mütze, Schal und Team-Shirt.

Karneval in Barcelona: Tonio und seine Teamkollegin für einen Tag., Foto: Hartley/Sutton
Karneval in Barcelona: Tonio und seine Teamkollegin für einen Tag., Foto: Hartley/Sutton

Eine halbe Stunde später saß uns Teammitbesitzer Gerhard Berger im Nebenraum gegenüber. Entspannt, ohne Angst vor Fragen zum Kundenchassisdilemma sprach der Österreicher über das anstehende Jahr. Nur beim Thema Scott Speed hielt er sich bedeckt; klang in seinen mit Bedacht gewählten Worten geradezu Unheil verheißend für den Amerikaner.

"Wir haben über den Winter die Leistungen der Fahrer genau analysiert - jedes Rennen, alle positiven und negativen Dinge", sagte er. "Junge Fahrer machen Fehler und haben Schwächen, aber wir mussten sicherstellen, dass sie an ihren Schwächen arbeiten. Das haben wir in den letzten Wochen analysiert." Bei Tonio Liuzzi konnte er einen "großen Fortschritt" feststellen. Bei Speed mussten zu diesem Zeitpunkt noch einige Vertragsdinge geklärt werden, zu denen Berger sich nicht äußern wollte.

"Das Hauptproblem war die mangelnde Konstanz", kritisierte Red Bull-Motorsportchef Helmut Marko. "Bei Speed ist die Kurve, die am Beginn da war, nicht weitergegangen." Dennoch sah Teamchef Franz Tost eine gute Basis - vom Speed her. "Er hat eine sehr gute Fahrzeugbeherrschung, aber auch Probleme, wenn sich die Verhältnisse ändern." Das stufte Tost jedoch als Erfahrungsmangel ein, was sich nach einer gewissen Lehrzeit von alleine erledigen würde. Dennoch: "Speed muss an sich arbeiten", forderte Tost. "Datenanalyse, Fitnesstraining - es gibt in allen Bereichen Verbesserungspotenzial. Wenn er das richtig professionell angeht, kann er sicher mal um Siege mitfahren."

Nicht nur Bernie Ecclestone würde das gefallen, sogar sehr! Immerhin möchte Bernie den US-Markt erschließen, um seinen Traum von einem zweiten US Grand Prix anzutreiben, wäre ein erfolgreicher Lokalheld Gold wert. Allerdings sollte sich Speed nicht auf seinem marketingträchtigen Namen und seiner Nationalität ausruhen - beides besitzt auch ein gewisser Marco Andretti, der zuletzt zweimal für Honda testen durfte. Sollte die dritte Generation der Andrettis Speed den Erfolg wegschnappen, würde Dietrich Mateschitz' Traum in Stars and Stripes zerplatzen. Denn auch der Dosenchef möchte nur zu gern den US-Markt wie im Flug erobern.

Einst träumte er von einem All American Racing Team. Daraus sind nun Red Bull Racing und die Scuderia Toro Rosso geworden. Letztere wurde zunächst als Juniorteam gesehen, welches zwei zusätzliche Cockpits für die vielen Red Bull-Nachwuchstalente sichern sollte. Warum also hätten Berger & Co überhaupt gegen Liuzzi und Speed entscheiden sollen? Was wäre der Sinn einer Cockpitvergabe an Doornbos, Monteiro, Karthikeyan oder andere gehandelte Piloten gewesen? Paydriver sind für Red Bull nur dann ein Thema, wenn die Österreicher ihre Fahrer irgendwo platzieren, nicht umgekehrt. Nur Sebastien Bourdais könnte 2008 ein ernsthaftes Problem für die aktuellen Piloten werden, sollten diese sich 2007 nicht wie erhofft beweisen. Für diese Saison war das aber nie ein Thema.

Berger sagte in der Winterpause oft und deutlich genug: Für ein Debütjahr waren die Leistungen des Ex-Minardi Teams und der Fahrer okay, aber dieses Jahr muss es besser werden. Bei Liuzzi habe man eine Steigerung festgestellt, vor allem bei der Einstellung und Herangehensweise. Bei Speed konnte man dies bis zum Roll-Out des STR2 in Barcelona nicht. Erst anderthalb Wochen danach, als Running-Gag und Fußzeile einer Pressemitteilung, die immer wieder kursiv den Begriff speed enthielt, bestätigte man den Amerikaner als zweiten Stammfahrer.

Hat Scott Speed aus der Wartezeit gelernt - oder gab es gar nichts zu lernen?, Foto: Sutton
Hat Scott Speed aus der Wartezeit gelernt - oder gab es gar nichts zu lernen?, Foto: Sutton

War all das eine Erziehungsmaßnahme für das schludrige Talent? Für einen Fahrer, der sich nicht genug auf seine Arbeit konzentrierte? Der mehr Einsatz, mehr Motivation und mehr Hingabe zeigen soll? Hat man ihn so lange zittern lassen, um ihm die Grenzen aufzuzeigen? Aber hat es ihn nicht eher verunsichert?

Andererseits musste man ohnehin überlegen, wie ernst man die Hängepartie überhaupt nehmen sollte? Wie verunsichert oder gar bestraft wurde Speed dadurch? Laut Berger standen Speed und Liuzzi von Anfang an auf der Pole Position für die beiden Cockpits; das wiederholte Berger immer und immer wieder. Getestet wurde ohnehin nicht, also hat Speed hier keinen Schaden genommen. Bei den Dreharbeiten für den Red Bull-Werbefilm war er ebenso dabei, wie bei den Demorunden in Abu Dhabi. Wusste er also schon länger Bescheid, dass sein Vertrag verlängert würde? War alles nur ein PR-Gag, um in den Schlagzeilen zu bleiben oder vielleicht um von den Kopievorwürfen abzulenken? Red Bulls Marketingstrategen ist bekanntlich alles zuzutrauen...

Aber egal wie: Ausreden gibt es für Scott Speed 2007 keine mehr. Das betont auch Niki Lauda: "Er muss beweisen, dass er entwicklungsfähig ist. Die Lehrzeit ist vorbei."