Bob, wo haben Sie das Formel 1-Finale im Oktober verfolgt?
Bob Bell: Wir hatten die Möglichkeit, das Rennen von Interlagos auf einer Großleinwand in Enstone zu sehen, und viele Leute haben das genutzt. Für mich selbst war es wichtig, bei meiner Familie zu sein, deshalb habe ich den Grand Prix zuhause verfolgt. Es war ein historischer Moment.

Am Ende stand ein großer Sieg, Foto: Sutton
Am Ende stand ein großer Sieg, Foto: Sutton

Wie schätzen Sie das Wettbewerbsniveau in der abgelaufenen Saison ein?
Bob Bell: Ich sehe es ähnlich wie 2005: Wieder gab es zwei Teams, die die Siege unter sich ausmachten, und einen großen Rest, der etwas dahinter lag. Die allgemeine Zuverlässigkeit schien dieses Jahr besser zu sein, und die Rundenzeiten sanken erneut – trotz der geringeren Motorleistung. Aber so etwas erleben wir ja fast jedes Jahr. Bei der Aerodynamik z.B. ist ein Gewinn von zehn bis 15 Prozent je Kalenderjahr nicht ungewöhnlich. In der Saison 2006 kam noch der intensive Zweikampf der Reifenhersteller dazu.

Obwohl für diese Saison keine Regeländerungen in Bezug auf die Aerodynamik erfolgten, stellte der Renault R26 also wieder einen großen Fortschritt dar?
Bob Bell: Natürlich. Sicherlich hat dazu auch beigetragen, dass wir erstmals an sieben Tagen die Woche 24 Stunden im Windkanal waren.

Wie groß sind die Verbesserungen, die Sie zwischen dem Saisonauftakt und dem Finale erzielt haben?
Bob Bell: Ich schätze, wir haben unsere aerodynamische Effizienz um etwa zehn Prozent gesteigert.

Wenn also der aktuelle Renault R26 jetzt in Bahrain fahren würde …
Bob Bell: … wäre er mindestens eine Sekunde pro Runde schneller.

Die Einführung der V8-Motoren brachte eine signifikante Leistungseinbuße. Wurde deswegen das aerodynamische Konzept geändert?
Bob Bell: Wenn du dein übergeordnetes aerodynamisches Konzept festlegst, musst du bestimmte Kriterien beachten. Am wichtigsten ist die Definition eines akzeptablen Verhältnisses von Downforce zu Luftwiderstand. Wenn sich eine Grundlage dieser Gleichung ändert – so wie 2006 mit der neuen Motorenformel – musst du deine Lösungen anpassen. Es war zum Beispiel wichtig, trotz der geringeren Power des V8 weiterhin eine gute Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Also haben wir uns besonders auf die Effizienz konzentriert, statt ein Höchstmaß an Abtrieb zu suchen.

Viele Betrachter fanden gleich beim ersten Anblick, dass der Renault R26 ein sehr gut aussehendes Auto war …
Bob Bell: Er sah großartig aus. Natürlich diktieren die technischen Regeln fast alle Proportionen eines modernen Formel 1-Autos. Aber der R26 war außergewöhnlich elegant.

Und wo lagen seine technischen Stärken?
Bob Bell: Unser Auto funktionierte fast immer sehr konstant. Es war einfach abzustimmen und auf jedem Streckentyp schnell. Der R26 vermittelte den Fahrern viel Vertrauen und zeigte eine hervorragende Grundschnelligkeit. Und nun ist er Weltmeister.

Stimmt es, dass Fernando Alonso die gesamte Saison durch dasselbe Chassis verwendet hat?
Bob Bell: Ja. Nicht um Geld zu sparen, sondern einfach, weil das Chassis unbeschädigt blieb und es keinen Grund gab, es zu wechseln.

Der Kampf in diesem Jahr war härter, Foto: Sutton
Der Kampf in diesem Jahr war härter, Foto: Sutton

Welchen Kampf fanden Sie härter? 2005 gegen McLaren oder diese Saison gegen Ferrari?
Bob Bell: Ganz sicher dieses Jahr! 2005 fuhren wir auf dem gleichen Reifenfabrikat wie unser Titelrivale, so dass wir die Leistungsfähigkeit der Gegner viel besser einschätzen konnten. Außerdem hatte McLaren vergangenes Jahr erhebliche Probleme mit der Zuverlässigkeit, wählte manchmal wunderliche Strategien und hatte mit Montoya einen Fahrer, der zu Fehlern neigte. Wir wussten, dass Ferrari solche Fehler in diesem Jahr nicht machen würde. In der Kunst des Siegens sind sie Meister – das haben sie 2006 wieder bewiesen. Sie ließen uns keine Atempause.

Am Saisonende verzeichnete auch Ferrari Zuverlässigkeitsprobleme, ein seltenes Bild. Führen Sie das auf den Druck durch Renault zurück?
Bob Bell: Ferrari erlitt zwar ein paar Probleme, und wir haben das ausgenutzt. Aber ob wir sie dazu getrieben haben? Ich weiß nicht. Vielleicht. Sicher ist, dass du aus jeder Schwäche deines Gegners das Meiste machen musst. Wenn sich die Gelegenheit bietet, musst du da sein.

Zurück zum schwierigen Saisonende und der Affäre um euren "Massendämpfer". Wie reagierte das Team, als der Dämpfer vor Hockenheim verboten wurde?
Bob Bell: Das Verbot des Massendämpfers erzeugte große Frustration, denn die FIA hatte das System ein Jahr zuvor als legal eingestuft. Und der R26 wurde um diese Einheit herum optimiert. Aber die FIA interpretierte die Regeln auf einmal anders als wir, und uns blieb keine Wahl, als auf den Dämpfer zu verzichten. Wir bauten ihn aus und erlebten einen schwer wiegenden Leistungseinbruch: im Durchschnitt 0,3 Sekunden pro Runde, in Istanbul eher noch mehr.

Was habt ihr am Auto geändert, um das auszugleichen?
Bob Bell: Zunächst ereignete sich das alles in der Sommerpause während des Testverbots. Wenn du nicht fahren darfst, macht es das umso schwieriger, das Auto wieder zu optimieren. Aber durch Arbeiten an der Abstimmung, Gewichtsverteilung sowie den Roll- und Nickachsen des Autos haben wir es geschafft.

Wie war die Atmosphäre im Team zu diesem wohl schwierigsten Punkt der Saison?
Bob Bell: Vor allem, glaube ich, trug das Verbot des Massendämpfers bei jedem zu einer noch größeren Entschlossenheit bei. Wir wollten beweisen, dass wir auch ohne dieses System gewinnen können. Das Team besitzt wirklich eine tolle Moral, denn obwohl wir durch schwierige Zeiten gingen, haben wir nie aufgegeben. Wir haben die Ergebnisse akzeptiert und weiter gearbeitet. Unsere Kollegen in Viry sahen es genau so. Das macht mich so besonders stolz auf diese Saison: Trotz aller Probleme haben wir immer an uns geglaubt.

Am Ende hatte Renault die Nase vorne, Foto: Sutton
Am Ende hatte Renault die Nase vorne, Foto: Sutton

Haben Sie es auch so erlebt, dass Fernando Alonso manchmal Leistungen aus dem R26 herausholte, die über den Möglichkeiten des Autos zu liegen schienen?
Bob Bell: Nicht direkt. Ein Rennwagen gehorcht den Gesetzen der Physik, und auch der beste Rennfahrer aller Zeiten würde bestenfalls das Limit dessen erreichen, was im Auto steckt. Aber das soll Fernandos Leistung nicht schmälern: Er ist außergewöhnlich gefahren. Er vereinte Speed mit taktischem Verständnis in einem Maße, das die Gegner zermürbte und fuhr wenn nötig auch sehr vorsichtig. Er verdient diesen Titel ohne jede Frage.

2005 zog sich der Titelkampf bis zum letzten Rennen hin, und ihr musstet bereits parallel das nächstjährige Auto entwickeln. 2006 lief es genau so. Ist das ein Handicap?
Bob Bell: Ich glaube, wir haben unsere Ressourcen sehr effektiv zwischen der Weiterentwicklung des R26 und der Geburt des R27 aufgeteilt. Das Projekt läuft nach Plan. Aber die Tatsache, dass wir diesen Kraftakt zweimal hintereinander leisten mussten, macht die Sache nicht einfacher. Die beiden Programme erfolgreich nebeneinander zu betreiben, ist eine extrem fordernde Aufgabe.