Chance für den Kämpfer

von Stephan Heublein

Gerade einmal drei Testtage in einem F1-Boliden hatte Lewis Hamilton absolviert, als ihm McLaren-Teamchef Ron Dennis Ende September eröffnete, dass er 2007 der zweite Stammpilot von McLaren Mercedes werden würde. Einer dieser drei Testtage war sogar nur ein 50 Kilometer-Shakedown. Bis heute folgten drei weitere, womit Hamilton vor seiner ersten Saisonvorbereitung als Formel 1-Pilot auf insgesamt sechs Teststage kommt. Sein Mitbewerber um das zweite Cockpit, Pedro de la Rosa, hat zwischen 1999 und 2006 ganze 290 Testtage in einem F1-Auto verbracht und 71 Grand Prix bestritten.

Aus Erfahrungsgesichtspunkten hätte es für Ron Dennis also nur eine Wahl geben dürfen: Pedro de la Rosa. Er hat mehrere Jahre als Einsatz- und Testfahrer auf dem Buckel, unzählige Testkilometer mit dem Team und Auto hinter sich und in diesem Jahr sogar eine halbe Saison für McLaren bestritten. Als solider Arbeiter und unkomplizierter Charakter wäre er eine ideale Ergänzung zu seinem Landsmann Fernando Alonso gewesen. Bei seinem überraschenden GP-Comeback in Bahrain 2005 zeigte er zudem mit einem starken Auftritt, welche Kämpfernatur in ihm steckt.

Der gelbe Helm setzte sich durch., Foto: Sutton
Der gelbe Helm setzte sich durch., Foto: Sutton

Für Hamilton könnte das F1-Debüt hingegen zu früh kommen, davor warnt auch David Coulthard. Bis zum Saisonstart in Melbourne wird er natürlich mehr als sechs Testtage in den Beinen stecken haben, aber durch die eingeschränkten Testmöglichkeiten wird er nicht so viel zum Fahren kommen wie andere Rookies in den Jahren zuvor. Diese Erfahrung wird ihm fehlen. Deswegen wäre ein komplettes Jahr als Testfahrer sicher die bessere Lösung gewesen.

Zumal der Druck auf seinen Schultern enorm sein wird. Als zweiter Engländer neben Jenson Button, als große neue Hoffnung auf einen englischen Sieger, Weltmeister und Weltstar muss Lewis mit der geballten Macht der Yellow Press zurecht kommen. Schon bei seinem ersten F1-Test im September war er vom Rummel um seine Person erschrocken. Als Einsatzfahrer werden der Wirbel und der Druck auf der motorsportverrückten Insel noch viel größer sein. Da helfen selbst die Beteuerungen von Ron Dennis nichts, dass Hamilton im ersten Jahr lernen und noch keine Siege einfahren solle. Als Rookie wird er mit Sicherheit einige Fehler begehen, die durch den Druck noch verstärkt werden, das zeigte sich schon in den Endphasen des GP2-Meisterkampfes in dieser Saison. An der Seite eines amtierenden Doppelweltmeisters wie Fernando Alonso könnte der junge Brite dann schnell zerbrechen oder unnötig verheizt werden. Denn am Ende zählen in der Formel 1 leider nur die nackten Ergebnisse.

Wenn der Speed die Erfahrung besiegt

von Falko Schoklitsch

Lewis hält sich bereit für die Formel 1., Foto: McLaren
Lewis hält sich bereit für die Formel 1., Foto: McLaren

Es ist zwar unbestritten, dass Pedro de la Rosa bei weitem mehr Erfahrung hat als Lewis Hamilton, aber wenn man nach diesen Gesichtspunkten geht, hätte man jeden beliebigen Piloten in den McLaren setzen können, der mehr als sechs Testtage auf dem Buckel hat. Zwar ist es auch in der Formel 1 wichtig, dass man möglichst viel von dem weiß, was man zu tun hat, aber deswegen muss man noch lange keine guten Rennen fahren. Bahrain 2005 war noch ein großer Auftritt für Pedro de la Rosa und in Ungarn in diesem Jahr hatte er im Regen noch einen kleinen Glanzpunkt, aber das war es auch schon.

Lewis Hamilton hat hingegen einen fast unglaublichen Speed, den er in diesem Jahr in der GP2 des Öfteren unter Beweis stellte. Besonders lebhaft ist noch das Sprintrennen in Istanbul in Erinnerung, wo Hamilton nach einem Dreher durch das gesamte Feld der GP2 pflügte und am Ende den zweiten Platz belegte. Dieses Rennen zeigte im Übrigen auch, dass Hamilton anscheinend überhaupt keine Probleme mit seinen Nerven hat. Denn er kämpfte um den Titel und lag auf einmal weit hinter seinem Konkurrenten Nelson Piquet Jr. Ohne Fehler setzte er sich dann aber noch vor ihn. Außerdem holte er an den letzten beiden Rennwochenenden des Jahres einen Punkt mehr als Piquet, was ihm schließlich vorzeitig den Titel brachte.

Und dieser GP2-Titel dürfte Hamilton zusätzlich das Selbstvertrauen gegeben haben, auch neben einem möglicherweise zunächst übermächtigen Fernando Alonso zu bestehen. Denn mit seinem Erfolg 2006 und noch den Titeln aus der Formel 3 Euroserie und der britischen Formel Renault weiß er, dass er etwas kann. Zudem hat er ja selbst gemeint, dass er sich darauf freut, von Alonso zu lernen. Von daher scheint er selbst bereits weise genug zu sein, sein erstes Formel-1-Jahr als Lehrjahr zu sehen und sich nicht gleich mit Alonso messen zu wollen.

Erwartungsdruck bekommt Hamilton jedenfalls nur von außen. Dort gibt es zwar Meinungen wie jene von David Coulthard, dass Hamilton verheizt werde, aber teamintern scheint der Druck nicht so groß zu sein. Ron Dennis will seinem Schützling etwas Zeit geben und ihm ist es lieber, wenn Hamilton schnell ist und zunächst Fehler macht, als er ist langsam, egal ob mit oder ohne Fehler. Lediglich mit der Presse wird sich der junge Brite herumschlagen müssen, wenn er die hohen Erwartungen, die auf der britischen Insel mittlerweile in exorbitante Höhen vorgedrungen sind, nicht erfüllen kann. Doch auch hier kann er auf Ron Dennis vertrauen, denn der McLaren Teamchef hat Hamilton bereits länger unter seine Fittiche genommen und wird ihn vor allzu rüden Attacken abschirmen.

Die Gefahr, dass Hamiltons Stern also bereits in der ersten Saison verglühen könnte, ist weit geringer, als dass er dabei vom aktuellen Weltmeister lernen könnte, wie er selbst den Titel holen kann. Und im Prinzip ist die ganze Diskussion ohnehin überflüssig, da Ron Dennis ja selbst bereits gesagt hat, warum Hamilton in den zweiten Wagen gesetzt wurde. Alternativen gab es unter den aktiven Fahrern nämlich keine. "Wir meinten, die anderen hatten die Spitze ihrer Karrieren erreicht. Es gab keinen, der herausragte", sagte Dennis.