Wer in diesem Jahr seine Fühler in der Red Bull Energy Station nach atmosphärischen Störungen ausgefahren hat, der hatte bald etwas auf dem Radar. Bei aller Lockerheit und Coolness, die das Team ausmacht war eines für jeden erkennbar: Die Kliens - Christian und Vater Johannes - waren nicht unbedingt die bevorzugten Kumpane der sportlichen Führung. Christian Klien hat sich auf ein Kräftemessen eingelassen, bei dem der Verlierer von vorne herein fest stand.

Ich möchte diese Gelegenheit nützen, um eine Lanze für Christian Klien zu brechen. Wer in diesem Alter mit solchem Druck so umgehen kann, ohne daran gänzlich zu zerbrechen, der ist aus besonderem Holz geschnitzt. Und hausgemachte Hindernisse hatte er in seiner relativ kurzen bisherigen Zeit genügend zu bewältigen.

Da war zunächst der überhastete Einstieg in die Königsklasse. Als er in Zandvoort das F3-Masters so oberkaltschnäuzig gewann, reifte beim Arbeitgeber scheinbar der Wille, schnellstmöglich einen Helden für das junge Formel 1-Projekt zu schaffen. Die Chance des Lebens für jeden Rennfahrer. Vernunft und Weitblick scheinbar zweitrangig. Wie gut hätte dem grad 20-jährigen ein Lehrjahr als Testfahrer getan? Stattdessen wurde er anfangs vom ziemlich ausgeschlafenen Teamkollegen Mark Webber nach allen Regeln der Kunst zerlegt. Soweit die oberflächliche Betrachtung.

Ein Blick auf die Resultate des Rookie-Jahres zeigt jedoch, dass der Australier mit der unfahrbaren grünen Kiste auch keine Bäume ausreißen konnte. Und am Jahresende waren die beiden mehr als nur einmal auf Augenhöhe.

Spricht man mit Mark Webber und David Coulthard (zu beiden habe ich eine sehr gute Gesprächsbasis) mal abseits des Alltagsstress über Christian, dann hört man unisono das gleiche. Streicht man dann noch PR-Floskeln und Nettigkeiten weg, dann bleibt unter dem Strich ein ehrlich gemeintes Urteil, das Christian zur Ehre gereicht: "Unterschätzt den ja nicht!", hat mir Webber gesagt. "Da schlummert ein Potenzial, das viele noch gar nicht begriffen haben." Und auch David Coulthard bestätigt: "Wir reden hier von einem sehr, sehr guten Rennfahrer..."

Coulthard ist nun zu Kliens Karrieregrab geworden. Red Bull vertraut auf seine Routine und Beständigkeit im Rennen. All das ist keine Schande. In der Geschichte der Formel 1 gab es nur 3 (!) Fahrer, die mehr Punkte als der Schotte geholt haben: Schumacher, Senna und Prost. Keine schlechte Gesellschaft, oder? Das sollten sich Kliens Kritiker mal ins Stammbuch schreiben.

Vom vorweg beschriebenen Rookiejahr über den fragwürdigen Fahrertausch mit Liuzzi im Jahr 2005 bis hin zum Psychokrieg 2006. Für seine 23 hat man dem Jungen ziemlich viel zugemutet.

Und trotzdem: Christian ist nach wie vor eine der positiven Erscheinungen im Fahrerlager. Freundlich, ehrlich, zugänglich, offen. Seine Analysen von Überschlägen in der ersten Kurve haben durchaus Unterhaltungswert. Mit einem Wort: Bernies Traum von einem Formel 1-Fahrer. Da schaden auch kleinere Ausflüge ins Nachtleben nicht - im Gegenteil.

Christian war mit 17 als Profi so weit und reif wie andere mit 25. Das werden alle bestätigen, die den Kart- oder BMW ADAC-Fahrer Klien noch kennen gelernt haben. Jetzt ist er in einem Alter, in dem andere noch nicht mal in der Formel 1 sind.

Sein Speed ist unbestritten. Mir ist noch in Erinnerung, wie Ingenieure mit glänzenden Augen von Christians Reflexen am Rennsimulator im Werk erzählten. Der erste, der mit Eddie Irvines Werten mithalten konnte. An der Konstanz im Rennen - Red Bulls größter Kritikpunkt - kann er arbeiten. Nur so nebenbei: in Monza als endlich mal alles nach Plan lief hat er alle anderen Red Bull-Piloten in den Schatten gestellt. Blöd nur, dass ausgerechnet da 10 andere vor ihm auch mal einen guten Tag hatten.

Egal ob als Fahrer bei Super Aguri oder Midland oder als Testfahrer bei Honda oder Toyota. Christian Klien erfüllt das Anforderungsprofil bestens. Und wenn in dieser modernen Formel 1 Talent und Auftreten doch noch eine Rolle spielen, dann sollte das noch nicht alles gewesen sein. Denn Verlierer sehen anders aus.