Flavio, du hast für zwei weitere Jahre beim Renault F1 Team unterschrieben. Zeugt das von großem Selbstbewusstsein?
Flavio Briatore: Auf jeden Fall. Ich traue dem Team sehr viel zu. Es ist ein besonderes Privileg, für ein weltweit führendes Unternehmen wie Renault zu arbeiten und sie auf globaler Ebene zu vertreten. Ich wollte unbedingt für weitere zwei Jahre unterschreiben. Wenn ich nur um zwölf Monate verlängert hätte, kämen schon im Frühjahr wieder die Fragen nach meiner Zukunft auf. Auf diese Weise können wir uns auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren: in der Saison 2007 einen neuen Entwicklungsprozess einzuleiten.

Du hast öfter die Rolle von Carlos Ghosn hervorgehoben, der dich in deiner Entscheidung gestärkt hat ...
Flavio Briatore: Um in der Formel 1 erfolgreich zu sein, musst du Selbstvertrauen besitzen und volles Vertrauen genießen. Ich bin stolz, mit einem weltweit so anerkannten Manager wie Carlos Ghosn zusammenarbeiten zu dürfen. Seit er für Renault aktiv ist, verfolgt er das Formel 1-Engagement mit Hingabe. Außerdem hat er dem Konzern einen langfristigen Weg vorgegeben. Diese Sicherheit gibt uns die Stabilität, die wir benötigen, um für die Zukunft zu planen und die vor uns liegenden Änderungen zu bewältigen. Mich verbindet mit Alain Dassas, dem Präsidenten des Renault F1 Teams, eine hervorragende Arbeitsbeziehung. Gemeinsam werden wir die Werks-Equipe in eine neue Ära führen.

Ich den kommenden Jahren wird das Renault F1 Team seine stabile technische Struktur aufrecht erhalten. Welchen Vorteil bietet Kontinuität?
Flavio Briatore: Eine Kette ist immer nur so stark wie das schwächste Glied - und im Renault F1 Team existieren solche Schwachpunkte nicht. Unsere Mannschaft besitzt die richtige Größe, die richtige Philosophie und die richtigen Mitarbeiter. Die offene Management-Struktur ermöglicht den Leute Freiräume, ihr Talent unter Beweis zu stellen und das große Ziel zu fokussieren: den Erfolg auf der Strecke. Diese Art der Teamführung ist einzigartig im gesamten Formel 1-Zirkus. Während die anderen Rennställe in ihren technischen Abteilungen große Umbrüche durchlaufen, wird sich unsere Kontinuität als große Stärke erweisen. Es bietet uns auch in Zukunft die Möglichkeit, um Meisterschaften mitzukämpfen.

Was hältst du von eurem neuen Stammpiloten Heikki Kovalainen?
Flavio Briatore: Heikki hat seine Sache dieses Jahr sehr gut erledigt. Er kennt Auto und Team bestens und nach seinem Jahr als offizieller dritter Fahrer von Renault F1 weiß er auch über das Formel 1-Geschäft Bescheid. Es geht dabei nicht nur um technische Aspekte, sondern vor allem um PR, Marketing und alles andere. Ihn erwarten im nächsten Jahr keine bösen Überraschungen. Heikki kann einfach sein Können als Rennfahrer unter Beweis stellen. Natürlich wird er an seinen Leistungen gemessen. Aber wir sind uns sicher, dass er das Zeug hat, in der Königsklasse erfolgreich zu sein. Heikki gehörte zu den großen Talenten der Formel 1.

Wie beurteilst du die Fahrerpaarung Heikki Kovalainen / Giancarlo Fisichella?
Flavio Briatore: Die beiden bilden eine gute Mischung. Giancarlo bringt die Erfahrung eines gestandenen Rennfahrers und den Charakter eines echten Team-Players mit. Wir glauben, dass ihm in puncto Performance im nächsten Jahr ein weiterer Schritt nach vorne gelingt, der das Team an der Spitze des Feldes behauptet wird. Außerdem gibt er uns die Kontinuität, die wir uns für das Jahr 2007 gewünscht haben. Heikki ersetzt einen Weltmeister - und viele sehen ihn bereits jetzt als künftigen Champion. Wir bei Renault F1 begreifen das kommende Jahr als Neuanfang und den Beginn einer neuen Ära. Veränderungen gehören zu jeder Firma, jedem Team dazu. Renault F1 sieht dies nicht als Belastung, sondern als Chance. In unseren Augen haben wir keinen Weltmeister verloren, wir beginnen einen Neuanfang mit einem Champion der Zukunft.

Anders als in den vergangenen Jahren vertraut ihr 2007 auf zwei Testpiloten. Wie kommt es dazu?
Flavio Briatore: Auch hier wegen der Kombination aus Jugend und Erfahrung. Ricardo Zonta hat seine Aufgaben bei Toyota exzellent gelöst. Außerdem ist sein Wissen über die Bridgestone-Reifen, auf die wir im nächsten Jahr wechseln, für uns von unschätzbarem Wert. Gemeinsam mit seiner Geschwindigkeit und Erfahrung stellen diese Kenntnisse für uns den größten Vorteil dar. Bei Nelson Piquet Jr. mussten wir die Chance nutzen, ihn ins Team zu holen - wir wollten diese Möglichkeit nicht vergeuden. Er zählte dieses Jahr in der GP2 zu den beiden besten Piloten und besitzt das Zeug, um erfolgreich zu sein. Jetzt muss er als Formel 1-Fahrer wachsen, und dafür gibt es kein besseres Team als Renault F1.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Spitzenteam wie Renault F1 - das das Potenzial zum Weltmeister hat - auf einen Neuling setzt ...
Flavio Briatore: Das ist korrekt. Aber diese Strategie habe ich schon immer verfolgt. Ich denke, dass ein Rookie ein Top-Team auffrischen kann. Die Zeitungen schreiben ständig, dass junge Fahrer nicht ausreichend Möglichkeiten bekommen, in der Formel 1 Fuß zu fassen. Aber es passiert nichts. Wir bei Renault F1 ändern diese Tatsache. Die GP2-Serie hat sich für Talente wie Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Heikki Kovalainen oder Nelson Piquet Jr. als exzellentes Sprungbrett erwiesen. Wir bei Renault F1 denken, dass sich solche Youngster eine Chance verdient haben. Das haben wir auch schon bei einem spanischen Jugendlichen Namens Alonso festgestellt - und es hat sich ausgezahlt. Jetzt besteht die Herausforderung darin, diesen Erfolg zu wiederholen.