Die Asphalt-Schach-Schlachten von Imola und dem Nürburgring hatten es wieder einmal zutage gefördert: In der Formel 1 ist eine meisterhafte Strategie viel wichtiger als ein überlegenes Auto. Vor diesem Hintergrund wurde der Spanien GP, auf dem nicht minder überholfeindlichen Circuit de Catalunya, zum dritten Teil des Taktikduells auserkoren - dem Duell zwischen Alonso und Schumacher, Ferrari und Renault, Pat Symonds und Ross Brawn.

Noch am Freitag kündigte Schumacher angesichts der bevorstehenden Taktikschlacht an: "Die Strategie ist wichtiger als das Qualifying." Nach dem Rennen musste er jedoch verblüfft feststellen: "Unsere Taktik war perfekt - nur waren wir nicht schnell genug." Demnach sah der triumphierende Chefstratege dieses Wochenendes, Pat Symonds, einen deutlichen Sieg der Geschwindigkeit. "Das war kein Sieg der Strategie, sondern ein Sieg unseres Speeds."

Die rote Ungewissheit

Am Samstag war die rote Welt noch in Ordnung., Foto: Sutton
Am Samstag war die rote Welt noch in Ordnung., Foto: Sutton

Während Renault und Fernando Alonso diesen "unvergesslichen" Triumph mit 131.000 spanischen Fans feierten, liefen im Kopf von Ross Brawn & Co die Drähte heiß: Was war nur schief gelaufen, dass man der überschwänglichen Zuversicht vom Samstag eine so deutlich unterlegene Leistung am Sonntag folgen ließ?

"Ich hatte Ferrari im Rennen stärker erwartet", war selbst Fernando Alonso von der Pace der Konkurrenz überrascht. Vor dem Rennen hatten die Renault-Mannen doch "einige Zweifel" daran, ob sie Ferrari im Renntrim Paroli bieten könnten. Umso mehr freute sich Flavio Briatore seinem Kollegen Jean Todt eins ausgewischt zu haben. "Wir haben die richtigen Strategie-Entscheidungen getroffen und Ferrari fair und deutlich geschlagen", jubelte er auf seine unnachahmliche Art.

Am Samstagabend sah die F1-Welt noch ganz anders aus. "Ferrari ist unglaublich", staunte der Italiener nicht schlecht, über die Rundenzeiten der Scuderia. "Die Michelin-Reifen funktionieren hier sehr gut und Bridgestone scheint nur bei Ferrari zu funktionieren", machte er eine seltsame Anomalie aus. "Das ist sehr, sehr seltsam. In Deutschland war Bridgestone viel besser - aber diesmal sind wir es. Allerdings gilt das nicht für Ferrari - das Bridgestone-Ferrari-Paket ist anders."

Felipe Massa sah das genauso und spukte - ebenso wie Ross Brawn & Co - ungewohnt große Töne. "Mit gebrauchten Reifen, im Renntrim, ist niemand so schnell wie wir", kündigte der Brasilianer an. "Wir haben bei Bridgestone geringere Probleme mit dem Reifenverschleiß als wir erwartet haben, bei Michelin hat man dagegen größere, wie es aussieht. Das macht mich besonders optimistisch."

Williams-Tester Alex Wurz hatte jedoch schon zu diesem Zeitpunkt starke Zweifel an dieser Theorie. "Da werden halt manchmal die Medien gezielt zur Verunsicherung und Verwirrung des Gegners benützt", glaubte der Österreicher. "Renault ist die treibende Kraft an diesem Wochenende." Damit sollte er Recht behalten. "Während Bridgestone am Nürburgring einen eindeutigen Vorteil hatte, hat sich hier das Bild geändert: Der Reifenkrieg tobt und wir müssen diesmal Renault ein Kompliment aussprechen."

Die rote Enttäuschung

Am Sonntag durfte sich Wurz für seine Prognose bestätigt fühlen. "Wir waren heute nicht schnell genug", gestand Michael Schumacher auf der Pressekonferenz kurz nach dem Rennen. Später verschärfte er dies sogar noch mit den Worten: "Wir waren permanent zu langsam."

Im Rennen konnte ihn niemand stoppen., Foto: Sutton
Im Rennen konnte ihn niemand stoppen., Foto: Sutton

Das Wochenende habe für Ferrari gut begonnen, sei ihnen dann aber irgendwann entglitten. Den Grund dafür konnte oder wollte bei den Roten niemand nennen. Schumacher spekulierte zumindest auf eine Veränderung der Streckenverhältnisse - ob es der Wind oder die höheren Temperaturen waren, konnte er nicht sagen. "Ich war über unsere Rundenzeiten überrascht, die bei weitem nicht gehalten haben, was wir im Vorfeld gezeigt haben." Denn: "Wir waren hier vor dem Rennen sehr zuversichtlich gewinnen zu können, weil wir klar dominiert haben und extrem schnelle Long Runs gefahren sind, jetzt war ich eine Sekunde langsamer - das müssen wir aufklären." Egal was es war: "Es hatte einen negativen Effekt auf uns und eine positive Auswirkung auf Renault."

Alex Wurz spekuliert auf eine "Reifenentscheidung", wobei ihm Christian Danner zustimmt. "Am Anfang des Wochenendes war Bridgestone in einem Fenster, in dem sie besser funktioniert haben." Gegen Ende des Wochenendes sei dies nicht mehr der Fall gewesen. "Wenn man in diesem Funktionsfenster liegt, wird es natürlich immer besser. Wenn man aber am Ende des Fensters liegt, fällt man bei einer Veränderung der Bedingungen schnell heraus."

Eine Teilbestätigung dafür liefert Gerhard Berger. "Ich hatte Michael eine Chance zugetraut", so der Toro Rosso Mitbesitzer, "und glaubte, dass Bridgestone im Rennen stärker wäre. Aber dem war nicht so. Alonso hat heute wieder gezeigt, wo die Trauben hängen."

Rennanalyse: Langweile in der Wahlheimat

Die deutschen Formel 1-Piloten wohnen in der Schweiz, Österreich oder Monaco, aber während der Wintermonate mutiert Barcelona zu einer Art zweiter Wahlheimat. Dann nämlich bestreiten sie auf dem Circuit de Catalunya einen Großteil ihrer Wintertests. Umso besser kennen sie die Paradeteststrecke und desto mehr Daten haben sie auf den Festplatten lagern.

Für die Freien Trainings brachte dies wenig Fahrbetrieb und für das Rennen die übliche Prozession mit sich - denn Überholen ist auf der spanischen Strecke ebenso wenig möglich wie am Nürburgring oder zuvor in Imola. Weil gleichzeitig auch noch die Strategien kein so genanntes Spannungsmoment boten, entpuppte sich der Spanien GP als die befürchtete Sonntagsnachmittags-Prozession.

Nur der Start kann als einigermaßen "spannend" bezeichnet werden. Eine wirkliche Chance seinen Teamkollegen zu überholen, hatte Giancarlo Fisichella aber nicht. Zumindest Kimi Räikkönen setzte mit seiner bravourösen Fahrt von Startplatz 9 auf Rang 5 ein Highlight. Mehr sollten nicht folgen - weder für ihn und sein Team noch für einen seiner Kollegen.

Teamanalyse: Alles Hellblau

Die Franzosen meldeten sich zurück., Foto: Sutton
Die Franzosen meldeten sich zurück., Foto: Sutton

Renault Hellblau sind die Farben von Asturien und Gelb-Blau sind jene von Renault - kein Wunder, dass fast alle der ausverkauften Tribünen in diesen Farbton getaucht waren. Und die Fans bekamen viel zu bejubeln: Erst die Pole, dann den Sieg für ihren Lokalhelden. Angesichts des überlegenen Heimsiegs von Alonso also ein perfektes Wochenende für Renault? Nicht ganz. Der dritte Platz von Giancarlo Fisichella dürfte den Renault-Bossen wenig geschmeckt haben. Mit einem derart überlegenen Auto hätte der Italiener Michael Schumacher und Ferrari zwei weitere wichtige Zähler wegnehmen müssen. Schließlich ist bekannt: Am Ende kann jedes Pünktchen entscheiden.

Ferrari Vor dem Heimrennen in Imola strotzte Ferrari nur so vor Selbstvertrauen. Am Ende wurden sie mit dem ersten Saisonsieg und viel Auftrieb belohnt. Zwei Wochen später funktionierte der große rote Optimismus erneut: Sieg Nummer 2 für Michael Schumacher. In Barcelona ging der Schuss jedoch nach hinten los: Ferrari konnte weder im Rennen noch im Qualifying mit Renault mithalten. Die Zuversicht aus den Long Runs vom Samstagmorgen verflog im Rennen genauso schnell, wie Alonso auf und davonfuhr. Jetzt gilt es nicht in Panik zu verfallen, sondern in Monaco zurückzuschlagen. Allerdings ist das Rennen in den Straßen des Fürstentums gerne einmal mehr Glücksspiel, denn echter Leistungsmesser für die Performance eines Autos.

McLaren war schlicht und einfach zu langsam., Foto: Sutton
McLaren war schlicht und einfach zu langsam., Foto: Sutton

McLaren McLaren Mercedes dürfte dieser Glücksspielfaktor gerade recht kommen. Bei den Silbernen läuft seit einigen Rennen nicht mehr viel zusammen und mittlerweile geben sie es auch offen zu: McLaren ist zu langsam. Durch seinen Superstart, konnte sich Kimi Räikkönen zwar die Rolle des ersten Verfolgers der beiden Top-Teams sichern, aber zumindest im Qualifying waren Honda und Toyota an der selbsternannten Nummer 3 des Feldes vorbeigezogen. Hinzu kam der merkwürdige Dreher und Ausfall von Juan Pablo Montoya, der abermals nicht mit seinem Teamkollegen mithalten konnte und zudem alles Pech der Welt anzuziehen schien. Auf die Silbernen wartet viel Arbeit, wenn sie baldmöglichst wieder ihrem hohen Anspruchsdenken gerecht werden wollen.

Honda Die Leistungen der Honda-Werkstruppe sind ähnlich unkonstant wie jene von McLaren. Allerdings muss man den Weißen nach dem Spanien GP wohl einen gewissen Aufwärtstrend zugestehen. Die guten Top10-Starplätze und zwei Punkteplatzierungen rücken sie näher an jene Positionen, auf denen sie von Anfang an erwartet wurden. Von ihrem Ziel des ersten Sieges sind sie aber immer noch weit entfernt. Abgesehen vom Rennen schien in Barcelona Rubens Barrichello seinen Aufwärtstrend fortsetzen zu können. Erneut war es Jenson Button der mit Problemen zu kämpfen hatte. Im Rennen rückte der Brite die internen Verhältnisse aber wieder zurecht.

Jacques Wochenende war schon am Ring gelaufen., Foto: Sutton
Jacques Wochenende war schon am Ring gelaufen., Foto: Sutton

BMW Sauber Langsam, aber keineswegs mühsam ernährt sich das Schweizer Eichhörnchen. Nach Jacques Villeneuve war diesmal wieder Nick Heidfeld an der Reihe einen WM-Punkt einzusammeln. Sehr viel mehr, ist ohne Ausfälle unter den Top-Teams und jenen, die gerne Top-Teams wären, nicht möglich. Bei Villeneuve verspielte man ein besseres Ergebnis bereits am Nürburgring, als dort sein Motor beim Abtransport auf mysteriöse Art und Weise beschädigt wurde. Die folgende Strafversetzung kostete ihn auf dieser Strecke alle Chancen auf Punkte.

Williams Viele Teams klagten an diesem Wochenende darüber, dass sie "zu langsam" gewesen wären. Williams gehörte dazu. Zwar schafften es die Mitternachtsbauen endlich wieder beide Autos ins Ziel zu bringen, an eine Punkteplatzierung war jedoch nicht zu denken. Dafür waren sie schon im Qualifying zu langsam. Für Monaco werden die Karten allerdings neu gemischt.

Toyota Die Achterbahnfahrt geht weiter: Mal ist Toyota ein Podestanwärter, dann ein Punktekandidat und dann reicht es noch nicht einmal dafür. Ungeachtet der kleinen Kollision zwischen Ralf Schumacher und Jarno Trulli: Toyota war nicht schnell genug, um im Rennen in die Punkte zu fahren. Ihre Qualifying-Performance war dafür aller Ehren wert: Beide Autos sprengten die Hondas und fuhren in den Windschatten von Ferrari und Renault. Eine gewisse Konstanz in den Leistungen der Weiß-Roten fehlt aber noch.

RBR fehlte der Speed., Foto: Sutton
RBR fehlte der Speed., Foto: Sutton

Red Bull Racing Endlich wieder im Ziel! Mehr positive Nachrichten gab es bei Red Bull an diesem Wochenende nicht. Zur eher gemächlichen Pace, kamen die Probleme bei David Coulthard, der im Qualifying abflog und somit zu einem Start von ganz hinten verdammt wurde. Aber auch Christian Klien konnte aus dem Mittelfeld heraus nicht mehr erreichen. Insgesamt ein enttäuschendes Wochenende für die roten Bullen.

Scuderia Toro Rosso Das Schwesterteam der Bullen hätte an sich mit der Performance zufrieden sein dürfen. Doch eins vergellte Gerhard Berger den Tag: Ein Motorschaden am gedrosselten V10-Triebwerk von Scott Speed. Aus Sicht des Österreichers darf dies an den haltbaren Vorjahres-Triebwerken nicht geschehen. WM-Punkte standen jedoch nicht auf dem Spiel - dafür war man wie gewohnt nicht schnell genug.

MF1 Racing Für Midland gilt diese Aussage umso mehr: Der M16 ist nicht schnell genug für WM-Punkte; auch wenn das Team pausenlos betont, wie viele tolle Fortschritte man wieder erzielt hätte. Selbst die abermals aufflackernden Sticheleien von Teamboss Colin Kolles gegen die V10-Herzen von Toro Rosso, konnten vom Top-Speed-Defizit seiner Autos nicht ablenken. Auf einem aerodynamisch so ausgefeilten Kurs, schlägt das natürlich umso mehr ins Gewicht - und an den starken Toyota-Motoren kann es wohl kaum liegen. Zu allem Überfluss fielen auch die beiden Midland-Piloten hauptsächlich durch Dreher und überflüssige Probleme beim Überrunden auf.

Montagny schied wieder aus., Foto: Sutton
Montagny schied wieder aus., Foto: Sutton

Super Aguri Business us usual bei Super Aguri: Die weißen Autos waren langsam, langsamer als alle anderen und die Fahrer drehten sich noch einen Tick häufiger als die Kollegen von MF1. Neu war hingegen die erste Zielankunft seit dem Beginn der Europa-Saison. Franck Montagny tröstete das aber nur bedingt: Der Franzose fiel auch in seinem zweiten Grand Prix aus. Immerhin liegt er deutlich näher an Takuma Sato als dies Yuji Ide jemals gelungen ist. Manchmal dürfte er sich aber sicherlich seinen R25 zurückwünschen, mit dem er im Vorjahr unzählige Testkilometer abgespult und Renault im Titelkampf geholfen hat.

Ausblick: Zweikampf

An der Spitze der Formel 1 tobt ein doppelter Zweikampf: Es geht nicht nur um das Duell Ferrari gegen Renault, sondern vor allem um den Zweikampf Michael Schumacher gegen Fernando Alonso. "Denn außer Alonso und Michael gewinnt keiner", betont Christian Danner.

Zu dieser Einsicht kam am Sonntag auch Flavio Briatore. "Abgesehen von Ferrari und Renault schienen die anderen Teams unsere Pace nicht mitgehen zu können."

Normalerweise ist dieses Bild auch bei den nächsten Rennen zu erwarten - aber beim nächsten Grand Prix ist eben nicht viel normal. Die Strecke besteht aus normalen Straßen, die Tribünen klemmen zwischen Hochhäusern und der Paddock teilweise mitten im Hafen. Die F1 kommt wieder einmal zu ihrem Highlight nach Monaco! Und dort gelten bekanntlich eigene Gesetze.

"Seit zwei oder drei Rennen haben sich diese beiden Rennställe tatsächlich einen kleinen Vorsprung gegenüber allen anderen herausgearbeitet", weiß auch Giancarlo Fisichella "Aber wir dürfen niemanden unterschätzen. Speziell der nächste Grand Prix in Monte Carlo ist immer für Überraschungen gut."