Nürburgring, das Heimrennen von McLaren-Mercedes, sollte eigentlich ein Schritt nach vorne werden. Das Team hat in Silverstone neue Teile am Auto getestet und sie auch in die Eifel mitgenommen, und auch der Motor von Kimi Räikkönen ist hier eine leicht weiterentwickelte Version. Doch statt am Nürburgring die neue Stärke zu demonstrieren, geht bei den Silbernen eher die Angst um, einen Rückschritt verzeichnen zu müssen. "Wir sind drei bis vier Zehntel hinter Renault - und jetzt hat uns auch noch Ferrari überholt", muss McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh zugeben..

Wie schwer das Heimpflaster für die Piloten ist, zeigten schon die freien Trainings am Freitag und heute morgen. Den Freitag beendete Räikkönen auf dem 13. Platz, Montoya rutschte sogar auf Platz 17. "Die Probleme sind zu viele, um sie schnell aufzulisten", sagte Räikkönen gestern. "Das Auto macht in den Kurven, was es will."

Heute Morgen lief es auch nicht viel besser. Und welchen Tiefpunkt die Erwartungen im Team inzwischen erreicht haben, zeigt die Einstellung von Juan Pablo Montoya. Seinen neunten Startplatz kommentierte Montoya mit den Worten: "Ich bin eher konservativ ins Qualifying gegangen, weil ich nicht mal sicher war, ob ich die Runde der besten Zehn überhaupt erreiche."

Dafür war der fünfte Startplatz von Räikkönen immerhin ein Hoffnungsschimmer. "Mir gelang eine saubere Runde", sagte Räikkönen. "Ich hatte keinen Verkehr, und auch das Auto fühlte sich besser an als je an diesem Wochenende. Besser hätten wir es wahrscheinlich eh nicht mehr gekriegt. Trotzdem reicht der Speed aber nicht."

Im entscheidenden Qualifying war Räikkönen über eine Sekunde langsamer als der Pole-Mann Alonso. In den ersten zwei Teilen des Qualifyings aber praktisch ähnlich schnell unterwegs wie Alonso und Schumacher. Wie groß ist der Rückstand also wirklich? "Vier bis fünf Zehntel pro Runde", schätzt Räikkönen. "Ich glaube nicht, dass wir mit der gleichen Benzinmenge die Renault hätten ärgern können. Jetzt müssen wir nur hoffen, dass wir mehr Benzin haben als sie."

McLaren fehlen angeblich vier bis fünf Zehntel pro Runde., Foto: Sutton
McLaren fehlen angeblich vier bis fünf Zehntel pro Runde., Foto: Sutton

Die Leistungskurve der Silberpfeile zeigt dieses Jahr eine überraschend schwankende Linie. Norbert Haug betont gerne, wie schnell das Team aus dem Tief bei den Januar-Tests wieder herausgekommen ist. "Keiner hat sich seitdem so stark verbessert wie wir", sagt Haug.

Das ist wahr. Wahr ist aber auch, dass seit Bahrain nicht unbedingt das gleiche gilt. Dort war der Silberpfeil näher an Renault und Ferrari als jetzt in der Eifel. "Renault ist hier der Favorit", sagt auch Haug. "Man muss aber auch sagen, dass es die Kombination Alonso und Renault ist, die so schnell ist. Fisichellas Leistungen waren bisher längst nicht so stark."

Das Loblied an den künftigen Silberpfeilpiloten ändert freilich nichts an der eigenen Schwäche, die zumindest im Vergleich zu den eigenen Erwartungen groß ist. Schließlich war der Silberpfeil zum Schluss der Saison 2005 das schnellste Auto, und auch dieses Jahr schien es, als wäre das Team wieder auf dem Weg zur Spitze. Statt in Europa aufzutrumpfen, kämpft das Team nur noch. Imola war schon eine Enttäuschung, und am Nürburgring sieht es kein bisschen besser aus.

"Wir sind zuverlässig, aber nicht schnell", sagte Haug schon im Vorfeld des Rennens. Und fügte heute hinzu: "Das sind nicht die Plätze, die wir wollten, aber das ganze Team hat seit gestern hart gearbeitet und in Qualifying eins und zwei gute Rundenzeiten erzielt."

Das zeugt von einer gewissen Ratlosigkeit, die auch Kimi Räikkönen am Freitag befiel. §Ich weiß nicht, wie wir das Auto noch verbessern sollten", sagte er gestern. Das Problem: Beim Test in Silverstone hatte das Auto recht ordentlich funktioniert. Jetzt am Nürburgring war auf einmal das zickige Verhalten, das den Silberpfeil schon in Imola störte, wieder da.

Kimi Räikkönen konnte heute am Nürburgring nur das wiederholen, was er dieses Jahr so oft gesagt hat: "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen. Aber wir arbeiten sehr hart daran, das zu ändern. Hoffentlich finden wir früher oder später den Schlüssel dazu."

Die Gründe für die stotternde Weiterentwicklung des Autos sind schwer zu ergründen. Mancher meint, es liege an dem Weggang von Adrian Newey. Doch mit dem System der breit gestreuten Verantwortlichkeiten ist die McLaren-Mannschaft so konzipiert, dass solche Weggänge eigentlich ausgemerzt werden sollten. Trotzdem geht bei McLaren ein Scherz um, man solle doch mal kurz Newey anrufen und nach Rat fragen. Vielleicht heißt es nicht ganz zu Unrecht, dass in jedem Witz die halbe Wahrheit steckt.