Das optimale Formel 1-Auto - also einen Boliden, frei von jeder Reglementeinschränkung - wollte Toyota-Technikdirektor Mike Gascoyne vor zwei Wochen in Barcelona nicht auf den mitgebrachten Zettel skizzieren - lachend schüttelte er den Kopf und sagte: "Wir sind ohnehin schon zu schnell unterwegs." Für den Kölner Express jedoch riskierte der Brite nun eine Einschätzung der aktuellen Kräfteverhältnisse - angesichts der niemals leicht und in diesem Winter besonders schwer interpretierbaren Testrundenzeiten ein mutiger Schritt. Bekanntlich wurde die meiste Zeit über in den verschiedensten Konfigurationen getestet - es gab V10-Motoren, gedrosselte V10-Motoren, V10-Motoren mit zwei deaktivierten Zylindern und die neuen V8-Aggregate. Zudem fuhr beispielsweise Ferrari immer auch mit einem F2004, dessen Aerodynamik regelbedingt die besseren Voraussetzungen hatte. Alles in allem also ein schwieriges Unterfangen...

Während Neo-Teammitbesitzer Gerhard Berger sich über die Testleistungen von Toyota wunderte - "von Toyota habe ich bislang gar nichts gesehen" - schätzt Mike Gascoyne die eigene Truppe naturgemäß optimistisch ein: "In den nächsten Wochen werden wir ein neues Aero-Paket bringen, von dem wir einen weiteren Schritt nach vorne erwarten. Ich hoffe, dass wir ganz dicht an die schnellsten Teams herankommen." Er fügt hinzu: "Wenn unsere Simulationen sich tatsächlich umsetzen lassen, dann sollten wir unseren ersten Sieg einfahren können."

In einem Punkt dürften sich Berger und Gascoyne einig sein - beide setzen auf Renault: "Bei Renault sieht es so aus, als wollten sie 2006 anfangen, wie sie 2005 beendet haben. Ihre Autos scheinen gegenwärtig die schnellsten zu sein. Die werden absolut dabei sein, und das nicht nur bei den ersten Rennen, sondern die ganze Saison." Und so bezeichnet Gascoyne die gelb-blauen Renner als "meine Favoriten".

Hinter dem regierenden Weltmeisterteam reiht Mike Gascoyne den japanischen Erzkonkurrenten ein: "Es scheint, dass Honda nur knapp hinter Renault liegt, und ich erwarte, dass sie bei den Eröffnungsrennen um die Spitze kämpfen." Allerdings würden die Honda immer recht flott im Winter sein, möglicherweise aufgrund geringerer Spritmengen, schränkte Gascoyne ein.

Die Scuderia Ferrari hat Gascoyne nicht ganz oben auf seiner Rechnung: "Das neue Chassis scheint ohne Zweifel ein Fortschritt zu sein, aber sie sind wohl nicht so schnell wie die Renault. Da sie Bridgestone fahren, ist Ferrari der Gradmesser für Toyota, und es wird spannend sein, wo wir im Vergleich zu Ferrari stehen werden, sobald wir unser neues Aerodynamik-Paket eingeführt haben."

Bei McLaren-Mercedes ortet der Toyota-Technikdirektor Probleme: "Nachdem das neue Auto im Januar vorgestellt wurde, wurde schnell klar, dass sie mit reduzierten Drehzahlen fuhren. Ja, tatsächlich, sie haben Zuverlässigkeits-Bedenken, und man muss sich fragen, wie sie das in den Griff kriegen werden. Momentan zumindest scheinen sie ziemlich weit weg vom allgemeinen Speed zu sein. Schwer zu sagen, wie viel davon auf Kosten des Triebwerkes geht." Allerdings fügte Gascoyne hinzu: "Wir haben immer wieder sehen müssen, wie schnell McLaren die Sache umdrehen kann, wenn sie erst einmal Probleme haben. Deswegen sollte man die niemals unterschätzen."