Mercedes setzte sich im 2. Freien Training der Formel 1 in Las Vegas am Freitag nicht in Szene. Während Ferrari mit Charles Leclerc und Carlos Sainz an der Spitze den Ton angab, sortierten sich Lewis Hamilton und George Russell auf den Positionen neun und zwölf ein. Trotz eines beträchtlichen Rückstands auf die Bestzeit sieht Mercedes keinen Anlass zur Panik. Die ungewöhnlichen Bedingungen am 21. Rennwochenende der Saison lassen noch viel Luft nach oben. Hamilton und Russell zeigen sich optimistisch und sind von der neuen Rennstrecke in Las Vegas hellauf begeistert.

"Ich hatte richtig Spaß. Alle kämpfen mit Jetlag und ich fühle mich toll. Ich habe in der Pause einen Film geschaut und mir geht es bestens, ich könnte gleich weitermachen", so Hamilton nach der langen Nacht in Las Vegas. Gemäß Zeitplan hätte um 1:00 Uhr Ortszeit die Flagge für das FP2 fallen sollen, doch die Gullideckel-Zwischenfälle mit Esteban Ocon und Carlos Sainz im ersten Training warfen sämtliche Pläne über den Haufen. In Folge der Instandsetzungsarbeiten auf der Rennstrecke begann das FP2 erst um 2:30 Uhr und lief dann 90 statt 60 Minuten.

George Russell schien das nicht so gut wie sein Teamkollege zu vertragen. "Ich hatte eigentlich bevor ich an die Strecke kam ein Nickerchen eingelegt. Ich glaube, ich habe heute vier Mal geschlafen. Ich weiß nicht einmal, welche Uhrzeit wir gerade haben. Ich freue mich aufs Bett", sagte der Brite, für den sich das Aufbleiben aber genau wie für Hamilton lohnte.

"Es ist unglaublich schnell und ich hatte heute so viel Spaß. Ich bin froh, dass wir noch gefahren sind. Der Vorfall im ersten Training war natürlich nicht toll, aber sie haben super Arbeit geleistet, das in Ordnung zu bringen", lobt Hamilton das Layout und die Streckenbetreiber. Auch Russell zeigte sich vom 6,201 Kilometer langen Las Vegas Strip Circuit angetan. "Wir haben hier wahrscheinlich den höchsten Topspeed der Saison und hier bei Nacht zu fahren ist natürlich ziemlich spektakulär."

Mercedes von Rückstand unbesorgt

Weniger spektakulär war das Abschneiden der beiden in der Session. Hamilton verlor als Neunter fast anderthalb Sekunden auf die Bestzeit, Russell war noch einmal zwei Zehntelsekunden langsamer. "Es ist okay, nicht allzu schlecht", zeigt sich Hamilton mit der Balance seines F1 W14 dennoch zufrieden. "Wenn wir alle auf identischen Reifen fahren, sind wir denke ich nicht allzu weit weg."

Die Reifen waren bei Mercedes vor zwei Wochen in Brasilien die Achillesferse. Bei heißen Temperaturen erlebten die einstigen Seriensieger einen regelrechten Tiefpunkt. In Las Vegas herrschten in der Nacht hingegen nur 12 Grad Celsius Außen- und 15 Grad Celsius Streckentemperatur. Die Reifenperformance sehen die Fahrer diesmal auf eine andere Weise als entscheidenden Faktor.

"Das wird ein interessantes Wochenende. Die Session wurde davon bestimmt, wer die Reifen ans Arbeiten bekommt, und vom Graining", erklärt Russell. "Wir wissen, dass es selbst im Optimalfall knifflig sein kann, die Reifen ins Fenster zu bekommen. Aber ein Graining wie dieses Wochenende haben wir noch nie zuvor erlebt."

Hamilton sieht hierfür allerdings nicht allein die kühlen Temperaturen verantwortlich, die vor dem Wochenende der Gegenstand ausufernder Spekulationen über die Reifenperformance waren: "Ich denke, es ist eine Kombination. Wir fahren hier auch sehr wenig Anpressdruck, wodurch wir in den langsamen und auch den schnellen Kurven viel rutschen. Wir erzeugen nicht viel Load, denn du brauchst die Geschwindigkeit auf den Geraden. Das hat sicher einen Einfluss auf die Temperatur."

Hamilton und Russell uneins: Renn- oder Qualifying-Pace?

Russell erwartet, dass dieser Umstand sich auf die Renndistanz massiv auswirken wird. "Bei diesen kühlen Temperaturen, wenn du den Reifen ans Arbeiten kriegst, kommst du locker mit einem Boxenstopp durch. Aber wenn du Graining hast, machst du zwei, drei oder vier Stopps. Wir müssen dafür sorgen, dass wir nicht dazu zählen", sagt der 25-Jährige. "Ich denke, es [das Wochenende] wird von der Rennpace bestimmt."

Diese Einschätzung teilt Hamilton nur bedingt. Der Rekordweltmeister legt den Fokus auch auf das Zeittraining. "Die Position im Qualifying wird wirklich wichtig sein, und Reifenabbau der Schlüssel", so seine Einschätzung. Im Rennen erwartet er eine schwierige Verkehrssituation: "Trotz der langen Geraden ist zum Überholen nicht wirklich viel Platz, denn der Grip ist so niedrig. Und du hast auch keinen guten Windschatten, weil wir wie in Monza sehr wenig Flügel fahren und da nicht viel Luftwiderstand ist."