Eine rasche Dezeleration, das heißt eine rasche Abnahme der Geschwindigkeit, gefährdet einen Rennfahrer bei einem Unfall. Kollidiert ein Auto zum Beispiel mit einer Mauer, so ist der Abbremsvorgang recht abrupt und die auftretenden G-Kräfte entsprechend hoch. Schlägt ein Auto hingegen auf ein weicheres Element wie zum Beispiel einen Reifenstapel, so wird der Bremsweg und die Dauer des Abbremsvorgangs verlängert. Die Dezeleration, die auf den Fahrer einwirkt, wird dementsprechend abgemildert.

Dass ein Einschlag in einen Reifenstapel dennoch äußerst schmerzhaft sein kann, musste Max Verstappen bei seinem Unfall in Silverstone erleben. Als er nach seiner Berührung mit Lewis Hamilton in die Reifenstapel einschlug, wirkte die 51-fache Erdbeschleunigung auf seinen Körper ein. Eine enorme Kraft - doch ohne Reifenstapel wäre der Aufprall noch weitaus drastischer ausgefallen! Umfangreiche klinische Untersuchungen bestätigten, dass Verstappen keine schwerwiegenden Unfallfolgen davongetragen hatte.

Anfangszeit der Formel 1: Rennfahren im Wald

Zu Beginn der Geschichte der Formel 1 wurden die Grenzen der Rennstrecken häufig durch Strohballen oder - wenn es ganz schlecht lief - gar nicht abgedämpft. Als Jim Clark 1968 tödlich verunglückte, mussten die Überreste seines Lotus aus den Wäldern des Hockenheimrings geborgen werden. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei und eine umfangreiche Sicherung der Rennstrecken mit Armco Barrieren (umgangssprachlich "Leitplanken") und Reifenstapeln ist heutzutage nicht mehr wegzudenken.

Doch auch Reifenstapel haben Nachteile. Ein großer und oft kritisierter Nachteil von Reifenstapeln ist der sogenannte "Bumerang-Effekt". Beim Bumerang-Effekt wird der Einschlag eines Autos durch den Reifenstapel zwar abgemildert, jedoch schmeißt der Reifenstapel das Auto nach dem Einschlag - wie einen Bumerang - zurück auf die Strecke.

Dieses Phänomen konnte man beim Brasilien GP 2003 beobachten, als Fernando Alonso auf der langen Geraden in einen Reifenstapel einschlug und anschließend von selbigem quer über die Strecke geschleudert wurde. Glücklicherweise konnten die nachfolgenden Autos dem Wrack von Alonsos Renault ausweichen, sodass der Spanier mit dem Schrecken davonkam.

Formel 1-Sicherheit: Konkurrenz für die Reifenstapel

Rafael Galiana war selbst lange Jahre Kartfahrer und musste während seiner Karriere im Kartsport mehrere harte Einschläge erleben. Während er das Einschlagen in Strohballen vor allem für seine Augen als gefährlich erlebte, war das Aufprallen in die Reifenstapel seiner Meinung nach unnötig hart, da die Reifenstapel nicht in der Lage waren, die Aufprallenergie gleichmäßig zu absorbieren. Aus diesen Erlebnissen entwickelte Rafael die Idee, eine Crashbarriere zu entwickeln, die die Aufprallenergie nicht nur gleichmäßiger absorbiert, sondern auch ein Zurückschleudern des Autos verhindert.

Über einen langen Entwicklungs- und Forschungsprozess wurde - in Zusammenarbeit mit der DEKRA - die TecPro Barriere entwickelt. Die TecPro Barrieren setzen sich aus 2 Grundbausteinen zusammen. Die grauen ("reinforced") Blocks bestehen aus einem Polyurethan-Schaum und können seitlich mit Schlingen miteinander verbunden werden. Die grauen Blöcke werden üblicherweise vor die roten ("absorbent") Blöcke gespannt. Die roten Blöcke bestehen ebenfalls aus einem speziellen Polyurethan-Kunststoff und haben die Aufgabe, die Energie eines Aufpralls zu absorbieren. Reinforced- und absorbent- Blöcke können unterschiedlich miteinander kombiniert werden, sodass sie für unterschiedliche Gefahrenpunkte einer Rennstrecke angepasst werden können.

TecPro in der Formel 1: Seit einigen Jahren fest etabliert

Die Racing Community stand der Erfindung von Rafael Galiana anfangs kritisch gegenüber. Doch durch den Nachweis der Wirksamkeit und das kostenlose zur Verfügung stellen von Barrieren konnten die Zweifler überzeugt werden. Heutzutage sind die TecPro Barrieren längst durch die FIA anerkannt und im internationalen Motorsport etabliert. Zu den Vorteilen der TecPro Barrieren zählt hierbei nicht nur, dass sie die Aufprallenergie sehr gleichmäßig absorbieren und einen Bumerang Effekt verhindern können. Nach einem Unfall können sie außerdem sehr schnell wieder aufgebaut werden.

Die Funktionsweise der TecPro Barriere zeigte sich gut beim Unfall von Sergio Perez 2011 in Monte Carlo. Der Mexikaner verlor hier am Ende des Tunnels die Kontrolle über seinen Sauber und schlug hinter der Hafenschikane in die TecPro Blöcke ein. Die Energie des heranrasenden Boliden wurde hierbei von den Blöcken aufgenommen, jedoch ohne das Auto anschließend wieder auf die Strecke zu werfen. Der Einschlag war dennoch sehr hart, sodass Perez sowohl in Monaco, als auch beim folgenden Grand Prix in Kanada nicht starten konnte.

Dies könnte auf den ersten Blick als Misserfolg der TecPro Barriere bewertet werden. Jedoch muss man bedenken, dass Karl Wendlinger einige Jahre zuvor einen gleichartigen Unfall hatte. Der Österreicher kam unglücklicherweise nicht so glimpflich davon wie Perez. Nach mehreren Wochen im Koma musste das aufstrebende Talent 1995 seine Formel 1 Karriere beenden.