Wer beim Gedanken an Brasilien an viel nackte Haut und Samba-Tänze an den Stränden der Copacabana denkt, der ist in São Paulo an der falschen Adresse: Hier gibt es nichts davon. Diese Samba-Träume sind den Besuchern von Rio de Janeiro vorbehalten.

Das 1554 gegründete São Paulo ist hingegen die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates im Süden Brasiliens, der am höchsten industrialisierten Region des Landes. Das Stadtbild prägt dennoch der Kontrast zwischen unzähligen Hochhäusern und nicht minder vielen heruntergekommenen Baracken in den Elendsvierteln.

Sie suchen Samba am Strand? Dann sind Sie hier falsch., Foto: Sutton
Sie suchen Samba am Strand? Dann sind Sie hier falsch., Foto: Sutton

São Paulo ist das bedeutendste Finanz- und Handelszentrum Südamerikas und riesig in seiner Ausdehnung. Die schwankenden Flächen- und Bevölkerungsangaben zeugen von der Unübersichtlichkeit. Es ist die kosmopolitischste Stadt Brasiliens, erstreckt sich auf mindestens 3.200 Quadratkilometer und hat inzwischen über 17 Millionen Einwohner. Ein Teil von ihnen erfreut sich der Tatsache, dass die Einkommen in São Paulo meist doppelt so hoch sind wie im Rest Brasiliens, der andere Teil lebt in den Elendsvierteln, den so genannten Favelas, in Armut.

Angesichts der riesigen Lücke zwischen Arm und Reich ist São Paulo nicht gerade als einer der sichersten Orte der Welt berühmt. Im Gegenteil: Die so genannten Car-Jackings sind hier an der Tagesordnung und wer hier Nachts allein durch dunkle Straßen läuft, macht dies ausdrücklich auf eigene Gefahr.

Die 750 bis 900 Meter über dem Meeresspiegel liegende Metropole ist aber nicht nur wegen ihrer Kriminalität berüchtigt. Auch die Luftverschmutzung der von Bergen und Seen umgebenen Stadt ist enorm. Die meisten Abgase werden von der Stahl-, Chemie- sowie Elektronikindustrie sowie dem chaotischen Verkehr verursacht. São Paulo ist allerdings auch eines der brasilianischen Zentren für Fleisch-Verpackung sowie Kaffee.

Die Wolkenkratzer stehen im Kontrast zu den Armutsvierteln., Foto: Sutton
Die Wolkenkratzer stehen im Kontrast zu den Armutsvierteln., Foto: Sutton

Angesichts des Leitspruchs "Ordem e Progresso" (der so viel wie "Ordnung und Fortschritt" bedeutet) auf der brasilianischen Nationalflagge, ist es beinahe schon unfassbar, dass in São Paulo ein solches Verkehrschaos herrschen kann. Um die kleine Flaggenkunde komplett zu machen, sei noch erwähnt, dass das Grün die reichhaltigen Wälder und der gelbe Diamant den Reichtum an Mineralien symbolisieren.

Insgesamt leben 22,5 Prozent aller Brasilianer im Staat São Paulo, der etwa 40 Prozent der gesamten Steuereinkünfte einbringt, 30 Prozent des elektrischen Stroms verbraucht und in dem knapp 40 Prozent der 13 Millionen in Brasilien registrierten Fahrzeuge unterwegs sind. Entsprechend ist der Bundesstaat auch der reichste in ganz Brasilien.

Wer nun aber glaubt, dass São Paulo bei so viel Verschmutzung, Armut und Kriminalität nichts zu bieten habe, der irrt sich gewaltig. Zwar werden die architektonisch wunderschönen Kolonialbauten, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, von unzähligen Wolkenkratzern und Bankgebäuden verdeckt, aber sie existieren leibhaftig.

Der eigentliche Kern São Paulos besteht aus einer Esplanade mit weißen Bauwerken, dem Pátio do Colégio. Hier wurde 1544 von Jesuiten die Mission São Paulo gegründet. Mittlerweile wurde das alte Zentrum komplett renoviert.

Die Symphonie von São Paulo war in den Dreißigerjahren noch ein Bahnhof, der dennoch einen sehenswerten Architektur-Mix bietet. Eines der schönsten Museen Brasiliens ist das Musei de Arte. Dort wird neben südamerikanischer auch europäische Kunst ausgestellt.

Die Flagge spricht von Ordnung & Fortschritt., Foto: Sutton
Die Flagge spricht von Ordnung & Fortschritt., Foto: Sutton

Ebenfalls einen Besuch wert ist das Museu do Ipiranga, auch Museum Paulista genannt. Dieses wurde bereits 1895 eröffnet und bietet eine riesige Sammlung an Stücken aus dem 19. sowie 20. Jahrhundert. Umgeben ist das Museum von einem wundervoll angelegten Garten, der auf dem Grundriss des Schlosses von Versaille basiert.

Wer in einem der Stadtparks einer Schlange begegnen sollte, der ist im Instituto Butantã der Universität von São Paulo genau richtig aufgehoben. Denn dort wird im Plantagenhaus seit 1899 Serum gegen Schlangenbisse hergestellt - die dazugehörige Schlangenfarm kann ebenfalls besichtigt werden.

Die elegantesten Läden der Stadt finden sich derweil im Jardín Sul, an der Avenida Giovanni Granchi. Im japanischen Viertel, wo über eine Million asiatischer Einwanderer lebt, ist derweil jeden Sonntag auf dem Praça da Liberdade ein großer Markt.

Alle Paulistas die es sich leisten können und dem Moloch für einige Zeit entfliehen möchten, reisen in die nahe gelegenen Berge. Entweder in den Erholungsort Campos de Jordão auf 1.700 Meter Höhe, oder mit dem Touristenzug nach Paranapiacaba. Einmal im Jahr kommt auch ein internationaler Wunderzirkus zur Unterhaltung der Menschen in die Stadt. Der Zirkusdirektor ist kleinwüchsig, grauhaarig und verklagt jeden, der die Urheberrechte seines F1-Zirkus auch nur ansatzweise verletzt...

Brasilien - Fakten, Fakten, Fakten

Brasilien
Fläche: 8,5 Mio. km²
Einwohner: 178,5 Mio.
Einwohner Sao Paulo: 17 Mio.
Hauptstadt: Brasilia (2 Mio. Einwohner)
Sprachen: Portugiesisch
Währung: 1 Real = 100 Centavos
Zeit: MEZ - 4h
Gliederung: 26 Bundesstaaten / 1 Bundesdistrikt
Staatsform: Präsidiale Bundesrepublik (seit 1988))
Regierungschef Luis Inácio da Silva (seit 2002)
Staatspräsident: Luis Inácio da Silva (seit 2002)