Still und leer war es in den letzten Wochen vor dem weiß-blauen BMW-Williams Motorhome. Dort wo zu Saisonbeginn noch Podestplätze von Nick Heidfeld gefeiert wurden, kümmerte sich zuletzt niemand um die aktuelle Lage des in Scheidung lebenden Paares.

"Noch im Juni standen auch bei uns noch die Leute Schlange", erinnerte sich BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen noch am letzten Wochenende in Spa an die betriebsamen Tage zurück. "Aber ich bin ganz dankbar dafür, dass es momentan etwas ruhiger ist. Ich gehe davon aus, dass das sehr bald wieder anders sein wird, wenn nämlich neue Nachrichten zum künftigen Team kommen."

Dann dürfte in Interlagos in einer Woche wieder richtiggehend Hochbetrieb bei den Weiß-Blauen herrschen. Denn am Freitag beendete BMW den Informationsstopp zur Fahrerfrage und gab mit Nick Heidfeld die Verpflichtung des Wunschpiloten für die kommenden drei Jahre bekannt.

BMW-Power steckt 2006 nur noch im Werksboliden., Foto: Sutton
BMW-Power steckt 2006 nur noch im Werksboliden., Foto: Sutton

"Mit der Übernahme des Teams von Peter Sauber zum 1. Januar 2006 beginnt für BMW eine neue Zeitrechnung in der Formel 1", betonte Theissen. "Wir freuen uns, dass Nick in dieser sicher schwierigen Aufbauphase von Anfang an dabei sein wird."

Damit gebrauchte er auch schon sein neues Lieblingswort: Aufbauphase. "Wir sind in einer Umbruchsituation", spielt der BMW-Boss immer wieder auf das bevorstehende Übergangsjahr seiner neuen Truppe an.

"Ich erwarte, dass wir mit diesem Team im nächsten Jahr von Platz 8 ins Rennen gehen werden. Das ist die Position, die Sauber heute in der Konstrukteurs-WM hat. Das zeigt an, dass wir eine Aufbauphase vor uns haben", gebrauchte er auch in einem Interview mit unseren Kollegen der Motorsport aktuell seinen neuen Standardbegriff inflationär häufig. "Das umfasst alle Bereiche, von den Mitarbeitern über die Anlagen und Einrichtungen bis hin natürlich zur Wettbewerbsfähigkeit."

Rund um die Sauber-Fabrik wird sich viel tun., Foto: Sauber
Rund um die Sauber-Fabrik wird sich viel tun., Foto: Sauber

Diese siedelt Theissen 2006 aber noch unter jener von Williams an. Schließlich müsse während der Umstrukturierungsphase erst einmal alles in Position gebracht werden. "Wir werden mehr als hundert Leute einstellen in Hinwil; wir planen bereits die Details für den Ausbau der Fabrik", beruhigt Theissen auch die Kritik von Villeneuve-Manager Craig Pollock, der zuletzt um die Konkurrenzfähigkeit des Teams fürchtete.

"Aber man kann sich vorstellen, dass es mehr als ein Jahr dauert, bis mehr als 100 Personen an Bord sind und die Erweiterung der Fabrik steht." Schließlich steht dem Team ja ein Übergangsjahr bevor. "Daraus ist erkennbar, dass wir eine Aufbauphase vor uns haben, die sich nicht in Monaten bemessen lässt. Wie schnell wir zum ersten Mal auf dem Podest auftauchen, dazu möchte ich keine Prognose abgeben."

Die erhöhten Ressourcen des Rennstalls sind jedenfalls genau nach dem Geschmack von Jacques Villeneuve. "Das wichtigste ist, dass mit BMW auch das Budget aufgestockt wird", forderte der Ex-Weltmeister schon nach der Bekanntgabe des BMW-Sauber-Deals vehement. "Wir haben in Hinwil den derzeit besten Windkanal der Formel 1, können ihn aber mangels ausreichenden Budgets nicht entsprechend rund um die Uhr nutzen."

Worte die man in München wahrgenommen und berücksichtigt hat: BMW wird den Standort Hinwil nicht nur erhalten, sondern von heute knapp 300 auf etwa 400 Mitarbeiter ausbauen. In München werden zudem bei BMW Motorsport rund 300 Beschäftigte am Formel-1-Projekt arbeiten.

BMW fährt in eine ungewisse Zukunft., Foto: Sutton
BMW fährt in eine ungewisse Zukunft., Foto: Sutton

"Insgesamt", so Theissen, "werden wir somit auf eine Personalstärke von rund 700 kommen. Dabei hat der Ausbau der Aerodynamik-Abteilung in Hinwil oberste Priorität. Gegenwärtig können dort die Möglichkeiten des erstklassigen Windkanals nicht voll ausgeschöpft werden, weil es an Personal für den Mehrschichtbetrieb fehlt. Wir arbeiten sukzessive darauf hin, die Anlage rund um die Uhr nutzen zu können."

Nick Heidfeld kennt bereits beide Seiten. Von 2001 bis 2003 fuhr er für Sauber und in diesem Jahr lernte er das Engagement der BMW-Mannschaft bei Williams kennen und lieben. "Ich freue mich wahnsinnig auf die Zukunft", lautet demnach seine Zukunftsprognose. "Ich erwarte natürlich keine Wunder in der ersten Saison nach dem Neuanfang 2006. Aber ich bin überzeugt, dass das neue Team langfristig Erfolg haben wird."

Wer sein Teamkollege sein wird, wurde zwar noch nicht offiziell bestätigt, aber Jacques Villeneuve ist sich seiner Sache äußerst sicher. "Ich freue mich, im nächsten Jahr für BMW zu fahren", betont der Kanadier schon seit Wochen. "Ich habe Erfahrung, ich habe einen gültigen Vertrag für 2006. Das Team kann mich gut gebrauchen."

Villeneuve sieht sich in einem der beiden BMW-Cockpits., Foto: Sutton
Villeneuve sieht sich in einem der beiden BMW-Cockpits., Foto: Sutton

Mit den Verantwortlichen bei BMW hat er bislang aber "noch nicht" gesprochen. "Ich rechne nicht damit, dass deutlich vor Weihnachten Kontakt zu mir aufgenommen wird", so Villeneuve, der weiter auf seinen Vertrag pocht. "Verträge sind auch heute noch sehr aussagekräftig. Nebenbei bemerkt gibt es keinen Hinweis darauf, dass BMW über meinen Vertrag unglücklich sein könnte."

Leichte Skepsis löste in diesem Zusammenhang allerdings ein Satz in der Pressemitteilung zur Heidfeld-Verpflichtung aus: "Damit ist das erste Cockpit im neuen von BMW geführten Team besetzt." Wenn man bedenkt, dass Villeneuve bereits im letzten Jahr einen gültigen Vertrag für 2006 unterschrieben hat, müsste man doch meinen, dass mit Quick Nick bereits der zweite Fahrer für die neue Saison bestätigt wurde...