Ende Juli macht die Formel 1 2023 wieder Station in Belgien. Der legendäre Circuit de Spa-Francorchamps zählt bis heute zu den schnellsten Strecken im Kalender. Dabei wurde der Kurs entschärft - das Original galt in den 50ern und 60ern als eine der gefährlichsten Strecken.

Hier legten F1-Fahrer 14 Kilometer in dreieinhalb Minuten zurück. Highlight: Die eine ewig lange Gerade unterbrechende Masta-Schikane. Eine Highspeed-Passage zwischen Häusern und Telegrafenmasten, die Jackie Stewart als die schwierigste Kurve aller Zeiten titulierte. Und als gefährlichste - das sollte er 1966 selbst herausfinden.

Formel 1 heute vor 57 Jahren: Horror-Crash im Regenguss

Der Große Preis von Belgien 1966 versprach mit John Surtees, Jochen Rindt, Jackie Stewart und Jack Brabham auf den ersten vier Plätzen eine klassische Affäre zu werden. Bei bewölktem Himmel ging es los, wenige Kilometer später sollten die Fahrer mit einer weiteren Herausforderung von Spa Bekanntschaft machen. Noch auf der ersten Runde fuhren sie in einen sintflutartigen Regenguss. Beschrieben wie eine Wand aus Wasser.

Der Weltuntergang riss neun Autos aus dem Rennen. Jo Bonnier sorgte für den ersten Schockmoment. Er stieg auf, flog durch ein Farmhaus und beinahe einen Abhang hinunter. Allerdings blieb er unverletzt.

Ferrari-Mann Surtees kam mit dem Regenguss am besten zurecht, Foto: Shell
Ferrari-Mann Surtees kam mit dem Regenguss am besten zurecht, Foto: Shell

Auf dem Weg zum Masta-Knick schwammen Jackie Stewart, Graham Hill und Bob Bondurant auf und bogen mit hoher Geschwindigkeit ab. Jahre später erinnert sich Stewart dem 'Guardian' gegenüber: "Zuerst habe ich einem Telegrafenmast getroffen, dann eine Holzfällerhütte, dann kam ich im äußeren Keller eines Bauernhauses zu liegen. Das Auto war gebogen wie eine Banane, und ich darin gefangen."

Stewart erlebt Erste-Hilfe-Schock, und Nonnen

Nur sieben Autos kamen aus der ersten Runde zurück. Das Rennen hatte Surtees in der Hand, er gewann dominant vor Jochen Rindt (sein erstes Podium) und Lorenzo Bandini. Aber zurück nach Masta: Hier tauchte der unverletzte Hill an Stewarts Wrack auf. Streckenposten waren keine zu sehen, also begann er mit der Bergung - Benzin war ausgetreten und hatte den im Cockpit hängenden Stewart übergossen. Bald kam Bondurant hinzu.

Nachdem sie Stewarts Lenkrad nicht abbekamen, requirierten Hill und Bondurant von Zuschauern in der Nähe ein Werkzeug-Kit, mit dem sie ihn endlich befreiten. Inzwischen waren 25 Minuten vergangen, noch immer keine Hilfskräfte zu sehen. Hill zog Stewart den mit Benzin getränkten Overall aus, dann ließ er ihn notgedrungen zurück, um einen Krankenwagen zu finden.

Jackie Stewart und Graham Hill vor dem Rennen, Foto: Sutton
Jackie Stewart und Graham Hill vor dem Rennen, Foto: Sutton

"Dann kamen diese Nonnen", erinnert sich Stewart vage, "fanden einen Typen, nackt auf einem Heuwagen, und zogen mich wieder an. Dann kam Graham, der einen Rettungswagen gefunden hatte, und zog mich wieder aus." Es ging weiter zum Strecken-Krankenhaus. Stewart wurde abgeladen. "Man hat mich auf der Bahre gelassen, auf dem Boden, rundherum Zigaretten. Es war grauenhaft."

Irgendwann kam ein neuer Krankenwagen, mit Stewarts Frau Helen und seinem Freund Jim Clark, der mit Motorschaden ausgefallen war. Damit ging es nach Liege ins Krankenhaus. Auf halbem Weg verirrte sich der Fahrer. Erst in Liege sah Stewart einen Arzt. Diagnose: Rippen gebrochen, Schulter kaputt.

Stewart und der Kampf für mehr Sicherheit

Einen Monat brauchte Stewart, bis er wieder im Cockpit saß. Für ihn war der Unfall ein Weckruf, für den Rest der Welt nicht wirklich. Stewart begann, seinen eigenen Arzt an die Strecke zu bringen. Führte von nun an ein Werkzeug-Set im Auto mit. Seine Forderungen nach mehr Sicherheit stießen aber auf Widerstand.

Stattdessen dauerte es bis in die 70er, bis Strecken Leitplanken installierten, die Streckenposten verbesserten, und ein echtes Medical Center einführten. Nachdem sieben der 1966 in Spa angetretenen Fahrer innerhalb der nächsten sechs Jahre bei Unfällen verstorben waren: Jochen Rindt, Lorenzo Bandini, Jo Bonnier, Mike Spence, Jim Clark, Jo Siffert und Bruce McLaren.

Formel 1 heute vor 12 Jahren: Button gewinnt besten GP aller Zeiten

Chaotische Regen-Zustände gab es auch beim Kanada-GP von 2011. Das Rennen startete mitten im Guss, musste abgebrochen werden, es gab massenhaft Karbon-Schrott - darunter auch durch Jenson Button, der unter anderem mit Lewis Hamilton und Fernando Alonso kollidierte und beide aus dem Rennen crashte. Auf halbem Weg wurde abgebrochen, ewig gewartet, dann zu später Stunde neu gestartet.

Buttons Boxenstopp-Konto war am Ende schon auf sechs angewachsen, doch er hatte zum richtigen Zeitpunkt auf Slicks gewechselt, und plötzlich war er wider Erwarten heißer Anwärter auf den Sieg. Nur Sebastian Vettel stand ihm noch im Weg, und der machte in der letzten Runde unter großem Druck einen Fehler, rutschte auf einer feuchten Stelle von der Strecke und musste Button ziehen lassen. Dessen Sieg, und das Rennen an sich, sehen viele mittlerweile als heißen Anwärter auf den Titel "Bestes Rennen aller Zeiten."

Jenson Button lieferte in der Schlussphase von Kanada 2011 eine Meisterklasse ab, Foto: Sutton
Jenson Button lieferte in der Schlussphase von Kanada 2011 eine Meisterklasse ab, Foto: Sutton

Passend dazu hält das Rennen außerdem mehrere Rekorde: Es ist das längste (dank roter Flagge vier Stunden, vier Minuten und 39 Sekunden lang), das langsamste (74,4 km/h Sieger-Schnitt), und das mit den meisten Safety-Car-Phasen (sechs).

Was sonst noch geschah:

Vor 7 Jahren: Lewis Hamilton gewinnt den Kanada-GP von 2016. Sebastian Vettel wird Zweiter, verteidigt sich aber danach in TV-Interviews: Immerhin sei er in den ersten Runden brav zwei Möwen in der ersten Kurve ausgewichen.

Vor 18 Jahren: Ein Renault-Doppelsieg löst sich nach einem Hydraulik-Defekt bei Giancarlo Fisichella und einem Crash von Fernando Alonso in Rauch auf. Kimi Räikkönen gewinnt, nachdem er bei der Boxenstopp-Reihung gegenüber Teamkollege Juan-Pablo Montoya den Vorzug bekommt, und Montoya dann auch noch die rote Ampel überfährt und disqualifiziert wird.

Vor 29 Jahren: Michael Schumacher feiert 1994 in Kanada seinen fünften Saisonsieg, klar vor seinem WM-Rivalen Damon Hill.

Vor 35 Jahren: In einer üblichen 1988er-Affäre duellieren sich auch in Kanada die McLaren von Ayrton Senna und Alain Prost um den Sieg. Senna setzt sich durch, gewinnt knapp.

Vor 40 Jahren: Rene Arnoux dominiert das Kanada-Wochenende von 1983, und feiert mit über 40 Sekunden Vorsprung auf Eddie Cheever und Patrick Tambay seinen ersten Ferrari-Sieg.

Vor 75 Jahren: Hans Binder wird geboren. Der Österreicher versuchte sich an 15 GPs, ein achter Platz war das Highlight. Nach 1978 zog er sich zurück und baute ein Holzunternehmen auf.