Etwas unerwartet wurden am Montag nach dem Aserbaidschan GP neue Regeln für die Formel-1-Saison 2019 verabschiedet. In einem Fax-Voting fand sich die benötigte Mehrheit, um das Reglement der Königsklasse im kommenden Jahr anzupassen, um mehr Überholmanöver zu ermöglichen.

Am Donnerstag vor dem Spanien GP in Barcelona äußerten sich erstmals FIA-Verantwortliche zum neuen Reglement. Das Grundgerüst wurde bereits in einer Pressemitteilung kommuniziert, der genaue Wortlaut soll bald folgen. Am Sonntag treffen sich die Teams mit der FIA, um noch einmal final zu diskutieren.

Achtung, Schlupflöcher

Konkret geht es in der Diskussion darum, Schlupflöcher zu schließen, bevor sie überhaupt aufkommen. Der Regelhüter hat die Regeln deshalb schon vorab deutlich detaillierter ausformuliert als das bisher üblich war. Man will auf Nummer Sicher gehen, dass kein Team etwas findet, dass am Ende möglicherweise den gegenteiligen Effekt hat.

Wie FIA Technikchef Nikolas Tombazis Motorsport-Magazin.com bestätigte, haben die Änderungen für 2019 nicht nur einen Einfluss auf das Überholen. Auch die Performance der Autos wird beeinträchtigt. "Wir gehen rund ein Drittel des Weges von 2016 auf 2017 wieder zurück", so Tombazis. Konkret bedeutet das, dass die Autos zwischen einer und anderthalb Sekunden langsamer werden.

Luftverwirbelungen in Formel 1 aktuell zu dramatisch

Der Schritt war aber nach Meinung des Griechen notwendig: "Je mehr die Teams entwickeln, desto schlimmer wird der Effekt." Der Effekt, den der ehemalige Ferrari-Mann meint, sind die Luftverwirbelungen eines vorausfahrenden Autos.

Formel-1-Regeln 2019 & 2021: Das soll sich ändern (10:24 Min.)

Breitere, aber einfachere Frontflügel und einfachere Bremsbelüftungen sollen dafür sorgen, dass die Teams weniger Möglichkeiten haben, die ungeliebte Luft der Vorderreifen um das eigen Auto zu leiten. Je mehr dieser Luft vom eigenen Auto weggehalten wird, desto besser. Das bringt Performance. Gleichzeitig aber trifft diese Luft auch den Hintermann umso stärker.

FIA wehrt sich: Neue Regeln 2019 kein Schnellschuss

Durch die weitere Entwicklung der Fahrzeuge wird genau dieser Effekt immer schlimmer. Deshalb wollte die FIA schon für 2019 dieser Entwicklung Einhalt gebieten. Ein Schnellschuss? Tombazis winkt ab: "Es gab zwar wenig Zeit, aber es wurde sehr viel Arbeit in diese Regeländerung gesteckt. Ausgenommen von 2009 wurde in eine aerodynamische Regeländerung noch nie so viel Arbeit investiert."

Die Befürchtungen der Teams sind trotzdem groß. Deshalb erlaubte die FIA den Teams eigene Simulationen. Fast alle beteiligten sich daran, die FIA nahm die Ergebnisse gerne zur Kenntnis. Genau wie auch die Analysen von Liberty Media, die im Hintergrund eine eigene Technik-Abteilung aufgebaut haben. Bevor Tombazis bei der FIA anheuerte, arbeitete für den kommerziellen Rechteinhaber als Berater. Die Grenze zwischen FIA und FOM ist gefallen.

Wird Überholen in F1 2019 wirklich leichter?

Trotz aller Analysen gibt es keine Gewissheit, dass Überholen 2019 einfacher wird. "Aber bei einer Regeländerung gibt es die nie, du weißt nie, mit was die Teams dann aufkommen", so Tombazis. Genau deshalb will man diesmal auch unbedingt alle Schlupflöcher vorab schließen. Korrekturen wären dann erst 2020 möglich. "Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass es besser wird. Es kann auch gleich bleiben. Aber dass es verschlechtert wird, glaube ich nicht", meint der FIA-Technik-Chef.

"Man darf aber nicht erwarten, dass sich die Autos jetzt anschieben wie Tourenwagen", stellt Tombazis klar. "Es geht darum, es zu verbessern. Beispielsweise könnte man einen bestimmten Performance-Verlust nun 0,8 Sekunden statt 1,0 Sekunden hinter dem Vordermann erfahren. Es ist nicht schwarz oder weiß, es geht um Verbesserungen."

Weitere Maßnahmen abgelehnt

Die FIA stellte nach Aserbaidschan sogar ein noch umfangreicheres Paket zur Abstimmung. Das zusätzliche kleinere Paket wurde aber nicht angenommen. Darin sollten auch die Bardgeboards wieder vereinfacht werden.

Die Ergebnisse des 2019er Pakets sind auch aus den Analysen für 2021 heraus geboren. Doch einen Hinweis auf die Autos der fernen Formel-1-Zukunft werden die Boliden des nächsten Jahres nicht geben. Es wurden nur Erkenntnisse des Luftflusses auf die aktuellen Autos angewandt. Für 2021 beginnt man aber mit einem weißen Blatt Papier. Die Autos könnten dann komplett anders aussehen. "Deshalb wäre es auch falsch, 2021 schon anhand von 2019 zu beurteilen", warnt Tombazis.

Formel-1-Autos 2021 werden nochmal ganz anders

Fix hingegen ist 2019 die Anpassung des Heckflügels. Er wird tiefer und breiter. Das hat weniger mit verwirbelter Luft, als vielmehr mit dem DRS zu tun. Durch die Maßnahmen wird der DRS-Effekt größer. Zwischen 25 und 30 Prozent sagen die Simulationen. "Das hilft auf kurzen Geraden, auf denen DRS bislang nicht effektiv genug war", meint Rennleiter Charlie Whiting.

Die Gefahr, dass Überholen zu einfach wird, sieht die FIA nicht. "Wir können die DRS-Zonen auf Strecken, auf denen es schon jetzt passt - wie Baku - auch kleiner machen", schränkt Tombazis ein. Whiting fügt an: "Außerdem muss man noch immer in das Ein-Sekunden-Fenster kommen. Und das ist - auch wenn es manchmal einfach aussieht - noch immer recht schwer."

DRS-Effekt zu groß? Es kann ganz leicht gegengesteuert werden

Ein positiver Nebeneffekt der neuen Regeln könnte sein, dass das Feld dadurch näher zusammengebracht wird. Weniger komplexe Frontflügel schränken die Möglichkeiten ein. "Es ist ein Punkt, den man diskutieren kann, aber ich habe das Gefühl, dass das passieren wird", meint Tombazis.

Während einige Teams durch die Regeländerung schon wieder höhere Kosten befürchten, sieht man diese Problematik bei den Regelhütern nicht. "Das wird übertrieben", meint Whiting. "Die Teams bauen sowieso jedes Jahr ein komplett neues Auto. Vielleicht übernimmt ein Team mal das Monocoque, aber mehr nicht."

Übrigens gibt es bei den Diskussionen für bessere Rennen aktuell kaum Tabus. Auch über das Abschaffen von Blauen Flaggen bei Überrundungen wird nachgedacht. "Die Chancen stehen aber unter 50 Prozent", meint Whiting. "Die Idee ist bei Fahrern und Teams nicht besonders beliebt. Aber man muss auch bedenken, dass es nicht in allen Serien diesen Luxus gibt."