Seit mehreren Wochen war Ruhe an der Regel- und Zukunftsfront der Formel 1 eingekehrt. Die Hersteller meldeten sich nur zum Streitfall der Tankaffäre zu Wort und stellten ihre Aussagen hierüber wenig später noch einmal klar. Ansonsten gab es keine Briefe und keine Schreiben. Doch alles hat bekanntlich ein Ende, - leider - auch diese Briefdürre.

Denn heute veröffentlichte der Motorsportweltverband FIA ein ziemlich langes Schreiben an die zehn Teams, welches Regelvorschläge für die Saison 2008 beinhaltet. Der Grund für die Veröffentlichung dieses Schreibens wurde in einem separaten Text mitgeteilt: Teile des Reglements hatten die Medien erreicht und in einem - löblichen - Anfall von "Transparenz" wollte man die gesamten Informationen zur Verfügung stellen.

Fünf Ziele

Wie die Regelgeber der Herstellervereinigung hat sich auch die FIA in ihrem Schreiben fünf Ziele als Grundgerüst für ihr F1-Reglement ab dem Beginn des neuen Concorde Agreements Anfang 2008 gesetzt.

Diese lauten wie folgt: Sicherheit, Fairness, ein weiteres Mitwirken der sechs involvierten Automobilhersteller, die Sicherung der unabhängigen Teams und die Sicherstellung, dass die Öffentlichkeit die Formel 1 genießen könne.

Dabei ist selbst der FIA aufgefallen, dass "die ersten beiden Punkte" von allen eingesehen werden, während "die letzten drei Punkte kontroverser" sind.

Die Hersteller verschwenden Geld

Als erstes nimmt sich die FIA deshalb in ihrem Schreiben dem Steckenpferd von Max Mosley, den Kostensenkungen, an. In einer einfach zu verstehenden Argumentationskette legt der Verfasser hierbei Wert darauf, dass die sechs Hersteller sehr viel Geld in die F1 investieren, am Ende aber immer nur einer von ihnen gewinnen könne - und zwar jener mit "den cleversten Ingenieure, dem bestem Management und den besten Fahrern". Alle anderen würden verlieren.

Da also immer irgendjemand "Siebter und Achter" werden muss, schließlich kann ja nur einer gewinnen, sieht die FIA keinen Grund dafür, warum die Hersteller so viele Millionen respektive übertrieben gesagt Milliarden in die F1 investieren sollen, wenn sie mit weitaus weniger Ausgaben sogar eine "geringere Lücke" zwischen den Besten und Schlechtesten erzielen könnten. "Also steht fest, dass die sechs Hersteller zusammen in der Formel 1 1,35 Milliarden Euro verschwenden."

In einem weiteren Abschnitt stellt die FIA nun selbst jene Frage, welche sich viele Betrachter stellen: "Ist dies eine Angelegenheit der Sporthoheit?" Und natürlich beantworten sie diese Frage mit einem klaren: Ja.

Entsprechend kommt man mit der Theorie daher, dass jene Hersteller, die sich auf den hinteren Rängen vorfinden, eher dazu bereit sind dem Sport weiter verbunden zu bleiben, wenn sie dafür nur noch 25 statt 250 Millionen Euro ausgeben müssen. Eine durchaus logische Schlussfolgerung, die allerdings außer Acht lässt, dass die Konzerne immer noch gewinnen möchten. Und eine alte Weisheit besagt: "So lange das Geld da ist, wird es ausgegeben werden" - besonders, wenn man damit dem Ziel zu siegen näher kommt.

Aus Angst um die eigene Meisterschaft möchte die FIA jedoch nicht nur die "weniger erfolgreichen Hersteller", sondern auch die noch verbliebenen unabhängigen Teams mit geringeren Kosten bei der Stange halten. "Denn wenn die Kosten auf dem aktuellen Level bleiben oder in den nächsten zehn Jahren gar ähnlich eskalieren wie in den vergangenen zehn Jahren, dann riskieren wir auch noch die letzten Teams und Hersteller zu verlieren."

Die FIA schlägt somit eine Kostenreduzierung um 90% vor - und zwar nur bei den Herstellern, die damit ihre Motorenbudgets abdecken sollen. Hinzu würden noch die Kosten für das eigentliche Rennteam kommen. Als Beispiel dafür, dass man mit weniger Geld gute Arbeit leisten könne, führt man Cosworth Racing an, die 2006 für "unter 20 Millionen" einen "konkurrenzfähigen" Motor anbieten werden.

Wie viele Leute braucht man zum Bau eines F1-Autos?

In der Folge verliert sich die FIA dann in vielen Absätzen in allgemeinen - wenn auch dadurch nicht unbedingt weniger gültigen - Phrasen, in denen beispielsweise erwähnt wird, dass kaum ein normaler Fan darüber bescheid weiß, dass es nicht 20 oder 30, sondern mehrere hundert bis tausend Menschen braucht um zwei F1-Autos rennfertig herzustellen.

Das Lieblingsthema der Hersteller, nämlich das "technologische Schaufenster", rückt die FIA ebenfalls in jenes Licht der unwissenden Ottonormal-Fans. "Wessen technisches Interesse wird reduziert? Es mag für die beteiligten Ingenieure interessant sein, dass sie für mehrere Millionen Euro ein neues Getriebe mit 0,25 mm dünneren Zahnrädchen bauen können, aber niemand sonst kümmert sich darum."

Um das Interesse der Öffentlichkeit zu erhalten, habe man sich deshalb einen "konventionellen" Zugang ausgedacht, welcher "engeres Racing durch eine drastische Reduzierung des Downforce in Kombination mit einschneidend erhöhtem "mechanischen Grip"; ein konkurrenzfähiges Starterfeld durch reduzierte Kosten und geringeren Nachteilen für kleine Teams und die Streichung von elektronischen Fahrerhilfen für eine erhöhte Wichtigkeit des fahrerischen Talents" vorsieht.

Enger Zeitplan

Da die Regeln für die Saison 2008 gemäß des aktuellen Reglements noch vor dem Ende des Jahres 2005 abgesegnet werden müssen, ergibt sich für die FIA ein gewisser Zeitdruck. Somit müssen die Regeln bis zur vierten Septemberwoche fertig gestellt sein, um sie danach zur entscheidenden Abstimmung des World Motor Sport Council und der FIA Generalversammlung vorzulegen. Doch wie genau stellt sich der Weltverband seine Regeln vor?

Motoren. Die FIA spricht sich für die Einführung einer Einheits-ECU aus, welche nur mit einer von der FIA abgenommenen Software funktionieren darf. Alle Kontrollsysteme sollen zudem von der FIA überprüft werden. Neben den 2,4 Liter V8-Triebwerken sollen auch in der Leistung beschnittene 3 Liter V10-Aggregate erlaubt bleiben. Durch diese Änderungen will die FIA sowohl das Verbot der Fahrhilfen als auch die Testkilometer kontrollieren und die Kosten für die kleinen Teams senken.

Getriebe. Auch hier möchte die FIA den Weg eines Einheitsgetriebes, welches von einem einzigen Hersteller konstruiert wird, gehen. Sowohl die Gangwechsel als auch das Kuppeln sollen vom Piloten direkt per Schaltung und Fußpedal erledigt werden.

Bodywork. Der Downforce der Boliden soll auf 10% des aktuellen Wertes reduziert und die Fahrzeugbreite soll wieder erhöht werden. Zudem sollen die Autos von aerodynamischen Hilfsmitteln wie Barge Boards, Flips, Winglets und sonstigen Flügelchen "gesäubert" werden. Insgesamt wird versucht Überholmanöver wieder möglich zu machen.

Reifen. Ein Einheitsreifenhersteller soll alle Reifenprobleme lösen und die Kosten für Reifentests wieder in akzeptable Bahnen lenken. Zudem sollen Reifenwärmer verboten und Slicks-Reifen für Trockenrennen eingeführt werden. Die Räder sollen außerdem vergrößert werden.

Chassis. Neben härteren Crash-Test-Vorschriften sollen auch das Mindestgewicht des Chassis sowie die Mindesthöhe des Schwerpunktes festgelegt werden. Zudem soll der sündhaftteure Ballast auf ein Minimum beschränkt werden.

Bremsen. Sie werden es sicherlich schon erraten haben: Alle Autos sollen mit Einheits-Standard-Bremsen des gleichen Herstellers ausgerüstet werden.

Telemetrie. Telemetrieübermittlung von der Box zum Auto soll verboten werden und alle Kontrollsysteme sollen von der FIA-ECU unabhängig sein.

Materialien. Ähnliche Limitierungen für nutzbare Materialien wie bei den 2006er Motorenregeln sollen für alle Teile des Autos eingeführt werden.

Anlasser. Alle Autos sollen einen vom Fahrer bedienbaren Anlasser erhalten, damit die Boliden auch ohne äußere Hilfe angelassen werden können.

Ersatzautos. T-Cars werden verboten, weshalb jedes Team nur noch zwei aufgebaute Fahrzeuge pro Event haben darf. Ersatzchassis sollen erlaubt sein, ihr Einsatz wird aber genau geregelt.

Testfahrten. Vom 1. Januar bis 31. Dezember dürfen die Teams nur noch 30.000 Testkilometer absolvieren.

Fahrzeugkauf. Die Teams dürfen ein komplettes Auto oder jedes andere Teil eines Autos von einem anderen Hersteller kaufen. Die Verteilung von Konstrukteurspunkten muss noch geklärt werden.

Fazit

Eines ist gewiss: Die Regeländerungsvorschläge der FIA werden wieder ein riesiges Gewitter nach sich ziehen. Und zwar in Form von Beschwerden, Gegenvorschlägen und hitzigen Diskussionen aller Beteiligten und nicht zuletzt der Fans.

Interessant ist, dass viele der schon seit Jahren geforderten Änderungen, etwa die Rückkehr von Slicks, breitere Reifen, die extreme Beschneidung der Aerodynamik, eine klare Testbeschränkung oder die Abschaffung der Fahrhilfen, nun endlich ihren Weg in die Ohren der FIA-Verantwortlichen gefunden haben.

Nichtsdestotrotz ist nicht alles Gold, was in der F1 schwarz glänzt. Denn allen Kostenspargedanken zum Trotz sollte die Formel 1 noch immer die Königsklasse des Motorsports und nicht die am meisten an den Regeln drehende Einheitsserie der Welt sein. Wohin die Standardisierung führen kann, hat nicht zuletzt die von Kinderkrankheiten gepiesackte GP2 Serie zuletzt bestens bewiesen...