"Wir brauchen einen Amerikaner, einen Inder und eine Frau", wird Bernie Ecclestone immer wieder zitiert. Den Inder hat er schon - Narain Karthikeyan löste eine Formel 1-Begeisterung in seinem Land aus, die ihresgleichen sucht. Den Amerikaner hat er seit gestern auch, zumindest für zwei Trainingstage bei den kommenden Überseerennen. Und wer weiß? Vielleicht hat er bald schon zwei Amerikaner, wobei einer davon sogar eine Frau sein könnte...

Nachdem der Amerikaner Scott Speed gestern bei den Silverstone-Tests bei gleicher Rundenzahl um zwei Zehntelsekunden schneller als Stammpilot Christian Klien fahren konnte, hat sich Red Bull Racing entschieden. Der Red Bull-Junior, der 2002 die Red Bull-Driver Search gewinnen und 2004 den Formel Renault Eurocup für sich entscheiden konnte, wird bei den kommenden Übersee-Rennen in Montreal und Indianapolis an den Freitagen den dritten Wagen steuern. Somit nimmt erstmals seit 1993 ein amerikanischer Pilot an einem offiziellen Formel 1-Training teil.

Die Amerikaner in der Formel 1

1993 war Mike Andretti der letzte US-Pilot in der Formel 1., Foto: Sutton
1993 war Mike Andretti der letzte US-Pilot in der Formel 1., Foto: Sutton

Die amerikanischen Formel 1-Piloten: In den Fünfziger- und Sechzigerjahren waren sie keine Seltenheit. Damals gab es den GP der USA, und dieser wurde auf dem kompletten Nudeltopf von Indianapolis abgehalten. 1960 wurde zum letzten Mal auf dem legendären Speedway ein F1-Rennen abgehalten. Roger Ward beispielsweise fuhr elf Jahre lang in der Formel 1, bestritt jedoch immer nur den Amerika-GP. Ein anderes Beispiel: Harry Schell fuhr von 1950 bis 1960 insgesamt 64 Grand Prix, nahm aber nur einmal, 1959, am USA-GP, in Sebring abgehalten, teil. Aber auch waschechte Indy-Profis nahmen am USA-GP teil, so wie A. J. Foyt, der dreimal punktelos blieb. Oder Legende und Rennstallbesitzer Roger Penske - zweimal fuhr er den US-GP in Watkins Glen, 1961 und 1962, zweimal ging er leer aus.

In den Siebzigern wurden die F1-Amerikaner seltener. Besonders traurig Mark Donohue, der 1975 bei einem schrecklichen Unfall auf dem Österreichring sein Leben lassen musste. Besonders ausdauernd Eddie Cheever, der elf Saisonen in der Formel 1 verbrachte. Besonders ausdauernd und auch besonders erfolgreich Mario Andretti, der 14 Jahre Formel 1 fuhr und 1978 auf Lotus Weltmeister wurde.

Doch sehr erfolgreich war Mike Andretti nicht..., Foto: Sutton
Doch sehr erfolgreich war Mike Andretti nicht..., Foto: Sutton

Sein Sohn Mike Andretti war dann der letzte Amerikaner in der Formel 1 - 1993 gab er eine wenig überzeugende Vorstellung in einem McLaren. In den USA war Mike Andretti dann doch recht erfolgreich. Die Formel 1 blieb seither Amerikaner-los. Kein Wunder - denn in etwa zeitgleich, von 1992 an, gab es auch keinen USA-GP. Erst im Jahr 2000 gab es das große Comeback der Formel 1 auf dem legendären Indianapolis-Nudeltopf - der neue F1-Kurs, der sich nach einem Originalstreckenteil ins Infield schlängelt, erlebte sein Debüt. Doch der erhoffte Amerikaner ließ bis heute auf sich warten...

Jetzt ist er also da - der Mann aus Manteca, Kalifornien, der noch dazu Scott Speed heißt und sich daher bestens vermarkten lässt. Und weil Red Bull ohnehin den US-Markt erobern möchte, war es naheliegend, den Jungen in Montreal und vor allem in Indianapolis in den dritten Red Bull zu setzen. Dass er erst die Strecken lernen muss und seine Erfahrung als Datensammler eventuell wenig hilfreich sein könnte, nimmt man in Kauf. Eine Marketing-Entscheidung - auch wenn Speed bei den Tests seinem Namen alle Ehre machte. Speed gibt als Wohnsitz "Fuschl am See" an - und es handelt sich dabei um keine verrückte US-Kleinstadt, sondern um den Sitz von Red Bull in Salzburg. Dass Scott Speed also in der Formel 1 Fuß fassen könnte, scheint nicht unwahrscheinlich - die Formel 1 hat ihren Amerikaner. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann er vom Einspringer zum Fixstarter wird.

Mit seinem Speed konnte Scott Speed in Silverstone überzeugen..., Foto: Sutton
Mit seinem Speed konnte Scott Speed in Silverstone überzeugen..., Foto: Sutton

Kommt bald schon eine schnelle F1-Pilotin?

Aber Bernie Ecclestone darf sich noch mehr freuen - denn er soll unlängst einen bitterbösen Brief einer US-Pilotin erhalten haben. Denn obwohl er sich eine Frau in der Formel 1 wünscht, hat er unlängst erklärt, dass es eine Frau in der Formel 1 nicht schaffen würde. Damit hat er den Zorn der schnellen und anscheinend nicht auf den Mund gefallenen Danica Patrick geweckt - sie hätte letzte Woche beinahe die legendären Indy 500 gewonnen, lag bis zehn Runden vor Schluss in Führung und rutschte nur wegen Spritmangel zurück auf Platz 4. Ecclestone soll sich artig bei der jungen Dame entschuldigt haben. Doch Danica soll immer noch erbost sein: "Ich reiße mir hier den Arsch auf und dann muss ich mir solche Kommentare anhören..."

Danica Patrick wäre nicht die erste Frau im Formel 1-Sport. Bislang kamen die schnellen Damen meist aus Italien. Maria Teresa de Filipis war 1958 die erste Pilotin in der Formel 1. 1975 holte sich Lella Lombardi, die als das Mädchen vom Lande bezeichnet wurde, in Spanien als Sechste einen halben WM-Punkt. Und Giovanna Amati scheiterte 1992 auf einem Brabham mehrmals an der Qualifikation und wurde in der Folge durch einen gewissen Damon Hill ersetzt. Gewonnen hat bislang nur eine Pilotin - die Südafrikanerin Desiree Wilson - allerdings handelte es sich um ein Rennen für die Britische F1-Meisterschaft.

Hätte beinahe das Indy 500 gewonnen - Danica Patrick., Foto: Sutton
Hätte beinahe das Indy 500 gewonnen - Danica Patrick., Foto: Sutton

Rennlegende Jackie Stewart sagt, was auch Ecclestone denkt: "Wir brauchen einen Amerikaner in der Formel 1. Wenn es noch dazu eine Frau ist, umso spektakulärer..." Danica Patrick fährt in der Indy Racing League für das Team von Talkmaster David Letterman, verpasste zweimal knapp das Podium und führt in der Rookie-Wertung. In dieser Wertung liegt Ryan Briscoe, als früherer Toyota-Tester auch in der Formel 1 bekannt, 19 Punkte hinter ihr. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Danica Patrick zu einem Formel 1-Test eingeladen wird.

Wer weiß? Vielleicht ist das Jahr 2005 das Jahr der Erfüllung für Bernie Ecclestone? Der Inder ist da. Der Amerikaner zumindest bei den kommenden Rennen jeweils am Freitag. Und die Amerikanerin ist auf dem Sprung. Was dann noch fehlt? Eigentlich nur mehr ein Rennen auf dem Mond oder auf der Wiener Ringstraße...