Unser Gehirn ist wohl immer noch der beste Computer aller Zeiten - nicht, weil wir so schnell rechnen können, das können die Maschinen sicher besser - sondern weil wir auch Emotionen verspüren, ein Ich-Bewusstsein aufbauen und es nicht nur um Fakten alleine geht. Und weil der Vorfall noch nicht allzu lange her ist, erinnern wir uns auch an die Fakten, an die Geschehnisse vom letzten Sonntag, als der Grand Prix von Monaco seine Zielflagge fand.

Weil ihn sein Bruder Michael kurz vor der Ziellinie überholen wollte und es dabei beinahe zu einer Kollision kam respektive einander die Fahrzeuge leicht berührten, erklärte ein wütender Ralf Schumacher: "Michael hat sie nicht alle." Zudem würde der große Bruder manchmal "sein Gehirn ausschalten" und außerdem sei er "verrückt". Der Weltmeister wiederum konterte, dass er "nicht für eine Kaffeefahrt" nach Monaco gekommen wäre, dass er "Vollblutrennfahrer" sei und dass er "es wieder tun" würde. Für die von den klinisch gesäuberten Presseaussendungen ausgehungerte Medienwelt war das natürlich ein willkommenes Häppchen. Und: Die Bild-Zeitung stürzte sich auf den "Bruderkrieg"...

Bei der FIA-Pressekonferenz auf dem Nürburgring waren heute - neben Jenson Button und Nick Heidfeld - die Gebrüder Schumacher zu Gast. Wenn der Boulevard ein Thema vereinnahmt, heißt das noch lange nicht, dass dieses Thema stets uninteressant oder unseriös sein muss. Die Formel 1-Fans diskutierten über Fragen wie: War der Angriff von Michael gerechtfertigt oder war es tatsächlich eine hirnlose Harakiri-Aktion? Ist es nicht das Wesen des Rennfahrers, bis zuletzt anzugreifen? Hat Ralf Schumacher vielleicht seinen Beruf verfehlt und sollte er lieber Gas geben anstatt zu quengeln? Oder ist Michael Schumacher wirklich eine Gefahr für seine Konkurrenten - denn immerhin erdreistete er sich auch, seinen Stallkollegen Rubens Barrichello in der letzten Runde zu überholen - und auch "Rubinho" fand das nachher gar nicht lustig...

Gehirn ein, Gehirn aus...

Wie auch immer man den Fall sehen möge - man kann ihn wegen der Härte der getätigten Aussagen nicht einfach so vom Tisch fegen. Oder doch? Ralf Schumacher zeigt Verständnis für die Medien: "Ich kann verstehen, dass es interessant ist, darüber zu schreiben. Außerdem war es eine gute Werbung für den GP auf dem Nürburgring..." Wofür Ralf Gelächter erntet. Doch natürlich möchte man wissen, was es nun auf sich hat mit seinen Aussagen? Sowohl Michael als auch Ralf haben eingangs der PK versichert, dass man darüber gesprochen hätte und daher alles erledigt sei. Fertig. Alles ist wieder im Lot. Gehirn hin, Gehirn her - oder besser: Gehirn ein, Gehirn aus...

Jedenfalls wollten die Medienvertreter doch noch mehr erfahren - beispielsweise, ob Ralf Schumacher dabei bleiben würde, dass der siebenfache Formel 1-Weltmeister manchmal sein Gehirn ausschaltet? Immerhin habe er seine Aussage auch danach wiederholt, sagt der Fragesteller. Ralf antwortet: "Natürlich können nach dem Rennen die Emotionen überwiegen. Aber man hat eine Meinung und man bleibt dabei. Aber das hat nichts mit einem Krieg oder einem Bruderkrieg zu tun. Es geht dabei einfach um unterschiedliche Meinungen. Und ob es jetzt Michael oder ein anderer Konkurrent gewesen wäre, ich hatte in dem Moment einfach eine andere Meinung als einer meiner Gegner."

In dem Moment oder bleibt er dabei? Schaltet Michael jetzt manchmal sein Gehirn aus oder nicht, möchte man wissen. Ralf antwortet: "Ich denke, das tun wir doch alle von Zeit zu Zeit. Wie ich zuvor sagte, man muss innerhalb von wenigen Zehntelsekunden eine Entscheidung treffen und die kann mitunter nicht die richtige Entscheidung sein."

Im On-Modus war jedoch das Gehirn von Gerhard Berger, als er nach dem Rennen erklärte, bei Ralf hätte es Probleme mit dem Rückspiegel gegeben. Ralf bestätigt: "Ja, er ist gut informiert. Ich verlor meinen linken Spiegel. War es der linke Spiegel? Ja, ich denke, es war der linke Spiegel. Nur das Spiegel-Glas flog weg, was von den Vibrationen, die wir hatten, ausgelöst wurde."

Es ist dein Bruder, dein eigenes Blut...

Spiegel hin, Spiegel her - was sagt Michael Schumacher zu der Gehirn-Geschichte? In der regulären Phase der Pressekonferenz sagt auch er nur, dass die Sache "abgeschlossen" sei, dass es um "Racing" gehe und man "darüber gesprochen" habe. Nächste Frage. From the floor aber, in jener Phase, in der freie Journalisten Fragen stellen, gibt sich man sich damit nicht zufrieden...

Natürlich möchte man von Michael Schumacher wissen, was er zu diesen schweren Vorwürfen sagt. Der Weltmeister betont, dass "wir beide höchst auf den Wettkampf hin orientierte Piloten sind", dass man aber auch niemals vergesse, dass es "sich um den Bruder handelt, den man liebt". Und: "Nach dem Rennen hat man vielleicht mehr Emotionen, aber am Ende des Tages ist es dein Bruder, dein eigenes Blut - und alles, was in diesen dummen Zeitungen geschrieben wurde - wenn man uns kennen würde, würde man wissen, dass das Bullshit war."

Aber Ralf hätte doch in dieser Pressekonferenz mehrmals wiederholt, dass er, Michael, in Monaco eine falsche Entscheidung getroffen habe - jetzt würde man gerne wissen, ob Michael den Angriff auf seinen Bruder kurz vor der Ziellinie heute als falsche Entscheidung betrachtet? Michael sagt: "Hören Sie zu - wir haben beide gesagt, dass wir Rennen gegeneinander fahren. Das ist Rennsport. Und vielleicht sind wir nicht immer einer Meinung, aber das ist auch gut so. Hören wir doch mit diesem Schwachsinn auf - der eine hat dieses Wort gesagt und der andere ein anderes - lasst uns doch seriös sein und diesen Blödsinn beenden. Lasst uns doch mit den normalen Sachen weitermachen."

Zurück zum Normalen...

Tun wir das. In der Pressekonferenz erklärte Michael Schumacher, er würde "mit sehr viel Optimismus" in das kommende Wochenende gehen. Denn: "In den meisten Rennen waren wir sehr konkurrenzfähig. Nur im Qualifying hatten wir Probleme. Aber wir sind optimistisch, dass wir das hier besser lösen können." Ob der neue alte Qualifying-Modus hilfreich sei? Michael: "Sagen wir es so: Auch wenn es schlecht verlaufen sollte, kann es jetzt nur mehr einmal schlecht verlaufen." Der Fragesteller: "Das wäre dann also eine Verbesserung?" Michael: "Yeah."

Jenson Button ist selbstbewusst, er sei als TV-Kommentator "wirklich gut" gewesen. Ansonsten sei man bei British American Racing "sehr positiv" eingestellt - das Team sei mit der Sperre "sehr gut umgegangen" und man sei "sehr stark" und "sehr optimistisch". Ob man mit einem "Bang" zurückkehre, möchte man wissen. Button: "Da müssen wir abwarten und sehen..."

Von Nick Heidfeld möchte man wissen, ob er "seinen zweiten Platz schon verarbeitet habe oder ob dieser einfach an ihm vorbei gegangen" sei? Heidfeld antwortet: "Nein, ich habe es klar verarbeitet. Es war der erste zweite Rang meiner Karriere und es war natürlich großartig, dass es in Monaco geklappt hat. Ich habe es absolut realisiert."

Ende gut, alles gut. Und vor allem optimistisch. Bleibt nur noch die Frage, wo der Schalter ist...