Sie befinden sich in einem abgedunkelten Kinosaal und lehnen sich gemütlich in ihrem Sessel zurück. Aus dem hochkarätigen Soundsystem vernehmen Sie bestens bekannte Töne aus der Feder von John Williams. Und die folgende Schrift rollt in gelber Farbe langsam von unten nach oben über die breite Leinwand und verschwindet weit, weit entfernt in den funkelnden Sternen:

Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, in einer weit weit verwinkelten Hafenstadt...

Geschlagen vom eigenen Reifen - Episode I

Während wir über den überlegenen und zu keiner Zeit gefährdeten Sieger und dessen silbernes Imperium keine Worte zu verlieren brauchen, warfen die Verfolger, die zumindest in der Meisterschaftswertung noch die Gejagten darstellen, einige Fragen auf.

Fernando musste sich geschlagen geben., Foto: Sutton
Fernando musste sich geschlagen geben., Foto: Sutton

So zum Beispiel jene danach, wo ihre dominante Form der ersten vier Saisonrennen geblieben ist? Oder jene danach, warum der ansonsten als Reifen schonend gepriesene R25 die harte Michelin-Mischung mehr als alle Konkurrenten fraß?

Zumindest auf letztere Frage hat man selbst bei Renault keine ausreichende Antwort zu bieten: "Es waren die Reifen", verriet Chefstratege Pat Symonds den Grund für die Probleme. "Wir müssen jetzt analysieren warum wir solche Probleme mit den Hinterreifen hatten und unsere Rivalen nicht."

Denn bei Kimi Räikkönen, aber auch bei den meisten anderen Michelin-Fahrern - abgesehen von Felipe Massa -, war von solch einer extremen Abnutzung an den Hinterreifen nichts zu sehen. Für Fernando Alonso stellte sein vierter Platz unter diesen Umständen also ein kleines "Wunder" dar. "Für einige Runden glaubte ich auf dem Podium zu stehen, dann fürchtete ich wieder, dass ich ganz aus den Punkten heraus fallen könnte."

Doch obwohl der WM-Spitzenreiter "alles gab", um die beiden Williams-Piloten hinter sich zu halten, schaffte er dieses Kunststück mit seinen abgefressenen Hinterreifen nicht. Stattdessen zog zuerst Nick Heidfeld und danach Mark Webber in der Hafenschikane vorbei.

Für BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen verteidigte der Spanier hier bei Webbers erstem Überholversuch seine Position mit unfairen Mitteln, da er - übrigens genauso wie sein Gegner - die Schikane abkürzte, wofür Alonso "eine Strafe" hätte kassieren sollen.

Der zweite Renault von Giancarlo Fisichella wurde unterdessen von den Reifenproblemen hart genug bestraft. Schließlich deklarierte der Römer seinen R25, der ihm Anfang März in Melbourne noch zum Auftaktsieg verholfen hatte, teilweise als "unfahrbar".

"Wir haben erwartet, dass einige Teams Reifenprobleme bekommen würden, aber wir erwarteten nicht, dass es so schlimm werden würde", analysierte Theissen die schwierige Situation der französischen Konkurrenz, welche man mit erhöhten Drehzahlen um die 19.000 Touren auszunutzen versuchte. "Einige Autos waren wirklich langsam und heute war es - abgesehen von Kimi, der war unerreichbar, - ein Reifenrennen."

Die Weiß-Blauen flogen im Parallelflug auf das Podium., Foto: Sutton
Die Weiß-Blauen flogen im Parallelflug auf das Podium., Foto: Sutton

Ein Reifenrennen, welches aber unter normalen Bedingungen womöglich nur einer der beiden Weiß-Blauen auf dem Podium hätte abschließen können. Denn genauso wie Heidfeld und Webber hinter Alonso eingebremst wurden, verlor Jarno Trulli im Toyota jede Menge Zeit hinter dem zweiten Renault von Fisichella, was den Mann aus Pescara alle Chancen auf seinen zuvor gehaltenen zweiten Platz kostete. Aber so ist das nun einmal in einem Reifenrennen - die einen haben Glück, die anderen Pech...

Geschlagen vom eigenen Reifen - Episode II

Für die von Problemen und Misserfolgen gebeutelte Scuderia Ferrari, war ein zweiter Platz nach dem erneut unter den eigenen Ansprüchen liegenden Qualifying kaum in Reichweite und eher erneut ein Wochenende voller Pleiten, Pech und Pannen zu erwarten. Nach dem Rennen legte Michael Schumacher den Journalisten aber schon wieder nahe auszurechnen, wo er gelandet wäre, wenn er sich nicht einen neuen Frontflügel hätte abholen müssen.

Doch dem war nicht so. Er musste sich nach einer kuriosen Kollision und einem kurzen Stau einen neuen roten Fronflügel in der Box montieren lassen und verlor somit die Chancen auf einen möglichen Podestplatz.

Als Gründe für die mittlerweile gewohnte Qualifying-Schwäche nannte Ross Brawn das ebenso bekannte Reifenproblem auf einer schnellen Runde. Immerhin bestätigten sich diesmal die Hoffnungen auf das "gute Rennsetup", welche sich beispielsweise in Barcelona schnell in Luft aufgelöst hatten.

Michael jagte Ralf Schumacher bis zur Ziellinie., Foto: Sutton
Michael jagte Ralf Schumacher bis zur Ziellinie., Foto: Sutton

"Obwohl unser Paket im Rennen sehr schnell war, bedeutete die Streckencharakteristik, dass unsere Fahrer langsamere Autos nicht überholen und somit nicht das volle Potenzial unseres Autos ausnutzen konnten", trauerte Jean Todt der verpassten Aufholmöglichkeit nach.

Aber da war doch noch was: Das Bruderduell zwischen Michael und Ralf Schumacher. Nachdem sich die beiden bereits im Rennen einmal kurz beharkt hatten, kam es auf den letzten Metern des Monaco GP 2005 noch zu einem Fotofinish, welches dem an diesem Wochenende unglücklich agierenden Ralf überhaupt nicht schmeckte.

"Jeder weiß wie kompromisslos mein Bruder ist. Für mich hat er sie manchmal nicht mehr alle. Aber ich möchte da jetzt nicht drüber diskutieren, da er es ohnehin nicht einsehen wird. Es war einfach zu gefährlich", polterte der Toyota-Pilot kurz nach Rennende. Der Weltmeister sah die Situation hingegen etwas lockerer: "Ich bin ein Vollblutrennfahrer und da gehören auch solche Dinge dazu."

Die Teamanalyse

Renault Auch wenn Flavio Briatore & Co zum zweiten Mal in Folge offen eingestehen mussten, dass McLaren an diesem Wochenende besser gearbeitet hat, verlassen die Franzosen dank ihres Punktepolsters aus den ersten Rennen Monaco als doppelte WM-Spitzenreiter. Allerdings rücken die Silbernen in der Teamwertung immer näher und darf nach zwei Problem behafteten Grand Prix so langsam auch mal wieder ein Erfolg durchscheinen. Im Vergleich zu Williams und Toyota bleibt man aber trotzdem, jedenfalls mit funktionierfähigen Reifen, klar überlegen.

McLaren Während Juan Pablo Montoya eine starke Aufholjagd zeigte, fuhr Kimi Räikkönen zum zweiten Mal in Folge einsam vor dem Feld her. In dieser Form stellen die Silberpfeile auf alle Fälle ernsthafte Titelanwärter dar, wobei nicht davon auszugehen ist, dass Renault ab sofort in jedem Rennen solche Reifenprobleme haben wird. Auf dem Nürburgring gelten somit erneut sowohl McLaren als auch Renault als die großen Favoriten.

Ralfs Qualifying endete nicht ganz nach Plan..., Foto: Sutton
Ralfs Qualifying endete nicht ganz nach Plan..., Foto: Sutton

Toyota Die Japaner konnten unterdessen ihrer Geheimfavoritenrolle nicht gerecht werden, wobei hierfür das schwarze Wochenende von Ralf Schumacher, welches schon mit einer unverschuldeten Zeitstrafe begonnen hatte und sich dann mit dem Qualifyingunfall fortsetzte, sowie das Verkehrsproblem von Jarno Trulli mitverantwortlich zeichneten. Ansonsten wäre auch im Fürstentum ein Podestplatz für den Italiener drin gewesen.

Williams Statt Toyota standen hingegen zwei Williams-Piloten auf dem Stockerl - und dies garantiert nicht zu Unrecht. Schließlich zelebrierten beide ein blitzsauberes respektive ein hart umkämpftes Überholmanöver in der Hafenschikane, während Jarno Trulli sich bei seinem Manöver gegen Fisichella sein Auto beschädigte. Trotzdem muss man sich davor hüten die Weiß-Blauen nach diesem sensationellen und verdienten Erfolg zu weit in den Himmel zu loben. Denn Monaco hat bekanntlich seine eigenen Gesetze. Nach dem nicht den Ansprüchen entsprechenden Saisonstart, wäre es Nick Heidfeld und Mark Webber allerdings zu wünschen, wenn sie nun endlich das Topmaterial bekommen würden, welches ein Team wie Williams normalerweise bieten muss.

Ferrari Und auch Ferrari sollte normalerweise seinen Piloten Topmaterial zur Verfügung stellen. Doch wie schon bei den Rennen zuvor, litten die Roten unter einer Qualifying-Schwäche, welche auch durch die zweifelsohne gute Rennpace von Michael Schumacher nicht mehr wettgemacht werden konnte. In einer Woche auf dem Nürburgring müssen sich die Italiener also etwas für das Qualifying einfallen lassen. Vielleicht hilft ihnen dann schon das neue Qualifikationsformat...

Red Bull Auch die Unterstützung von George Lucas und der dunklen Seite der Macht konnte David Coulthard und Tonio Liuzzi nicht in die Punkteränge katapultieren. Der Schotte hätte dies zwar im Gegensatz zu seinem italienischen Teampartner durchaus schaffen können, doch schied er nach seinem zweiten unverschuldeten Auffahrunfall innerhalb von nur zwei Tagen vorzeitig aus. Das Ziel die Sperre von British American Racing in zählbare Punkte umzumünzen, verfehlten die Dunkelblauen also deutlich.

Bei Red Bull stand alles im Zeichen der Sterne., Foto: Sutton
Bei Red Bull stand alles im Zeichen der Sterne., Foto: Sutton

Sauber Ähnliches gilt auch für das Sauber Team, welches sich durch ein gescheitertes teaminternes Überholmanöver von Jacques Villeneuve quasi selbst um wichtige Punkte brachte, weshalb Teamboss Peter Sauber auch von einem "frustrierenden" Ergebnis sprach. Die Pace der Hinwiler erschien derweil jener von Red Bull zumindest als ebenbürtig.

Jordan Die Gelben von Alex Shnaider erwischten hingegen vor den Augen ihres auf seiner Yacht flanierenden Bosses ein rabenschwarzes Wochenende, welches auch Tiago Monteiros Zielankunft nicht mehr retten konnte. Denn bis zum Rennen stand Jordan ganz klar im Schatten von Minardi.

Minardi Entsprechend ermutigt zeigten sich die Mannen aus Faenza und Ledbury auch nach ihrer ersten Zielankunft mit dem neuen PS05. Dass diese ausgerechnet an diesem Wochenende dem Niederländer Christijan Albers und nicht dem haushoch überlegenen Österreicher Patrick Friesacher zuteil wurde, ist hingegen überraschend. Denn Friesacher konnte dank seiner F3000-Erfahrung sowohl die beiden Jordan-Rookies als auch den ehemaligen DTM-Vizemeister klar in die Schranken weisen.

B·A·R Im ausgedünnten Lager der Weißen konzentrierte man sich unterdessen auf die Sponsorenbetreuung und eine Imageschadenbegrenzung. Schließlich ist es für einen F1-Rennstall die absolute Höchststrafe beim Saisonhighlight im Fürstentum nicht antreten zu dürfen. Jenson Button verkündete dennoch stolz, dass er hier um den Sieg hätte mitfahren können. Nur beweisen können es die Weißen nicht.

Der WM-Ausblick auf Episode VII

Nach seinem zweiten Saisonsieg und der überlegenen Art und Weise, wie Kimi Räikkönen diesen einfahren konnte, ist sich der Ice Man sicher, dass seine Meisterschaftschancen seit dem sechsten WM-Lauf endgültig und vielleicht unaufhaltsam "an Fahrt gewonnen" haben.

Die Formel 1 verabschiedet sich bis zum nächsten Jahr aus Monaco., Foto: Sutton
Die Formel 1 verabschiedet sich bis zum nächsten Jahr aus Monaco., Foto: Sutton

Der mit einem deutlichen Vorsprung amtierende WM-Spitzenreiter sieht dieser Kampfansage für die noch ausstehenden 13 WM-Läufe allerdings gelassen entgegen. "Ich bin nicht besorgt", gibt sich Fernando Alonso cool. "Kimi wird einer der Titelanwärter sein, aber momentan liegt er noch weit zurück", spielt er auf seinen 22 Punkte-Vorsprung an. "Und wir werden uns verbessern und auch wieder vor ihm ins Ziel kommen."

Zudem beruft sich Alonso, wie schon bei Michael Schumacher nach Imola und Räikkönen nach Barcelona, auf die eigenartige Streckencharakteristik des Stadtkurses. "Monaco ist ein ganz besonderes Rennen und wir müssen nicht zu besorgt sein. Wir haben bislang die Hälfte aller Rennen gewonnen, deshalb ist es mit den Reifen nicht so schlimm."

Sollte Fernando mit dieser Vorhersage, wie bei seinen Zweifeln an der Ferrari-Performance nach San Marino, Recht behalten, ist es gut für ihn. Sollte er sich damit allerdings irren, so wie bei seinen gleichen Vorhersagen für Räikkönen und Monaco, dann können auch 22 WM-Zähler Vorsprung schnell aufgebraucht sein...