78 Runden voll am Limit: Auf keiner anderen Grand-Prix-Strecke sind Fahrer und Autos so extremen Dauerbelastungen ausgesetzt, müssen Mensch und Technik im Grenzbereich so perfekt zusammen funktionieren wie im Kurvenlabyrinth von Monte Carlo. "Dieses Rennen", sagt Sam Michael, Technischer Direktor des Williams Teams, "ist sicherlich das Härteste, was die Formel 1 zu bieten hat."

Wenn die Formel 1 in das kleine Fürstentum an der Cote d'Azur einfällt, stehen nicht nur die Reichen und Schönen Kopf. Der Brasilianer Nelson Piquet, der 1987 mit Williams seinen dritten Weltmeistertitel holte, in Monaco aber nie gewinnen konnte, brachte die einzigartige Belastungsprobe auf dem letzten Stadtkurs der Formel 1 einmal so auf den Punkt: "Hier ein Rennen zu fahren ist, als würde man mit einem Hubschrauber durchs Wohnzimmer fliegen."

Die 900 PS starken Boliden rasen mit bis zu 300 Stundenkilometern über Straßen, auf denen man im Alltagsverkehr nur im Schritttempo vorwärts kommt. Großzügige Auslaufzonen gibt es nicht – selbst der kleinste Fehler endet unweigerlich in einer der 5.500 extra fürs Rennen montierten Leitplanken.

Für die Fahrer ist der wichtigste Grand Prix des Jahres ein einziger Kraftakt. Auf den 3.340 Kilometern durchs Zentrum, vorbei an Casino, Hafen und Schwimmbad, gibt es keine speziellen Schlüsselstellen – es kommt einfach überall auf millimetergenaues Arbeiten an. Trotzdem ragen einige Kurven heraus, zum Beispiel die Massenet nach der Steigung Beau Rivage, wo die Piloten bei Tempo 250 intuitiv den richtigen Einlenkpunkt finden und zugleich auf 130 Stundenkilometer abbremsen müssen.

Zusätzlich erschwert wird die Suche nach der Ideallinie durch zahllose Bodenunebenheiten sowie die rutschigen Fahrbahnmarkierungen und Zebrastreifen. Von den Fahrern erfordert das höchste Konzentration über die gesamte Renndistanz von 260.520 Kilometern, immer mit der Gewissheit im Hinterkopf, dass sie das Rennen vergessen können, wenn sie nur einen Fehler machen. Dabei stoßen gelegentlich auch stressgeprüfte Piloten an ihre mentalen Grenzen.

Aber auch die körperliche Belastung ist extrem. Die 15 Kurven bedeuten einen ständigen Wechsel zwischen Beschleunigen und Bremsen. Nirgendwo in der Formel 1 wird so häufig geschaltet wie in Monaco: Alle zwei Sekunden wechseln die Piloten im Schnitt den Gang, kommen so pro Runde auf 40 Schaltvorgänge und im Rennen auf fast 3.100. Eine schweißtreibende Angelegenheit, zumal bei Temperaturen von 60 Grad Celsius unter dem Overall. Im Verlauf des Rennens verlieren die Fahrer drei bis vier Liter Flüssigkeit. Wer nicht wirklich fit ist, hat keine Chance.

Weil im Kurvengewirr von Monte Carlo praktisch nicht überholt werden kann, fällt eine Vorentscheidung schon beim Qualifying. Auf keinem anderen Kurs ist eine gute Startposition so wichtig für den Erfolg. Beim Start selbst kommt es nicht nur auf die gute Reaktion des Piloten, sondern auch auf das perfekte Funktionieren der Kupplung an.

Die 900 PS der Boliden müssen in einem schwierigen Balanceakt auf die Straße gebracht werden. Würde der Fahrer einfach nur Vollgas geben, würden die Räder durchdrehen, weil die Autos beim Beschleunigen aus dem Stand kaum Abtrieb entwickeln. Er muss die Kraft deshalb vorsichtig über eine Schaltwippe dosieren, die dafür sorgt, dass die Kupplung nicht vollständig schließt, sondern schleift. Die überschüssige Energie wird von ihren Scheiben aufgenommen, die sich in weniger als einer halben Sekunde auf über 1.000 Grad erhitzen.

Die Motoren werden in Monaco weniger belastet als auf Vollgasstrecken wie Indianapolis oder Monza. Auf dem engen Stadtkurs laufen sie nur acht Sekunden pro Runde unter Vollgas – der Vollgasanteil entspricht damit gerade mal 70 Prozent von dem einer normalen Rennstrecke. Trotzdem hat dieser Kurs auch für die Triebwerke seine Tücken: Auf keiner anderen Formel-1-Strecke ist eine so große Bandbreite zwischen niedrigster und höchster Geschwindigkeit gefragt. Während die Piloten ihre Boliden am Grand Hotel mit nur 45 Stundenkilometern durch die Haarnadelkurve steuern, so langsam wie bei keinem anderen Formel-1-Rennen, beschleunigen sie Sekunden später im Tunnel schon wieder auf Tempo 280.

Eine Stadt im Ausnahmezustand. Wenn der Straßenkarneval von Monte Carlo beginnt und 120.000 Zuschauer ins Fürstentum strömen, ist auch für die Ureinwohner nichts mehr, wie es war. Der kurze Weg zum Milchmann um die Ecke wird durch Zäune und Gitter versperrt und selbst für den Gang zur Mülltonne, die im Sicherheitsbereich liegt, muss ein Sonderausweis gezückt werden. Da hilft oft nur noch eines: Rolläden runter oder Formel 1 Fan werden.

Wussten Sie schon...

... dass der 400 Meter lange Tunnel in Monaco mit seinen wechselnden Lichtverhältnissen die Fahrer nicht mehr vor so große Probleme stellt, seit die FIA 2001 für mehr Licht sorgte? Ein optisches System spiegelt das Sonnenlicht ins Tunnelinnere und erzeugt einen Lichtkegel, der den Piloten die Einfahrt in die dunkle Betonröhre erleichtert und im Tunnel für nahezu optimale Lichtverhältnisse sorgt. Normale Autofahrer kennen diesen Luxus nicht. "Es gibt zwar moderne Tunnel mit vorbildlich adaptierter Beleuchtung", sagt Dr. Hartmuth Wolff vom Allianz Zentrum für Technik (AZT), "aber die meisten Röhren sind eher schlecht oder gar nicht beleuchtet und erscheinen dem Autofahrer – insbesondere bei Blendung durch den Gegenverkehr – als schwarzes Loch."