Diesmal gab es keine Piloten, keine Techniker und keine Teamchefs zu bewundern - die heutige FIA-Pressekonferenz wurde von Max Mosley schon vor dem Urteil des International Court Of Appeal, in Sachen B·A·R-Honda, zur Chefsache erklärt. Der FIA-Präsident stellte sich den Fragen der Motorsportjournalisten. Die Veranstaltung geriet zu einer verbalen Prügelorgie gegen das aus der Imola-Wertung genommene und für die kommenden Rennen in Spanien und Monaco gesperrte B·A·R-Team. Natürlich stellte sich Mosley voll und ganz hinter das Urteil des ICA.

Mosley ging sogar noch einen Schritt weiter. Sicher - der ICA konnte dem Rennstall keinen vorsätzlichen Betrug nachweisen, wie es im Urteil heißt. Das sieht auch Mosley so - er beschreibt die Aktion des Teams als "dümmlich, aber nicht strafbar". Zugleich sagt er aber auch, B·A·R-Honda habe sich "plump und primitiv" verhalten. Und: "So verhalten sich die Leute bei Klubrennen oder in den unteren Motorsportklassen." Und: "Es ging nicht um anspruchsvolle Elektronik oder diese Art von Dingen, mit denen wir es normalerweise zu tun haben."

Es ging oder geht um die Abwage des B·A·R-Honda 007 von Jenson Button nach dem GP von San Marino. Das Team habe sich dabei laut Mosley "aberwitzig" verhalten: "Sie haben 15 Liter im Tank belassen. Wirklich! Es ist hoffnungslos, wenn sie wirklich geglaubt haben, dass sie damit durchkommen." Warum sich dann die Abwage respektive das Scrutineering über sechs Stunden hinweg gezogen habe, fragt einer der Journalisten? Mosley sagt, das Team habe die Stewards mit einer Ladung an Datenmaterial überhäuft und es sei dann nötig gewesen, den Wagen zu entleeren. Nicht erwähnt Mosley, warum die Stewards B·A·R zunächst frei gesprochen haben und das Urteil erst am darauffolgenden Montag durch die FIA annulliert wurde.

Was Mosley nicht erwähnt

Auch den Kollektor erwähnt Mosley nicht - das ist jener Teil des Tanks, den jedes F1-Fahrzeug aufweist - also ganz sicher kein geheimer Zusatztank. Mosley erwähnt auch nicht, dass B·A·R-Honda eine - weitere - Lücke im Regelwerk entdeckt haben will, wonach - "im Gegensatz zu anderen FIA-Rennserien", wie B·A·R-Teamchef Nick Fry monierte - nicht klar deklariert sei, ob auch der Kollektor geleert werden muss. Ganz so einfältig, wie Mosley es beschreibt, kann ein Millionenunternehmen wie B·A·R-Honda eigentlich gar nicht agieren. Oder doch? Zumindest kann auch ein FIA-Präsident blauäugig erklären, er glaube nicht, dass jemand eine Grauzone im Reglement ausnützen würde, wonach man nach dem Ausscheiden aus dem Rennen am nächsten Rennwochenende einen frischen Motor verwenden darf. Und es war bekanntlich das B·A·R-Honda-Team, welches Mosley eines Besseren belehrt hat.

Schon im Winter ein Auge auf B·A·R geworfen

Der Fall hat mehr Gewicht, als man zunächst angenommen hat. Max Mosley offenbart in dieser Pressekonferenz, dass er schon seit dem Winter ein Auge auf das B·A·R-Team geworfen habe: "Jeder, der sich in der Formel 1 wirklich auskennt, vermutete, dass etwas nicht stimmt. Es gab ein Gerücht - ich habe davon im Winter erfahren - von jemandem, der zwar nicht in der Formel 1 arbeitet, aber auf einem Top-Level im Motorsport involviert ist, in Verbindung mit den Vereinigten Staaten von Amerika. So weit hat sich das also herumgesprochen..."

B·A·R-Honda war bekanntlich der Aufsteiger der Saison 2004. Mosley erklärte, die Saison 2004 sei für ihn ein "geschlossenes Buch" - da man nicht gewusst habe, ob die Fahrer Jenson Button und Takuma Sato über das umstrittene Tanksystem der B·A·R-Honda Bescheid gewusst hätten. Man habe aber deshalb den Wagen von Button - und nicht jenen von Alonso oder Michael Schumacher - in Imola entleert, "weil wir gute Gründe dafür hatten, anzunehmen, dass mit den B·A·R-Honda etwas nicht stimmt. Wir hatten keinen Grund dafür, anzunehmen, dass die anderen Teams das tun würden. Es gibt nicht den geringsten Anlass, anzunehmen, dass Renault oder Ferrari oder jedes andere Team so etwas tun würde."

Mosley: Sie werden nicht klagen...

Das präsidial dermaßen geprügelte B·A·R-Team wiederum hat stets beteuert, nichts Unrechtes getan zu haben. Man verurteilte die Sperre als "gänzlich derbe Unverhältnismäßigkeit". Man verwies darauf, dass der ICA einerseits keine vorsätzliche Betrugsabsicht erkennen konnte und zugleich aber eine derart hohe Strafe ausgesprochen wurde. Deshalb wollte das Team ursprünglich auch die Entscheidung vor einem Zivilgericht anfechten - doch mittlerweile hat man diesen Plan verworfen - mit dem Hinweis darauf, dass zumindest für den Spanien-GP die Zeit nicht ausreiche, um die Sperre zu verhindern.

Für Max Mosley hat das einen anderen Grund: "Wenn Sie aus meiner Sichtweise die Wahrheit darüber erfahren wollen, warum sie jetzt nicht vor ein Zivilgericht gehen wollen - dann ist es deshalb so, weil sie wissen, dass sie vor einem Zivilgericht allein auf weiter Flur stehen würden und ihr Anliegen in Fetzen zerfallen würde."

Und für den Fall, dass es sich B·A·R vielleicht noch anders überlegen sollte, stellt Mosley vorsorglich eine kleine Rute ins Fenster: "Wir hätten jemanden, der ihre Zeugen gegenkontrollieren würde, es würde in einer Mischung aus Peinlichkeit und Desaster für sie enden. Daher werden sie es auch nicht tun."

Schelte auch für Minardi und die Neun

Max Mosley hat im Rahmen der besagten Pressekonferenz auch andere Teams verbal gescholten - allen voran Minardi. Paul Stoddart's Entscheidung, in Melbourne ein Zivilgericht aufzusuchen, sei "komisch" gewesen, im Endeffekt sei das aber "überhaupt kein Problem für die FIA" gewesen. Und natürlich bekamen auch die so genannten "Neun" ihr Fett ab - jene Teams außer Ferrari, welche sich noch nicht zu einer FIA-Weltmeisterschaft über das Jahr 2007, das Ablaufjahr des aktuellen Concorde-Abkommens, hinaus deklariert haben. Der Präsident wiederholte seine Drohung, wonach die FIA das Regelwerk ab 2008 ohne die betreffenden Teams vorschreiben werde, wenn bis zum Ende dieses Jahres keine Vorschläge von den Rennställen kommen würden.

Politik statt Sport

Die heutige FIA-Pressekonferenz war also eine Machtdemonstration ihres Präsidenten Max Mosley - zumindest in seinen Augen. In den Augen der Fans jedoch spiegelt sich ein anderes Bild: Wieder einmal hat es die Formel 1 zustande gebracht, binnen kurzer Zeit ein aufgrund der bislang spannenden Weltmeisterschaft und elektrisierender Rennen positives Bild zu besudeln. Wieder einmal wurde das ohnehin kränkelnde Image der Formel 1 schwer beschädigt. Und wieder einmal überwiegen die politischen Nachrichten, während - zumindest an den GP-Freitagen - auf sportlicher Ebene wenig bis gar nichts geboten wird.

Ein FIA-Präsident, der als Grundlage seiner Entscheidungen Gerüchte heranzieht und einen Teilnehmer der FIA-Weltmeisterschaft als "primitiv und dümmlich" bezeichnet und diese wenig schmeichelhaften Attribute auch noch den unteren Rennklassen und Racing-Klubs zuordnet. Und zugleich ein Regelwerk, welches ständig geändert wird und immer neue Schlupflöcher und Grauzonen offenbart - vielleicht wäre das alles gar nicht passiert, hätte die FIA ein klares und eindeutiges Reglement verfasst?