Die christliche Glaubensgemeinschaft hat am Samstag ihr oberstes Kirchenhaupt, Papst Johannes Paul II. respektive Carol Wojtyla verloren. Nach einem langen und vor allem schweren Leiden ist der am 18. Mai 1920 im polnischen Wadowice geborene "Bürger des Vatikans am 2. April 2005 um 21.37 Uhr in Folge eines septischen Schocks und eines irreversiblen Herz-Kreislauf-Zusammenbruchs im Apostolischen Palast des Vatikans gestorben", wie der Leibarzt des Papstes im offiziellen Totenschein bekannt gab.

Die Formel 1-Protagonisten haben umgehend reagiert - viele der Piloten sollen praktizierende Christen sein und bekennen sich zum Glauben an Jesus Christus. Jarno Trulli, der an seinem Sturzhelm einen Sticker mit der Aufschrift "Thank you Pope!" anbrachte, erklärte: "Der Tod des Heiligen Vaters ist der Grund dafür, dass wir in Bahrain auf dem Podium nicht gefeiert haben." Michael Schumacher erklärte: "Die Italiener und die Deutschen fühlen sich besonders verbunden mit dem Papst, so wie das auch viele andere Völker tun."

Zynischer Bernie Ecclestone? Millionenklage wegen Absage?

In Italien hat die TV-Anstalt RAI auf die Übertragung des Bahrain-GP verzichtet, alle Sport-Veranstaltungen im Land wurden abgesagt. Der Generaldirektor der Fernsehanstalt, Flavio Cattaneo, erklärte: "Es ist eine Frage des Respekts für eine große Persönlichkeit." Cattaneo ist vertraglich verpflichtet, das Rennen zu übertragen - vor der Absage soll er bei Formel 1-Zampagno Bernie Ecclestone um das Auslassen der TV-Übertragung gebeten haben. Und laut dem Blick droht der TV-Anstalt nun eine Millionenklage, denn "Big Bernie" soll angeblich kein grünes Licht für eine Nicht-Übertragung gegeben haben. Laut den Salzburger Nachrichten jedoch habe Ecclestone später die Absage doch noch akzeptiert. Ecclestone soll in Bahrain ziemlich zynisch auf den Tod des Kirchenhaupts reagiert haben - laut einem Bericht von Auto, Motor und Sport habe Ecclestone dem Renault-Teamchef Flavio Briatore vorgeschlagen, vor dem Start als einziges Team eine Gedenkminute abzuhalten, zudem soll er das Gerücht lanciert haben, Ferrari würde nicht an dem Rennen teilnehmen.

Doch die Scuderia entschloss sich für die Teilnahme - Ferrari-Sprecher Luca Colajanni erklärte gegenüber der dpa: "Wir sind alle sehr betroffen vom Leiden des Papstes, aber wir denken, dass es weitergehen muss." Und auch der römische Renault-Pilot Giancarlo Fisichella, bekennender Christ, sprach sich gegen eine Absage aus: "Trotz aller Betroffenheit glaube ich, dass die Formel 1 nicht gestoppt werden muss."

Der Papst und die Scuderia

Ferrari trat wie schon 2001, nach dem verheerenden Anschlag auf das World Trade Center, mit schwarz lackierten Fahrzeugnasen an. Michael Schumacher sagte vor dem Start in Sakhir: "Bei uns ist eine seltsame Stimmung im Team. Als italienischer Rennstall haben wir eine besondere Bindung zum Papst."

Im Jahr 1988 erstattete der Papst dem Team in Maranello einen Besuch ab, drehte in Fiorano sogar zusammen mit Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo eine Runde in einem Ferrari-Sportwagen. Michael Schumacher wiederum hatte bereits 1999 eine Audienz beim Obersten Kirchenhaupt. Und erst am 17. Januar 2005 gab der Papst dem Weltmeister und dem gesamten Team eine Audienz. Das Team überreichte dem Kirchenoberhaupt ein 1:5-Modell des Ferrari F2004, der Papst beglückwünschte das Team "für die Erfolge in der letzten Weltmeisterschaft". Und: Der Papst gab dem Team aus Maranello quasi einen Auftrag mit auf den Weg. Er forderte Ferrari dazu auf, "die Werte des Sports zu verbreiten und zugleich beim Aufbau einer gerechteren Gesellschaft beizutragen". Wojtyla fügte hinzu: "Die Kirche betrachtet den Sport als nützliches Lehrinstrument für die jungen Generationen."

Der Sport-Papst - radikal menschlich, aber auch radikal konservativ

Tatsächlich gilt Johannes Paul II. als der "Sport-Papst". Vor der Olympiade 2004 errichtete Wojtyla ein eigene Unterabteilung "Kirche und Sport". Die Kirche betrachte den Sport als "einen der neuralgischen Punkte der heutigen Kultur", wie in einer vatikanischen Mitteilung erklärt wurde. Nur wenn der Sport die komplexen Veränderungen der jüngsten Zeit mit den Geboten der Menschenwürde verbinde, könne er eine "Schule der Tugend und ein Werkzeug des Friedens sein", so das Vatikandokument.

Menschenwürde, Menschenrechte, Gerechtigkeit - Johannes Paul II. stellte sich immer wieder gegen die Unterdrückung, auch ganzer Völker, galt als glühender Anti-Kommunist, befreite seine Heimat Polen vom Kommunismus. Laut dem Chefredakteur des Standard, Gerfried Sperl, ist Carol Wojtyla jedoch "nie ein Demokrat westlichen Zuschnitts geworden". Mit dem Kommunismus habe ihn der "konsequente Zentralismus" verbunden. In Sachen Kirche war Johannes Paul II. in seiner 26jährigen Regentschaft nämlich erzkonservativ eingestellt. Der Rechts- und Religions-Philosoph Jürgen Wallner beschreibt im Standard jene Punkte, die für viele Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche einen "Stein des Anstoßes" dargestellt hätten: "Das Beharren, Frauen in den Ämtern der Kirche zu diskriminieren. Die Aufrechterhaltung einer wesenhaften Unterscheidung zwischen Kleriker- und Laienstand. Das Nichtnachgeben in der Sexualmoral..."

Formel 1 und Ethik

Ob die Formel 1 sich an christlicher Ethik orientiert? Der Theologiestudent Hannes Kala führte vor nicht allzu langer Zeit verschiedene Interviews mit prominenten Medienvertretern der Königsklasse, wie Heinz Prüller, Tanja Bauer oder Helmut Zwickl. Seine Erkenntnis: "Den Meinungen der Experten zufolge gibt es keine Ethik christlicher Prägung in der Welt der Formel 1. Die einzige Ethik, die es gibt, ist die Ethik des Geldes. Und der einzige Wert, den die Formel 1 kennt, ist der Wert des Erfolges." Aber: "Die Formel 1 ist nicht ‚nur gut´, aber auch nicht ‚nur schlecht´. Wie die Menschen auf der Erde hat sie das Negative und auch das Positive in sich - was ja kein Wunder ist, da sie ein ‚menschlicher Verein´ ist."