Red Bull Racing-Stratege Dr. Helmut Marko war heute zu Gast in der ORF-Sendung "Sport am Sonntag". Sein Auftritt wurde von den österreichischen Formel 1-Fans mit Spannung erwartet - denn nach den tollen Ergebnissen des Hohenemsers wollen sie natürlich eines wissen: Sitzt Christian Klien auch noch in Imola im zweiten Red Bull-Cosworth?

Doch zunächst geht es um Grundsätzliches. Die Red Bull-Philosophie hat für große Beachtung im Fahrerlager gesorgt. Der viel zitierte "Funfaktor" wird hinter den elektronischen Drehkreuzen wie ein im Eismeer gelandeter Alien betrachtet - glühender Spaß in einer unterkühlten Business-Welt. Ein unrasierter David Coulthard wird zum Symbolbild einer scheinbar längst vergessenen und ansteckenden Lebensfreude. Für den Spaßfaktor ist Marko jedoch nicht direkt zuständig - sein Bereich heißt Racing. Seit den Siebzigerjahren, als sich ein Stein durch sein Visier bohrte und seine eigene Karriere als F1-Pilot jäh beendete, beschäftigt sich Marko mit dem Rennsport.

Mit dem Erfolg des Red Bull-Teams habe er "überhaupt nicht gerechnet. Nach den Wintertests waren wir vorsichtig optimistisch. Wir waren schnell und zuverlässig." Cosworth habe "einen neuen US-Eigner, der selbst ein Racer ist. Cosworth hat jetzt eine neue, eine ganz andere Qualität", versucht Marko, eine Erklärung für den Überraschungserfolg zu finden.

Motorenfrage 2006: Entscheidung bis Ende April

Ab Kanada oder dem USA-GP würde eine 30 PS stärkere Motoren-Ausbaustufe zum Einsatz kommen, auch die Aerodynamik werde laufend weiterentwickelt, verrät der Red Bull-Motorsportbetreuer. Es würde zudem jenen von Jaguar erbauten Windkanal geben, der ab Herbst fertig gestellt werden solle. "Auf dem Gebiet der Aerodynamik-Entwicklung haben wir dann den letzten Stand der Technik erreicht", versichert Marko. Zur Motorenfrage für die Saison 2006 sagt Marko, dass es "ja noch andere Kandidaten" wie die von dem Moderator erwähnten BMW und Honda geben würde. Namen wollte er keine nennen. Die Entscheidung soll "bis Ende April" gefällt werden.

Als er auf jene Momente des Sepang-GP angesprochen wird, in denen David Coulthard und Christian Klien nacheinander an dem Ferrari von Rubens Barrichello vorbeiziehen konnten, macht sich ein breites Lächeln im Gesicht des Rennstrategen breit: "Ja. Das war völlig unglaublich. Der Mythos Ferrari - und dann können unsere Autos die roten Renner überholen. Dietrich Mateschitz hat mich gleich gefragt, ob er noch richtig sieht im Fernseher."

Klien ist seit der Winter-Ausscheidung ganz anders!

Die Zuschauer der Live-Sendung sitzen auf Nadeln - doch dann die Frage: Klien oder Liuzzi? Fahrertausch in Imola oder nicht Fahrertausch in Imola? Christian Klien habe sich gegenüber 2004 stark verbessert, sagt Marko: "Er ist ganz anders seit der Ausscheidung im Winter." Die Ausscheidung - sie war umstritten. Das "Ersatzbanksystem" sei grausam, setze die Fahrer einem unnötigen zusätzlichen Druck aus, wurde und wird immer wieder kritisiert….

Marko holt aus: "Wir hatten Klien und Liuzzi, der ja auch ein charismatischer und schneller Pilot ist, der in der Formel 3000 gesiegt hat wie Michael Schumacher in der Formel 1. Wir wussten einfach nicht, wer von den beiden geeigneter ist." Die Ausscheidung habe dann gezeigt, dass "sich Klien gesteigert hat. Er hatte im letzten Jahr einen nicht konstanten Rennspeed. In den beiden ersten Rennen dieser Saison hat er dann bewiesen, dass er diese Schwäche abgelegt hat."

Keine Ersatzbank für DC - so lange er im Rennen schneller ist…

Bei David Coulthard habe es sich nicht um einen "alten abgelutschten Rennfahrer" gehandelt, wie der Moderator es in seiner Frage formuliert. Es sei aber schon um die Frage gegangen: "Ist er noch motiviert?" Und man habe "dann ja gesehen - er lebt auf, kommt unrasiert daher, ist locker unterwegs, fühlt sich wohl", verteidigt Marko das Engagement des Schotten, den viele schon als Auslaufmodell bezeichnet haben.

Coulthard sei aber auch "nicht gerade der beste Qualifying-Pilot. Sein Qualifying war an beiden GP-Wochenenden nicht optimal", sagt Marko. DC habe in Kuala Lumpur im Quali "eine Sekunde weg gelegt", fügt er hinzu. Coulthard habe hier noch Reserven respektive einen Verbesserungsbedarf. Die Ersatzbank drohe Coulthard jedoch nicht: "Nein, so lange er im Rennen deutlich schneller als der Teamkollege ist…"

Klien & Coulthard sehen keinen Grund für einen Fahrertausch

Doch wieder zurück zu Klien - dieser habe "zwei tolle Rennen" geliefert. Er habe "seine Chance optimal genützt", sagt Marko. Es folgt eine Einspielung eines in Sepang abgehaltenen Klien-Interviews nach dessen zweiter Ankunft in den Punkterängen. Klien sagt selbstsicher: "Ich habe im Rennen keine Fehler gemacht, war im Qualifying schneller als Coulthard. Ich sehe keine Punkte, wieso man also den Fahrer wechseln sollte."

Was sagt David Coulthard zu einem Fahrerwechsel ab Imola? DC erklärt, dass "diese Frage lediglich Red Bull Racing entscheidet". Nachsatz: "Aber ich sehe auch keinen Grund, warum man etwas verändern sollte."

Marko: Mühsame Auswertung nach Bahrain…

Zweimal hat Christian Klien nun WM-Zähler an Land gezogen. Da müsse man von dem drohenden Cockpit-Tausch doch vielleicht absehen können, fragt der Moderator vorsichtig. Wie fix denn diese Ablöse sei, hakt er nach. Marko sagt: "Es wurde beschlossen, dass Klien zunächst die ersten drei Rennen fahren wird. Danach wird eine umfassende Auswertung vorgenommen - das ist ja eine recht komplexe Angelegenheit, es geht um die Auswertung von Longruns, der Qualifikation und so weiter. Diese Auswertung ist ein mühsames Unterfangen."

Aber habe Klien nicht mit seinen Leistungen sein Cockpit verteidigt, möchte man wissen. Marko antwortet: "Wir haben einen Einjahresvertrag mit David Coulthard und eine mehrjährige Vereinbarung mit den beiden anderen Piloten. Wir wollen Liuzzi nicht verlieren, er ist auch ein schneller Mann, er fuhr beispielsweise die Bestzeit am Freitag in Melbourne. Es geht bei diesem Tausch nicht darum, die Leistung von Klien zu schmälern, sondern es geht darum, dass wir auch Liuzzi eine Chance geben wollen…" Der Moderator, verzweifelt: "Das klingt alles so, als sei der Cockpit-Tausch bereits beschlossene Sache…"

Die Frage aller Fragen, ob Christian Klien in Imola sein Cockpit an Vitantonio Liuzzi abtreten muss, bleibt auch nach dieser TV-Sendung unbeantwortet. Entschieden wird nach Bahrain. We have to wait and see…