Die Motoren in der Formel 1 sind in der Saison 2005 noch extremeren Belastungen ausgesetzt. Sie müssen zwei Grand-Prix-Wochenenden halten – und damit im Vergleich zur Vorsaison die doppelte Distanz. "So einen Motor zu entwickeln", sagt BMW Motorsport Direktor Dr. Mario Theissen vor dem Großen Preis von Australien, "ist eine gewaltige technische Herausforderung."

Nicht nur in der Formel 1 ist ein Motorschaden der technische Super-Gau. Auch dem normalen Autofahrer treibt die Vorstellung, der Motor seines Autos könnte unterwegs den Geist aufgeben, den Angstschweiß auf die Stirn. Das kommt allerdings häufiger vor, als viele denken. Nach der allgemeinen Fahrzeugelektrik und der Zündanlage sind Motordefekte einer der Spitzenreiter in der Pannenstatistik. Das müsste nicht sein. "Durch regelmäßige Wartung können nicht nur kleine Störungen, sondern vor allem auch kostspielige Motorschäden vermieden werden", sagt Dr. Christoph Lauterwasser vom Allianz Zentrum für Technik (AZT). "Häufig sind nämlich altersschwache Zahnriemen, marode Kühlschläuche oder schlicht Ölmangel die Ursache. Deshalb lohnt sich auch mit älteren Fahrzeugen der regelmäßige Besuch in der Werkstatt."

Auf den Formel-1-Strecken rund um den Globus sind alterungsbedingte Ausfälle auch in der neuen Saison nicht zu erwarten, obwohl die Fédération Internationale de l´Automobile (FIA) die Motorschraube weiter angezogen hat. Um die Leistung der Triebwerke zu senken und Kosten zu sparen, schreibt das neue Reglement vor, dass ein Motor zwei Grand-Prix-Wochenenden halten muss. Im Vergleich zur Vorsaison bedeutet das eine Verdoppelung der Laufleistung auf rund 1500 Kilometer. Gewechselt werden darf das Triebwerk nur im Falle eines Motorschadens im Training oder Qualifying, was allerdings zur Folge hat, dass der Fahrer in der Startaufstellung dieses Rennens um zehn Plätze nach hinten versetzt wird und bis zum Ende des darauf folgenden Grand Prix keinen anderen Motor benutzen darf. Wer ein Rennen nicht beendet, darf dagegen das nächste mit einem anderen Motor bestreiten – und das ganz ohne weitere Strafe.

Dieser Passus, befürchten nicht nur die Strategen von BMW WilliamsF1 Team, könnte einige Teams zu taktischen Spielereien verleiten: Ein Fahrer könnte ein aus-sichtsloses Rennen absichtlich nicht beenden und hätte dadurch den Vorteil, im nächsten Rennen einen neuen Motor einsetzen zu dürfen. Mit welchen Rennstrategien die Teams auf die neuen Motorenregeln reagieren, verspricht über den Saisonauftakt hinaus Spannung. Zweifellos tut man gut daran, seinen Motor so gut wie möglich zu schonen.

Dazu gibt es, wie Sam Michael, Technischer Direktor von BMW WilliamsF1 Team, erläutert zwei Möglichkeiten. Die eine ist, weniger Runden zu fahren, die andere, die Drehzahlen zu senken. Bei BMW WilliamsF1 Team hat man sich bereits entschieden: "Wir werden im Training, wenn wir Reifen testen und am Set-up arbeiten, die Drehzahlen runternehmen. Alles andere wäre nicht gut für die Zuschauer und damit auch nicht gut für die Formel 1."

Die komplizierten Abläufe der Formel 1 folgen auf den ersten Blick nicht immer den Gesetzen der Logik. Die Arbeit der Ingenieure bei der Entwicklung des P84/5 Motors für den Williams FW27 erschöpfte sich nicht darin, alle mechanischen und thermisch hoch belasteten Teile einfach nur doppelt so robust auszulegen. Der Motor wäre auf diese Weise größer und schwerer geworden, und das hätte Drehzahl und somit Leistung gekostet. Diese Verluste durch neue Lösungen zu minimieren, war eine sehr komplexe Aufgabe und erforderte akribische Feinarbeit im gesamten Herstellungsprozess – von der Auslegung der Bauteile in der Konstruktion über die Materialauswahl und die Fertigung bis hin zu Versuch und Qualitätskontrolle.

"Unsere Zielsetzung lautete, mit möglichst geringen Leistungseinbußen standfest zu werden für die doppelte Distanz", erläutert Dr. Mario Theissen. "Unser Motor soll auch 2005 die Messlatte in der Formel 1 sein." Ein Muster an Zuverlässigkeit war das Triebwerk aus München, trotz extrem hoher Drehzahlen von bis zu 19200 Umdrehungen und einer Leistung von über 900 PS, auch schon in den letzten Jahren. In der Saison 2003 zum Beispiel, als die Motoren zwischen Qualifying und Rennen nicht mehr gewechselt werden durften, hatte das BMW WilliamsF1 Team nur einen Motorschaden zu beklagen. Und das bei einem Belastungsprofil, als würde man einen Marathonläufer kurz vor dem Start noch auf einen Sprint schicken. Auch 2004, als der Motor schon ein ganzes Grand-Prix-Wochenende halten musste, gab es bei 36 Rennstarts und fast identischer Höchstdrehzahl nur einen Motordefekt.

Wussten Sie schon...

... dass ein Formel-1-Motor aus rund 5000 Einzelteilen besteht und die Kolbengeschwindigkeit bei Höchstdrehzahl 40 Meter pro Sekunde beträgt? Daraus resultieren Beschleunigungen von bis zu 9000 g, wobei auf das Pleuel eine Kraft von fast drei Tonnen wirkt. "Trotz dieser enormen mechanischen Belastung", so Dr. Christoph Lauterwasser vom Allianz Zentrum für Technik (AZT), "sind Pleuel filigran gebaut. Dabei wird mittels genauer Computerberechnungen jedes unnötige Gramm wegkonstruiert." Ein Formel-1-Pleuel aus Titan wiegt nur 295 Gramm, ein Stahlpleuel aus einem Dreiliter-Serienmotor dagegen 545 Gramm und muss dabei weit weniger Belastungen aushalten als Formel 1.