" Ich habe tief und fest geschlafen, bin in der früh aufgewacht und habe realisiert, dass ich in der Formel 1 fahre. Es war ein wunderschöner Morgen", berichtete Patrick Friesacher von seiner ersten Nacht als Formel 1-Pilot. Doch während der 24jährige friedlich von seinen ersten Runden in Melbourne träumte, braute sich anderswo eine dunkle Wolke zusammen – die dunkle Wolke der Politik, und zwar der Formel 1-Politik…

Was ist passiert? Scheinbar wurde durch die relativ späte Nominierung des Kärntners eine Frist versäumt – nämlich jene für die Ausstellung der für die Teilnahme an einem Formel 1-Rennen erforderlichen Superlizenz. Patrick Friesacher erfüllt aufgrund seiner Ergebnisse in der Formel 3000 natürlich die Bedingungen für die Ausstellung der Lizenz - es handelt sich also nicht um die Notwendigkeit einer Sondergenehmigung, wie das bei vielen anderen F1-Einsteigern der Fall war, welche die nötigen Rennergebnisse nicht vorweisen konnten.

Jetzt haben die britischen Kollegen von Autosport "aus FIA-nahen Quellen" erfahren, dass es bei der Ausstellung der Superlizenz für Patrick Friesacher Probleme geben könnte. Ein FIA-Sprecher wird zitiert: "Unter normalen Umständen würden wir eine Fax-Abstimmung abhalten, um das Einverständnis der Formel 1-Kommission für die Ausstellung der Superlizenz einzubringen." Das wäre dann reine Formsache, denn Friesacher erfüllt wie erwähnt alle Anforderungen für den Erwerb der Lizenz.

Doch die Umstände sind – zumindest in den Augen der FIA – nicht mehr normal. Es geht um die Faxabstimmung. Friesacher´s Teamchef Paul Stoddart hat erst unlängst erklärt, er halte das Reglement der Saison 2005 für ungültig, weil bei dessen Einführung Formfehler passiert seien. Stoddart soll sich auch auf das Abhalten einer Faxabstimmung beziehen. Für die FIA stellt sich laut den genannten Quellen die Lage so dar, dass sie von Stoddart eben wegen dem Abhalten einer Faxabstimmung von dem Minardi-Boss verklagt werden könnte – nämlich dann, wenn Ferrari jene Sondergenehmigung nicht unterzeichnen sollte, welche, von allen Teamchefs unterschrieben, nötig ist, damit Minardi in den ersten Saisonrennen mit dem Vorjahrswagen (nach Reglement 2004) antreten darf und wenn dann wiederum die FIA ein Startverbot über die schwarzen Renner verhängen sollte.

Die FIA möchte jetzt, so sagen die Quellen, von Paul Stoddart wissen, was er in dieser Angelegenheit zu tun gedenke. Denn angeblich sei man nun innerhalb der FIA nicht mehr sicher, wie man in punkto Faxabstimmung handeln solle. Der FIA-Sprecher sagt: "Unglücklicherweise haben Herr Stoddart und seine Rechtsanwälte die Legalität einer Faxabstimmung in Frage gestellt. Wir können jetzt nichts mehr tun, bis wir von Stoddart eine Klarstellung erhalten, eine Klarstellung dessen, was er selbst als seine ‚sehr fundierten rechtlichen Möglichkeiten´ bezeichnet hat."

Somit geriet Patrick Friesacher unfreiwillig in die Mühlen der Formel 1-Politik, er droht ein Opfer jener Kluft zu werden, die sich im politischen Hickhack zwischen Paul Stoddart und der FIA ergeben hat und die immer größer zu werden droht. Friesacher muss jetzt zittern, ob er in Melbourne überhaupt an den Start gehen darf. Doch der 24jährige hat bekanntlich schon schlimmeres durch gestanden – es ist anzunehmen, dass er sein volles Programm weiter durchziehen wird: Morgen Donnerstag Sitzprobe und Fitnesstest im Minardi-Werk in Faenza, am Samstag 300 Testkilometer abspulen und am Sonntag in den Flieger nach Melbourne steigen…