"Ich komme nie im sicheren Gefühl zu gewinnen an die Rennstrecke. Ich denke immer daran, dass es eine Möglichkeit für die anderen gibt, an uns vorbeizukommen."

In den vergangenen Saisons schafften dies nicht viele Konkurrenten. In der WM-Wertung der letzten fünf Jahre sogar überhaupt keiner. Wer also kann den mittlerweile siebenfachen F1-Weltmeister Michael Schumacher nach dem roten Triumphzug des Jahres 2004 in dieser Saison von seinem achten Titelgewinn – dem sechsten in Folge – abhalten?

Ende der Dominanz

Wir versuchen dieser Frage mit der Hilfe einiger Experten, die es eigentlich wissen müssten, auf den Grund zu gehen. Beginnen wir also mit dem großen F1-Zampano höchstpersönlich. Wird Michael Schumacher auch 2005 alles in Grund und Boden fahren und die Formel 1 Welt dominieren, Herr Ecclestone?

"Das hängt alles davon ab, ob BMW-Williams und McLaren Mercedes ihre Sachen zusammenkriegen", erklärt Mr. E. "Wenn ja, kann es sehr spannend werden. Wenn nein, hat Schumacher 2005 wieder eine bequeme Fahrt. Aber Michael sollte dieses Jahr mehr herausgefordert und bedrängt werden als zuletzt."

Eine Meinung die in F1-Fachkreisen weit verbreitet zu sein scheint. So kündigt Ex-BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger offen an, dass es mit der roten Formel Langeweile bald zu Ende sein wird. "Die wird aufhören", verrät er im kicker-Interview. "Vielleicht schon dieses Jahr!"

Mit dieser Ansicht steht der bis dato letzte österreichische Grand Prix Sieger nicht alleine da. Auch Ex-Rennfahrer Christian Danner, vielen als RTL-Co-Kommentator bekannt, kündigt aggressiv an: "Ich gehe fest davon aus, dass die Konkurrenz zu Ferrari aufgeschlossen hat."

Danners Kommentatoren-Kollege und motorsport-magazin.com-Kolumnist Jacques Schulz hatte – wie viele andere auch – Ähnliches schon vor der letzten Saison prophezeit und behielt damit letztlich nicht wirklich Recht. Für 2005 geht der Premiere-Kommentator jedoch davon aus, "dass die Saison auf jeden Fall spannender als das Vorjahr" werden wird. Dabei wagt Jacques einen Vergleich "mit dem Jahr 2003", als die Weltmeisterschaft im letzten Rennen entschieden wurde. "Da die Konkurrenz näher an Ferrari heranrücken sollte, erwarte ich mindestens zwei Teams die Ferrari als Top-Favorit fordern können."

Ex-Jordan-Pilot Timo Glock erwartet sich ebenfalls eine "spannende" Saison: "So weit man das bei den Tests sehen kann, glaube ich schon, dass Ferrari nicht mehr ganz so überlegen sein wird", verriet er im Gespräch mit motorsport-magazin.com.

Silberstreif am Horizont

Und damit wären wir bei der nächsten große Frage: Alle sind sich einig, dass es 2005 spannender werden wird. Doch wer sind die Teams die für diese Spannung im Kampf gegen Ferrari sorgen sollen? Die Auswahl ist mit McLaren Mercedes, BMW-Williams, British American Racing Honda und Renault durchaus stattlich.

Wer also wird Ferrari herausfordern? "Mehr oder weniger die aus dem letzten Jahr", gibt sich Michael Schumacher selbst etwas zurückhaltend, bevor er betont: "McLaren Mercedes wird meiner Einschätzung nach aber von Anfang an dazugehören."

Mit dieser Einschätzung trat der Champion beinahe eine ebensolche Lawine los, wie sie im letzten Jahr die Ferrari-Rivalen überrollte. "Von den Teams traue ich McLaren zu, als Erste zu Ferrari aufzuschließen", pflichtet Berger dem Deutschen bei. "Ich glaube, dass McLaren diesmal große Fortschritte machen wird. Die politischen Strömungen der letzten Jahre – wirklich eine Handbremse – haben sich beruhigt. Ich glaube nach wie vor, dass McLaren ein Topteam ist, das auch Topleistungen bringen wird."

Christian Danner sieht dies ähnlich: "Ferrari ist sicher wieder der Favorit, aber gegen Ende des letzten Jahres hat man bereits gesehen, dass McLaren Mercedes dran war an den Roten", versucht der Ex-F1-Fahrer einen silbernen Faden vom Saisonfinale 2004 bis zum Saisonstart 2005 zu spannen. "Für mich wird deshalb Kimi Räikkönen nun der härteste Schumacher-Konkurrent sein."

Eine Meinung der sich Bernie Ecclestone ruhigen Gewissens anschließt. "Kimi Räikkönen, wobei der schon Vizeweltmeister war und als Champion demnach nicht die riesige Überraschung wäre", antwortet der F1-Zirkusdirektor auf die Frage nach dem größten Herausforderer des deutschen Seriensiegers. Danach fügt er aber noch hinzu: "Oder Juan Pablo Montoya, der lag ja schon in der WM 2003 bis Monza mit Schumacher Kopf an Kopf."

Damit spricht Ecclestone auch das heiß-kalte Team-interne Duell bei McLaren Mercedes an. "Montoya und Räikkönen sind eine starke Fahrerpaarung", so Gerhard Berger, "und eine tickende Zeitbombe: toll von ihrem Image her und ihrer sportlichen Leistung, da ist einiges zu erwarten. Wer besser ist, wird man erst sehen. Ich schätze Räikkönen extrem stark ein. Montoya wird alle Hände voll zu tun haben, ihn zu schlagen – wenn überhaupt."

Und was sagt der hoch gelobte Finne zu diesen Prognosen? "Das kann doch keiner wissen um diese Zeit", wiegelt der Ice Man ab. "Warten wir ab, bis alle ihre neuen Autos vorgestellt haben. Und selbst dann hat man nur eine Idee. Erst das erste Rennen in Melbourne zeigt die ganze Wahrheit."

Weiß-Blaue Überraschung?

Doch wie wird diese Wahrheit aussehen? "Das ist superschwer einzuschätzen", sagt motorsport-magazin.com-Experte Sven Heidfeld. "Ich würde sagen: Ferrari und McLaren, wobei der MP4-20 sehr schnell zu sein scheint, und dann kommt Williams."

Die wiederum betrachtet Jacques Schulz mit "eingeschränktem Optimismus". Schließlich geht die Mannschaft aus Grove erstmals seit 1977 ohne einen GP-Sieger in die neue Saison. "Das sagt alles", betont Berger. "Ich kann mich nur wiederholen, dass ich BMW jederzeit ein eigenes Formel 1 Auto zutrauen würde. Und dass die Leistung, die Williams in den letzten Jahren abgegeben hat, für BMW nicht ausreichend sein kann. Aber vielleicht ändert sich das dieses Jahr. Möglicherweise ist Williams ein gutes Auto gelungen. Ich hoffe es für BMW, die haben sich Resultate verdient."

Mut macht dem Tiroler der neue Windkanal des Teams in Grove, in welchen "sehr viel investiert" wurde, was sich in dieser Saison endlich auf der Rennstrecke auszahlen soll und muss. "Daher ist zu hoffen, dass es diesmal klappt mit dem Auto – und dass BMW-Williams eventuell sogar die WM gewinnen kann! Ich meine die WM der Konstrukteure!"

Denn in der Fahrer-WM sieht Berger andere vorne, selbst da er Mark Webber und Nick Heidfeld "einiges" zutraut. "Ich hoffe, einer der beiden wird zur Überraschung des Jahres", gesteht er ein und nennt auch die notwendigen Zutaten für dieses Überraschungsgericht: "Sie brauchen nur das richtige Auto. BMW gibt ihnen sicher den richtigen Motor."

Sollte all dies passen, traut Sven Heidfeld seinem Bruder sogar Siege und die Chance ein Wörtchen um die Titelvergabe mitzusprechen zu. "Wenn sie direkt gut in die neue Saison starten, schnell sind und es sofort umsetzen können, dann auf jeden Fall."

Französisch oder Japanisch?

Neben den traditionellen Top-Teams McLaren und Williams sowie der in diesem Zusammenhang ohnehin nicht erwähnenswerten Scuderia Ferrari gibt es aber in der heutigen Formel 1 auch noch Renault und British American Racing, die beachtet werden wollen.

Beide haben es sich auf die Konzernfahnen geschrieben in diesem Jahr GP-Siege einzufahren und spätestens 2006 den WM-Titel anzugreifen. "Ich glaube, dass Renault in dieser Saison sehr stark sein wird", unterstützt Schulz die Ankündigungen der Gelb-Blauen. "Jedenfalls dann, wenn sie ein Auto entwickeln, welches nicht nur schnell, sondern auch fahrbar ist. Sollte dies gelingen, dann ist die Kombination aus Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella mindestens für ein paar Siege gut."

Aber auch B·A·R Honda hat Schulz auf der Rechnung: "Es ist damit zu rechnen, dass auch Jenson Button aufgrund des größeren Einflusses von Honda ein Kandidat sein wird. Deshalb sollte Button in diesem Jahr zumindest in die Nähe des Titels fahren können."

Sven Heidfeld glaubt jedoch nicht an diese These: "Ich weiß nicht, ob sie den Speed mitnehmen können. Ich glaube, dass sie etwas zurückstecken müssen."

Timo Glock rechnet ebenfalls mit "B·A·R und McLaren" sowie den Franzosen von Renault, die für ihn bei den bisherigen Wintertests einen "starken Eindruck" hinterlassen haben. "Michelin ist extrem stark geworden und auch die Teams wie Renault und McLaren Mercedes sind besser geworden und liegen dicht zusammen. Deswegen kann man davon ausgehen, dass es deutlich spannender werden wird."

Spannung auf und neben der Strecke

Aus dem gleichen Grund sieht auch Jacques Schulz der F1-Saison 2005 optimistisch entgegen: "Wir stehen vor der spannendsten Saison seit langem", sagt er. Und auch Sven Heidfeld ist "davon überzeugt", dass es in diesem Jahr wieder etwas mehr Spannung in der F1Welt geben wird.

"Zumal – wenn man Ferrari wegnimmt – die Teams schon letztes Jahr viel enger zusammengerückt waren", gibt er zu bedenken. "Aber das interessiert den Normalzuschauer natürlich nicht. Denn dieser möchte vorne Spannung sehen und nicht im Kampf um Platz drei oder vier. Aber ich denke, dass wird in diesem Jahr auch mehr der Fall sein."

Dem McLaren-Williams-Renault-B·A·R-Quartett auf Ferrari-Jagd, dem durch den Windkanal und Reifenwechsel aufstrebenden Sauber Team, dem frischen Wind bei Red Bull und Toyota sowie dem Kampf zwischen Jordan und Minardi erwarten uns also jede Menge spannungsgeladene Rennwochenenden, die zwischendrin durch die Entscheidungen hinter den Kulissen garniert werden.

Wer nun aber in Melbourne Ferrari die Stirn bieten kann ist heute noch nicht eindeutig zu sagen. "Das sind alles Spekulationen", schlussfolgert Gerhard Berger, "also abwarten. Ich habe gelernt, die Wintertests nicht groß zu analysieren, ehe nicht alle mit gleichen Reifen, gleichem Sprit und gleicher Technik unterwegs sind."