"Heute war Gottseidank kein Rennen." Sebastian Vettel wähnte sich am Freitag in Barcelona im falschen Film. Eigentlich wollte der Red-Bull-Pilot auf dem Circuit de Catalunya die große Aufholjagd in Sachen Weltmeisterschaft starten, doch am Ende des Trainingstages standen nicht mehr als vier magere Runden zu Buche.

Vettel griff selbst zum Feuerlöscher, Foto: Sutton
Vettel griff selbst zum Feuerlöscher, Foto: Sutton

Was war passiert? Bereits nach wenigen Minuten im ersten Freien Training musste Vettel seinen RB10 am Streckenrand abstellen, weil ein Kurzschluss die gesamte Elektronik lahmgelegt hatte. Der Heppenheimer griff dabei sogar selbst zum Feuerlöscher, um gewappnet zu sein, falls aus dem Heck des Boliden Flammen schlagen sollten.

Kein Pech

So weit kam es glücklicherweise nicht, doch die erste Session war für Vettel damit gelaufen. Bei Red Bull gab man sich zunächst noch zuversichtlich und ging davon aus, die Probleme bis zum Nachmittagstraining beheben zu können, doch weit gefehlt. "Wir mussten den ganzen Kabelbaum wechseln, das ist keine Sache von fünf Minuten", erläuterte Vettel. "Eigentlich ist es kein großer Schaden, aber sehr verstrickt - man kommt nicht so leicht ran."

Red Bull ging auf Nummer sicher und baute einen komplett neuen Kabelbaum ein, der gewährleisten soll, dass der Weltmeister am Samstag endlich ins Geschehen eingreifen kann. An Pech glaubt Vettel nicht, obwohl ihm die Technik nicht zum ersten Mal in dieser Saison einen Streich spielte. "Es gibt einen Grund dafür, warum etwas kaputt gegangen ist", betonte er. "Wir müssen schauen, dass es nicht nochmal passiert. Es hat mich getroffen, aber ich brauche in dieser Hinsicht kein Mitleid."

Wichtig sei nun, dass der RB10 im dritten Freien Training wieder standesgemäß funktioniere, damit er vor dem so entscheidenden Qualifying in Barcelona noch einige Kilometer abspulen könne, so Vettel. "Wir brauchen keine Träne nachweinen und müssen schauen, dass wir morgen gut zurechtkommen", richtete er den Blick nach vorne. "Im Moment gibt es mehrere Baustellen, das wissen wir. Jedem sind die Probleme bekannt. Wir wissen, dass es nicht rundläuft."

Bei Red Bull war die Stimmung schon besser, Foto: Red Bull
Bei Red Bull war die Stimmung schon besser, Foto: Red Bull

Ricciardo als Alleinunterhalter

Da Vettel zum tatenlosen Zusehen verdammt war, lag es an Daniel Ricciardo alleine, die Arbeit für Red Bull auf der Strecke zu verrichten. "Daniel war mehr oder weniger zufrieden. Wir versuchen die Erfahrung, die er sammeln konnte, zu übernehmen", erklärte der Heppenheimer. "Es fehlt natürlich eine Hälfte, was schade ist, vor allem was die Rennvorbereitung angeht. Wir hoffen, dass wir morgen ohne großen Rückstand quer einsteigen können."

Ricciardo drehte einsam seine Runden, Foto: Red Bull
Ricciardo drehte einsam seine Runden, Foto: Red Bull

Ricciardo selbst zog ein zwiespältiges Fazit. Zwar erwies er sich als erster Verfolger von Lewis Hamilton und Nico Rosberg, die einmal mehr den Ton angaben, doch er hatte sich erhofft, den Rückstand verringern zu können. "Ich bin ein bisschen frustriert. Oder überrascht. Ich weiß nicht, weil sie schon wieder so stark waren", meinte der Australier. Immerhin sahen die Longruns des 24-Jährigen in der Nachmittagssession verheißungsvoll aus.

"Es wäre für uns einfacher mit zwei Autos auf der Strecke gewesen, denn man bekommt doppelt so viele Daten und Feeback", beklagte auch Ricciardo Vettels unfreiwillige Pause. "Das macht es für uns nicht einfacher und wirft Seb zurück. Zum Glück konnte zumindest einer von uns fahren. Wir versuchen jetzt, so viele Informationen wie möglich daraus zu ziehen."

Lob für Hamilton

Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko war, abgesehen von Vettels Problemen, mit dem Auftakt auf dem Circuit de Catalunya durchaus zufrieden. "Das war eine runde Leistung", konstatierte der Österreicher, wenngleich es für das Qualifying mit den weichen Reifen noch ein wenig Nachholbedarf gebe. "Die beiden haben ungefähr die gleiche Fahrcharakteristik", nahm er auf seine Piloten Bezug. "Dadurch ist alles auf seinen [Ricciardos] Schultern gelegen und uns ist irgendwo die Zeit ausgegangen."

Auch wenn Marko betonte, dass sich das genaue Kräfteverhältnis noch nicht gezeigt habe, so habe sich Red Bull weiterentwickelt, was man nicht zuletzt anhand des Abstands zu Ferrari sehen könne. "Dass es zu Mercedes noch ein weiter Schritt ist, das haben wir schon gewusst, aber wir sind noch nicht am Ende", blickte er auf die schier uneinholbare silberne Konkurrenz, wobei es ihm ein Fahrer des Mercedes-Duos ganz besonders angetan hatte. "Hamilton ist momentan in einer Überform - man sieht ja, wie er derzeit in jeder Session Rosberg schlägt."

Vor allem auf den Geraden verlor Red Bull einmal mehr viel Zeit, während der Wagen in den Kurven durchaus annehmbar lag. Gibt es am Samstag keine große Überraschung, werden sich erneut Hamilton und Rosberg die Pole Position untereinander ausmachen, doch im Lager des regierenden Weltmeisters hat man die Hoffnung noch nicht aufgegeben. "Es wird sehr schwierig, aber wir werden über Nacht hart arbeiten und morgen hoffentlich Druck ausüben können", so Ricciardo.