In Silverstone spielten sich am Rennsonntag dramatische Szenen auf der Strecke ab. Lewis Hamilton, Felipe Massa, Jean-Eric Vergne und Sergio Perez flogen reihenweise die Hinterreifen um die Ohren. Kimi Räikkönen bekam sogar einen umherfliegenden Reifenfetzen bei voller Fahrt im Cockpit ab. Das Reifen-Massaker von Silverstone war geboren. So etwas hatte die Formel 1 noch nicht erlebt. Nicht wenige Beobachter warteten nur auf einen Rennabbruch, weil die FIA nicht riskieren konnte, auf einem Highspeed-Kurs wie Silverstone Personenschaden durch platzende Reifen in Kauf zu nehmen. Doch die roten Flaggen blieben aus.

Am Rande des Rennwochenendes auf dem Nürburgring wurde nun deutlich, dass keines der betroffenen Teams ernsthaft darüber nachgedacht hatte, ihre Fahrer aus dem Rennen zu nehmen. Wegen des Sicherheitsrisikos und der Ungewissheit, wie die Reifenplatzer zustande kamen, wäre dies durchaus eine Möglichkeit gewesen. Da sich jedoch vier Piloten unterschiedlicher Teams kapitale Reifenschäden durchzogen, beobachteten die Verantwortlichen an den Kommandoständen das Geschehen erst einmal.

Foto: Sutton
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Bei McLaren, wo Perez bereits im Training der Reifen explodiert war, stand ein Abbruch aus eigener Kraft nicht zur Debatte. "Es war eher eine Diskussion darüber, was die FIA machen oder nicht machen würde, statt darüber zu diskutieren ob McLaren seine Autos selbst aus dem Rennen nehmen sollte", erklärte McLarens Sportdirektor Sam Michael. "Es ging eher darum, was wir in der Zwischenzeit machen sollten."

Bei Ferrari dachte die Teamführung ebenfalls nicht an einen eigenen Abbruch, sondern analysierte das Geschehen auf der Strecke und wollte herausfinden, wie die Reifenexplosionen zustande kommen konnten. Als das Team sah, dass bei drei Piloten - darunter Massa - die Reifen schon in den ersten Runden des Rennens schlapp machen, sei es laut Pat Fry darum gegangen herauszufinden, wie man das Risiko minimieren könne. "Uns war sofort klar, dass wir die Länge der Stints minimieren mussten", so der Technikdirektor der Scuderia. Schnell habe sich das Team für eine Drei-Stopp-Strategie entschieden statt lediglich zwei Boxenstopps zu riskieren.

Foto: Sutton
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Fry weiter: "Wir haben darüber nachgedacht, wie wir die Situation so sicher wie möglich machen können statt darüber nachzudenken, aus dem Rennen auszusteigen. Via Intercom gab es Diskussionen mit der FIA über die Reifendrücke, die wir hinter dem Safety Car fuhren, aber am Ende muss man es einfach in den Griff bekommen." Offenbar gab es nach der ersten Safety-Car-Phase von Pirelli die Anweisung an die Teams, die Reifendrücke zu erhöhen. Nach der zweiten Safety-Car-Phase habe der Reifenlieferant laut Fry um eine weitere Erhöhung gebeten.

Bei Mercedes gab es ähnliche Gedankenspiele, nachdem Hamilton in Führung liegend wegen seines Reifenschadens weit zurück fiel und damit einen möglichen Sieg einbüßte. "Wir haben genau geschaut, was die FIA entscheiden könnte, aber aus unserer Sichtweise war es eher eine Angelegenheit des richtigen Managements - ob durch Änderung des Reifendrucks oder Anweisungen an die Fahrer bezüglich bestimmter Kurven, Kerbs und so weiter", erklärte Mercedes-Technikdirektor Paddy Lowe. Während des Rennens wurden einige Fahrer via Funk angehalten, ein Überfahren der Kerbs zu vermeiden, doch nur die wenigsten hielten sich daran.