Aufgrund des nassen Qualifyings hatten die Teams in Kanada ungewohnt viele neue Trockenreifen für das Rennen. Während ihnen das entgegenkam, stellten die grüne - das heißt mit wenig Gummi belegte - Strecke sowie die geringen Möglichkeiten für Longruns im Training die Teams vor Herausforderungen. Da es am Sonntag zudem 10 bis 15 Grad wärmer war als am Freitag, wagten einige nicht das Risiko einer Ein-Stopp-Strategie.

Adrian Sutil hielt Felipe Massa von Teamkollege Paul di Resta fern., Foto: Sutton
Adrian Sutil hielt Felipe Massa von Teamkollege Paul di Resta fern., Foto: Sutton

Die richtige Analyse der Reifen machte in Kanada den Unterschied. Die Teams, die auf dem Medium-Reifen Longruns bestritten hatten, profitierten im Rennen von ihren Erkenntnissen. Paul di Resta drehte 56 Runden auf dem härteren Pneu - der mit Abstand längste Stint in dieser Saison. Er fuhr ein sauberes Rennen mit konstanten Rundenzeiten und erzielte selbst auf den abgenutzten Medium-Reifen persönliche Bestzeiten. Daher konnte er in der zweiten Rennhälfte frei entscheiden, wann er seinen Boxenstopp einlegt. Durch seine auf den ersten Blick gewagte Strategie konnte er sein Qualifying-Debakel mit Startplatz 17 vergessen machen. Bei seiner Aufholjagd auf Platz sieben kam ihm zugute, dass Teamkollege Adrian Sutil Felipe Massa im zweiten Stint aufhielt und di Resta so sein Tempo selbst bestimmen konnte.

Schützenhilfe durch Teamkollegen

Ein weiterer Fahrer, dem sein Stallgefährte zu Hilfe kam, war Lewis Hamilton. Nico Rosberg hielt im zweiten Stint Fernando Alonso und Mark Webber auf. So konnte der Spanier Hamilton erst kurz vor Rennende attackieren, was Hamilton dabei half, auf dem Podest zu bleiben. Dass Hamilton erst sieben Runden vor Schluss von Platz zwei verdrängt wurde, zeigt, dass Mercedes in Bezug auf die Haltbarkeit der Reifen im Rennen Fortschritte gemacht hat. Vor allem zeigte sich bei Hamilton eine verbesserte Konstanz im Vergleich zu den vorherigen Rennen.

Der Strategiepoker bei Teamkollege Rosberg ging dagegen nach hinten los. Mercedes reagierte in Runde 15 auf den vorhergegangenen Stopp von Mark Webber, zog Rosberg jedoch im Gegensatz zum Red-Bull-Piloten nicht die Medium- sondern die superweichen Reifen auf. Statt des erhofften Pace-Vorteils stellte sich bald starker Abbau ein und Rosberg verlor in diesem Stint zwei Positionen. Aufgrund des kurzen zweiten Stints musste Rosberg zudem ein drittes Mal an die Box kommen, da seine Reifen sonst nicht bis zum Ende des Rennens durchgehalten hätten. Hätte er wie Webber und Alonso den zweiten Stint auf den Medium-Reifen bestritten, hätte er sie länger hinter sich halten und seinem Teamkollegen womöglich gar Rang zwei sichern können.

Lotus und McLaren patzen

Rang eins stand beim Kanada GP laut dem UBS Strategy Report dagegen zu keinem Zeitpunkt in Frage. Sebastian Vettel hatte das Rennen bereits in der ersten Runde gewonnen, als er von der Pole Position startend wegzog und aus dem DRS-Fenster enteilte. Bei der ersten Überquerung von Start-Ziel hatte er bereits zwei Sekunden Vorsprung auf Hamilton. Alonsos Problem war, dass er sich nur als Sechster qualifiziert hatte, und so Hamilton, Bottas, Rosberg und Webber erst hinter sich lassen musste, ehe er sich hinter Vettel einreihen konnte. Valtteri Bottas fiel nach seiner beeindruckenden Leistung im nassen Qualifying im warmen und trockenen Rennen zurück und riss dadurch eine Lücke zwischen der Spitze und dem Mittelfeld.

Romain Grosjean steckte im Verkehr., Foto: Sutton
Romain Grosjean steckte im Verkehr., Foto: Sutton

Ein Kandidat, bei dem die Strategie nicht aufging, war Romain Grosjean. Er plante, eine Ein-Stopp-Strategie wie di Resta zu einer Aufholjagd zu nutzen, doch er war nicht schnell genug, steckte im Verkehr und verschliss seine Reifen damit schneller als gedacht, weshalb Lotus auf eine Zwei-Stopp-Strategie umschwenken musste. Damit eine Ein-Stopp-Strategie prinzipiell funktioniert, muss man die Fahrer auf zwei Stopps nach deren zweiten Besuch an der Box hinter sich gelassen haben. Dabei gilt es nicht, um jeden Preis die Reifen zu schonen, sondern das Team muss ein gewisses Risiko bei den Rundenzeiten eingehen.

Was passiert, wenn man zu konservativ ist, zeigte McLaren. Jenson Button setzte auf eine umgekehrte Ein-Stopp-Strategie mit dem ersten Stint auf den superweichen und dem zweiten auf den Medium-Reifen. Nach dem Rennen klagte er, dass ihm das Team zu konservative Zeiten auf dem härteren Pneu vorgab und er mehr hätte angreifen können. Allerdings ging auch die Zwei-Stopp-Strategie bei Sergio Perez nicht auf, was das Debakel für McLaren perfekt machte.