Eine der ältesten Weisheiten im Motorsport lautet: "Der erste Gegner ist immer der Teamkollege." Und manchmal kann er auch zum schlimmsten Feind werden. Psychologische Tricks stehen dabei auf der Tagesordnung, denn nicht nur auf der Piste versuchen die Fahrer zu zeigen, dass sie die Führungsrolle im Team beanspruchen. Das fängt bei den Testfahrten am Anfang einer Saison an: Wer das neue Auto als Erster fährt, ist für den Status genauso wichtig wie alberne Spielereien.

Heinz-Harald Frentzen fand beispielsweise, als Jacques Villeneuve 1997 und 1998 sein Teamkollege bei Williams war, immer wieder die Essensreste des Kanadiers auf seinem Platz. Ein anderes Mal ließ Villeneuve Frentzen bis 22:00 Uhr warten, bis er ihm den Schlüssel des Hotelzimmers gab, das er schon am Nachmittag von ihm hatte übernehmen sollen. "Beim nächsten Mal schiebe ich ihn von der Piste", drohte Ralf Schumacher mit eisiger Miene auf einer Pressekonferenz in Kuala Lumpur 2004 seinem BMW Williams-Teamkollegen Juan Pablo Montoya, weil der Kolumbianer ihn beim Auftaktrennen in Australien mit einem riskanten Überholmanöver gefährdet hatte.

"Das war schon ein sehr optimistisches Manöver von Montoya, so nach dem Motto, der andere hat Platz zu machen, damit es nicht kracht. Na gut, dann kracht es beim nächsten Mal. Das kann er haben", drohte Schumacher. Bereits ein Jahr zuvor beim GP der USA in Indianapolis brachten die beiden Piloten Technikchef Patrick Head und Teamchef Frank Williams zum Toben als sie sich gegenseitig von der Piste schoben. 2007 hing der Haussegen bei McLaren Mercedes schief. Die Beziehung zwischen den beiden Fahrern Fernando Alonso und Lewis Hamilton glich einem Pulverfass, das jede Sekunde zu explorieren drohte. Weltmeister Alonso fühlte sich vom Team isoliert und raste als wild gewordener Einzelkämpfer durch die Rennen.

Teamorder ignorierte der Spanier kategorisch, im Qualifying reagierte er einzig auf mysteriöse Handzeichen seines Physiotherapeuten. Beim Großen Preis von Ungarn 2007 eskalierte die Situation. Nach der "spanischen Blockade" in der Boxengasse, die Hamilton die mögliche Pole Position kostete, herrschte zwischen den Fahrern Eiszeit. Spanischen Journalisten offenbarte Alonso, dass er sich im deutsch-britischen Rennstall mehr und mehr wie ein "legal Alien" vorkomme. "Die englischen Journalisten hören sowieso nur auf Ron Dennis, als ob ich kein Englisch könnte", lästerte Alonso.

Doch nach dem Qualifying-Desaster auf dem Hungaroring versuchte ausgerechnet Hamilton-Patron Ron Dennis, Alonso zu schützen und gab Hamilton die Hauptschuld am Chaos. Der britische Youngster soll per Boxenfunk mit einem "Fuck you" auf die Teamorder seitens McLaren Mercedes reagiert haben, was die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Hamilton und Dennis aufs Empfindlichste belastete. Doch gegen das Duell Senna/Prost waren die Rivalitäten zwischen Schumacher und Montoya oder Alonso und Hamilton nur Kinderkram. Wie vielleicht niemand vor oder nach ihnen prägten sie in den späten 80ern und frühen 90ern die Atmosphäre in der Formel 1.

Duell ohne Gnade

Senna gegen Prost, Foto: Sutton
Senna gegen Prost, Foto: Sutton

Sowohl während der gemeinsamen McLaren Honda-Zeit als Teamkollegen, als auch danach lieferten sich Ayrton Senna und Alain Prost nicht nur auf der Piste, sondern auch über die Medien ein Duell ohne Gnade. Viele Experten sehen bis heute den Kampf zwischen Prost und Senna als die archetypische Auseinandersetzung schlechthin zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Typen an: auf der einen Seite der berechnende Prost, auf der anderen Seite der impulsive Senna. Seinen Anfang fand das Duell in Estoril 1988: Als Prost versuchte an seinem Stallkollegen vorbeizuziehen, drängte Senna ihn auf der Zielgeraden beinahe in die Boxenmauer.

Nach diesem Rennen sprachen die beiden Piloten nur noch das Nötigste miteinander. Beim Grand Prix von Frankreich 1988 in Le Castellet gelang Prost einer der ganz seltenen Erfolge gegen Senna auf der Piste. Im Rennen konnte der Franzose an Senna dranbleiben. Bei einer Überrundung nutzte Prost seine Chance und ging an seinem Teamkollegen vorbei. In Imola 1989 erreichte die Beziehung Senna/Prost ihren Tiefpunkt. Nach einem schweren Unfall von Gerhard Berger trafen Prost und Senna in der Rennunterbrechung, bei der Berger aus dem brennenden Auto befreit wurde, ein Abkommen, dass der Führende nach dem Start auch das Rennen gewinnen sollte und ein Nicht-Überholen zwischen den beiden McLaren Honda-Piloten nach der ersten Kurve galt.

Geschichtsträchtige Kollision

Beim Neustart überholte allerdings Senna Prost vor der Tosa-Kurve innen und brach aus der Sicht des Franzosen damit die Vereinbarung. Bei der WM-Entscheidung in Suzuka 1989 kam es wohl zu einer der berühmtesten Kollisionen in der Geschichte der Formel 1. Alain Prost führte das Rennen an, dicht gefolgt von Senna. Ein Problem an der Schaltung und ein etwas zu steil eingestellter Flügel verhinderten, dass der Brasilianer auf der Geraden an Prost vorbei ziehen konnte.

Wenige Runden vor Rennende versuchte Senna Prost vor der Schikane zu überholen, doch der Franzose zog sehr früh nach rechts, wissend, dass sein Rivale sich aufgrund des Punkterückstandes keinen Unfall erlauben konnte. Es kam zur Kollision, bei der sich Senna seinen Frontflügel beschädigte. Während Prost aus seinem Wagen ausstieg und das Rennen beendete, startete Senna mit neuem Frontflügel eine dramatische Aufholjagd und gewann zum Erstaunen aller das Rennen. Am grünen Tisch wurde dem Brasilianer allerdings der Sieg aberkannt, der Titel ging an Prost.

Alain Prost war bekannt dafür seine Teamkollegen durch Psychotricks zu verunsichern. Als der Franzose 1990 mit dem Engländer Nigel Mansell für Ferrari fuhr, fanden alle Teambesprechungen auf Französisch statt, obwohl Prost neu bei den Italienern und Mansell schon seit 1989 bei Ferrari war. Mansell, der nur englisch sprach, gab völlig entnervt Ende 1990 vorzeitig seinen Rücktritt bekannt. Zuvor musste Mansell bei Williams bereits als Prellbock von Nelson Piquet herhalten.

Das Repertoire des Brasilianers reichte von totaler Missachtung bis hin zu verbalen persönlichen Tiefschlägen. "Wenn ich so eine hässliche Frau hätte wie Mansell, würde ich jeden Tag einen Grand Prix fahren, nur um nicht nach Hause zu müssen", lästerte Piquet. Im Fahrerlager hieß es damals, dass Teamchef Frank Williams in sein Motorhome eine zweite Tür einbauen musste, um eine Begegnung zwischen Mansell und Piquet zu verhindern. Bleibt nur zu hoffen, dass es bei Red Bull nicht soweit kommt.