Mark Webber verband zwischen den Jahren 2004 und 2008 eine gute Freundschaft mit Lance Armstrong - schon lange vor der, dieser Tage die Medienlandschaft bestimmenden, Dopingbeichte des Amerikaners trennten sich die Wege des Rad- und des Autorennfahrers wieder. Für Webber war das Geständnis Armstrongs trotzdem ein Schlag ins Gesicht, hatte er den ehemaligen Rekordsieger der Tour de France doch stets als großes Vorbild angesehen. Vor dem Hintergrund ihres persönlichen Verhältnisses und der nun ans Licht gekommenen Wahrheit, rechnete der für seinen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn bekannte Australier, der selbst gerne aufs Rad steigt und sich bei einem Autounfall im Zuge seiner alljährlichen Tasmania Challenge auf diesem sogar schon einmal das Bein brach, in seiner Kolumne für die BBC nun knallhart mit seinem einstigen Weggefährten ab.

So schreibt Webber, der sich in einem Absatz sogar direkt und persönlich an Armstrong wendet: "Deshalb Lance, und um einmal deine Worte zu benützen, ist die 'Todesstrafe' für dich nicht zu hart. Du hast eine ganze Menge Leute eine sehr lange Zeit an der Nase herumgeführt - und den Rest von uns hast du wie Idioten behandelt." Armstrong hatte in seinem viel beachteten Interview mit der US-Moderatorin Oprah Winfrey seine lebenslange Sperre mit der Todesstrafe verglichen. Für Webber, der sich seit Jahren als Vorreiter unter den F1-Fahrern für strengere Dopingkontrollen im Motorsport einsetzt, stellte das Verhalten des Amerikaners eine einzige Enttäuschung dar. Bereits über die Jahre habe er merken müssen, dass Armstrong nicht der gewesen sei, auf den Webber gehofft hatte.

Eine Leidenschaft, die Leiden schafft: Webber auf dem Rad, Foto: Sutton
Eine Leidenschaft, die Leiden schafft: Webber auf dem Rad, Foto: Sutton

Kaltschnäuzig & dreist

Anfänglich noch begeistert von Armstrongs sportlichen Leistungen, seinem unbändigen Willen und erfolgreichen Kampf gegen den Krebs, sei Webber dem Fan-Kult um die ehemalige Rad-Legende selbst erlegen. Über gemeinsame Freunde wurde dann der Kontakt hergestellt, zusammen Rennrad gefahren - im Anschluss an das Saisonfinale 2004 verbrachte Webber sogar einige Zeit auf Armstrongs Ranch in Texas. Dabei habe dieser sich immer als professioneller Athlet und äußerst interessiert an jeglichen Sportarten gezeigt. "Besonderes Interesse hatte er an Michael Schumacher. Er hat sich über sein Training und seine Vorbereitung erkundigt und gefragt, warum er so gut war und unseren Sport so lange und konstant dominieren konnte", erinnerte sich Webber. Ein paar Jahre später sei die Freundschaft der beiden Sportler jedoch in die Brüche gegangen, unter anderem bedingt durch einen Vorfall beim Monaco GP 2008.

Webber, seine Partnerin Ann und das Red-Bull-Team hätten sich damals große Mühen gemacht, dem Amerikaner Fahrerlagerpässe für den Grand Prix zu besorgen und dabei diverse aufwendige Extrawünsche zu erfüllen. Schlussendlich sei Armstrong ohne Absage einfach nicht erschienen und habe sich für sein Verhalten auch nie entschuldigt, woraufhin die Webbers den Kontakt abbrachen. Jahre später sieht sich der Red-Bull-Pilot durch die Enthüllungen um Armstrong nun in seinen Gedanken bezüglich des Charakters des ehemals umjubelten Stars bestätigt. "Ich glaube, was die Leute jetzt umhaut, ist die schiere Anzahl an Leuten, die er auf dem Weg nach oben einfach so aus dem Weg geräumt hat - ohne auch nur mit der Wimper zu zucken."

"Dabei waren genau das die Personen, die moralisch eigentlich im richtigen Boot saßen", zeigte sich Webber bestürzt. "Die Lage, in die er andere dadurch gebracht hat und die Folgen, haben ihn überhaupt interessiert. Es drehte sich immer nur alles um den Planeten Lance", erklärte der 36-Jährige voller Verbitterung. Wann immer er nun an Armstrong denke, denke er an alle sauberen Radsportler, die durch Armstrongs Dopingsystem erfolgstechnisch auf der Strecke blieben. "Leider kennen wir nicht einmal deren Namen, aber moralisch sind sie um Welten vor den ganzen Jungs, die unfair gespielt haben. Das Leben stellt einen vor viele Entscheidungen und ja: Wir sind nicht perfekt. Aber am Ende triumphiert immer das Karma."