Beim Großen Preis von Europa in Valencia spielt die Strategie wieder einmal eine entscheidende Rolle, denn Überholmanöver sind auf dem Stadtkurs nur schwierig durchführbar. Im vergangenen Jahr waren die Top-Drei alle auf einer Drei-Stopp-Strategie unterwegs: Für die ersten drei Stints nutzten sie die weichen Reifen, im finalen Stint ließen sie frische Medium-Mischungen aufziehen. Da der Performance-Unterschied der beiden Mischungen in diesem Jahr geringer ausfällt, sollte es mehr unterschiedliche Strategien geben als 2011.

Da der Trend in dieser Saison dahin geht, mit weniger Stopps auszukommen, könnte die Wahl am kommenden Wochenende auf ein oder zwei Stopps fallen. Die Position des Fahrers im letzten Stint wird der Schlüssel sein, denn selbst mit abbauenden Reifen und dem DR-System ist Überholen alles andere als einfach auf dem Valencia Street Circuit. Teams wie Sauber und Lotus, die bislang gut mit dem Verschleiß der Reifen umgingen, könnten auf eine Ein-Stopp-Strategie setzen. Da die Wahrscheinlichkeit, dass das Safety Car auf die Strecke fährt, ziemlich groß ist, könnte sich das als zusätzlicher Vorteil herausstellen.

Schneller Stadtkurs

Für einen Stadtkurs ist Valencia ziemlich schnell, die Autos erreichen auf der langen Geraden Top-Speeds bis zu 315 km/h. Mit 25 Kurven zählt Valencia zu den komplexesten Kursen im Rennkalender - daraus resultieren lange Rundenzeiten von rund 1:40 Minuten pro Umlauf. Die Wahrscheinlichkeit einer Safety-Car-Phase ist hoch, denn der Kurs ist von Barrieren umgeben und für die Kräne gibt es ein paar schwer zugängliche Punkte, wenn sie ein Auto von der Strecke abschleppen wollen. Auf dem Papier ist es wahrscheinlich, dass Bernd Mayländer auf die Strecke abbiegt, doch im vergangenen Jahr sahen alle 24 Piloten in Valencia die Zielflagge - das hatte es noch nie zuvor in der Formel 1 gegeben. In den bislang vier Rennen in Valencia bog lediglich 2010 das Safety Car auf die Strecke ab.

Im Hafen kann es schonmal eng werden, Foto: Sutton
Im Hafen kann es schonmal eng werden, Foto: Sutton

Mit dem Europa GP steigt die achte Runde der Saison 2012. Bislang gab es sieben unterschiedliche Sieger - ein Novum in der Geschichte der Formel 1. Dem Qualifying kommt in Valencia eine besondere Bedeutung zu - mangelnden Überholmöglichkeiten sei Dank. Statistiken zeigen, dass das Auto, welches die erste Runde anführt, das Rennen wahrscheinlich auch gewinnt. So kam es bislang in vier der sechs Trockenrennen. Der Grund ist klar: Den Reifen kommt es sehr entgegen, wenn der Fahrer saubere Luft vor sich hat statt einem anderen Auto. Die Reifen arbeiten so spürbar besser und halten natürlich auch länger.

Red Bull wieder stark

Red Bull knüpft langsam an alte Zeiten an: Das Weltmeister-Team gewann seit dem Bahrain GP zwei Rennen und holte dreimal die Pole Position in den vergangenen vier Grand Prix. Ferrari hat sein Auto im vergangenen Monat dramatisch verbessert - in Montreal fuhren die Italiener, Red Bull und McLaren quasi auf Augenhöhe. Sebastian Vettel reist mit Sicherheit gut gelaunt nach Valencia - schließlich konnte er dort die vergangenen beiden Rennen gewinnen. Beim ersten Rennen 2008 stand Felipe Massa am Ende ganz oben auf dem Treppchen.

Vettel gewann 2010 und 2011 in Valencia, Foto: Sutton
Vettel gewann 2010 und 2011 in Valencia, Foto: Sutton

Das Wetter am Valencia-Wochenende ist meist stabil, mit Temperaturen am oberen Ende der 20 Grad und nur wenig Regen. Laut Wettervorhersage wird es heißer als es bislang der Durchschnitt in diesem Jahr war mit Temperaturen um die 30 Grad. Pirelli reist in diesem Jahr mit dem weichen sowie dem Medium-Reifen in die spanische Hafenstadt. Die gleiche Kombination verwendete Pirelli bereits in Bahrain, wo ähnlich hohe Temperaturen herrschten. Das kam vor allem Red Bull und Lotus zugute, die unter diesen Bedingungen sehr konkurrenzfähig waren.

Weniger Stopps als 2011

Im Vergleich zu 2011 liegen die beiden Reifen-Mischungen in Sachen Performance nun sehr viel näher beisammen. Im Qualifying-Trim beträgt der Unterschied zwischen beiden Reifen rund 0,7 Sekunden pro Runde. Bei den weichen Reifen wird erwartet, dass sie ab der 18. Runde in Sachen Performance und Rundenzeit abbauen, bei den Mediums macht sich der Abbau ab dem 25. Umlauf bemerkbar. In dieser Saison halten die Reifen vier bis fünf Runden länger als noch 2011 - daraus lässt sich folgern, dass die meisten Teams auf einen Boxenstopp weniger setzen. In Valencia wird es wichtig sein, im letzten Stint möglichst weit vorn zu sein - selbst, wenn das Auto Probleme mit den Reifen bekommt. In Montreal war es ziemlich einfach, via DRS Positionen gut zu machen, für Valencia gilt das allerdings nicht.

Die Top-Fahrer werden wohl auf eine schnelle Zwei-Stopp-Strategie wechseln, der UBS Strategy Report vermutet Boxenstopps in den Runden 19 und 42. Sauber und Lotus könnten versuchen, das Rennen mit einem Stopp weniger zu beenden als ihre Konkurrenten. So würden sie etwa 21 Sekunden sparen. Da die Autos beider Teams auch auf abgenutzten Reifen stark unterwegs sind, könnte ein gutes Resultat herausspringen; vor allem, wenn sie im Qualifying eine gute Ausgangsposition ergattern.