An der Großen Preis von Kanada haben die Verantwortlichen von Mercedes gute Erinnerungen. Im Regenrennen des vergangenen Jahres feierte der Rekordchampion Michael Schumacher mit Platz vier seine fahrerische Auferstehung nach seinem Formel-1-Comeback, gleichzeitig war es die beste Platzierung eines Mercedes-Fahrers im Jahr 2011. Aber es war vor allem die Art und Weise, wie er unter schwierigsten Bedingungen um die Spitze mitkämpfte, die beeindruckte - zumal er seinerzeit in einem klar unterlegenen Auto unterwegs war. Nach dem nicht ganz geglückten Saisonstart wäre Schumacher sicherlich nicht unzufrieden, wenn der siebte WM-Lauf auf dem Circuit Gilles Villeneuve auch in diesem Jahr ein Wendepunkt wäre.

Die Ausgangsposition der beiden Fahrer ist auf jeden Fall deutlich besser als im letzten Jahr. Im Qualifying gehörte der Mercedes-Bolide außer in Spanien und Bahrain immer zu den besten Autos. Nico Rosberg und Schumacher ergatterten in China und Monaco jeweils die Bestzeit im Qualifying. Und auch im Rennen hat Mercedes den Anschluss an die Spitze geschafft, seit dem Grand Prix in Shanghai holte Rosberg mit 59 Punkten mehr Zähler als jeder andere Fahrer. Getrübt wird die Bilanz allerdings durch die Pleitenserie seines älteren Teamkollegen, der in den bisherigen sechs Rennen nur zweimal ins Ziel kam. Motorsportchef Norbert Haug lässt sich den Optimismus durch die vereinzelten Rückschläge nicht nehmen. "Es wird immer wieder Höhen und Tiefen geben ", sagte er. "Aber der generelle Trend scheint der richtige zu sein. "

Bei McLaren geht der Trend dagegen in die vollkommen falsche Richtung. Nachdem das Auto zu Saisonbeginn lief wie ein Uhrwerk und einige Experten dem Rennstall von Martin Whitmarsh bereits das kompletteste Paket aller Formel-1-Rennställe bescheinigten, ist in den letzten drei Rennen Ernüchterung eingekehrt. Falsche Entscheidungen am Kommandostand und Fehlleistungen bei den Boxenstopps brachten Lewis Hamilton ein ums andere Mal um ein besseres Ergebnis. Doch Sorgen sollte dem Team aus Woking vor allem der verloren gegangene Speed machen.

Red Bull: Auch ohne Löcher schnell?, Foto: Sutton
Red Bull: Auch ohne Löcher schnell?, Foto: Sutton

Der rasante Absturz von Jenson Button steht exemplarisch für den Saisonverlauf von McLaren. Nach drei Rennen noch auf Rang zwei der WM-Wertung, fuhr der Weltmeister von 2008 bei den letzten drei Grands Prix nur noch zwei Punkte ein und erreichte in Barcelona und Monaco in der Qualifikation nicht einmal das letzte Segment. Diese Schwäche über eine schnelle Runde zu beheben, sei der Knackpunkt für eine gute Performance in Montreal, meinte Vorjahressieger Button. "Dein Rennen steht und fällt mit der Leistung aus dem Qualifying. Es ist mein erklärtes Ziel, diesmal besser abzuschneiden. "

Nach Platz eins und vier beim Großen Preis von Monaco ist eine Steigerung für Red Bull hingegen kaum noch möglich, und eigentlich müsste beim Team von Dietrich Mateschitz eitel Sonnenschein herrschen. Dank des Sieges von Mark Webber feierte Red Bull als erster Rennstall überhaupt den zweiten Saisonerfolg. In der Konstrukteurswertung führt RBR souverän vor McLaren und Ferrari, und bei den Fahrern belegen Sebastian Vettel und Webber mit gerade einmal drei Punkten Rückstand auf Fernando Alonso (76 Zähler) die Plätze zwei und drei.

Ob Red Bull in Montreal allerdings an die guten Leistungen aus Monte Carlo anknüpfen kann, ist derzeit fraglich. Die FIA erklärte den löchrigen Unterboden, mit dem die Red-Bull-Piloten in der monegassischen Metropole auftrumpften, für illegal. Motorsport-Berater Helmut Marko bestritt allerdings, dass die Performance in Kanada durch das Verbot beeinträchtigt wird. "Wir hatten ohnehin nicht geplant, den Unterboden in Montreal einzusetzen", erklärte er. "Wir werden eine eine flachere Version des Unterbodens einsetzen und müssen wir die Autos nicht verändern."

Ferrari, zu Saisonbeginn noch das Sorgenkind unter den Top-Teams, hat die Veränderungen an seinem Auto bereits durchgeführt. Nachdem der F2012 in den ersten Rennen nicht konkurrenzfähig war, wurde der Bolide nach dem Grand Prix in Shanghai einer Runderneuerung unterzogen. Mit Erfolg: Die Probleme mit der Traktion und dem fehlenden Top-Speed sind zwar noch nicht endgültig ad acta gelegt, aber die Piloten sind zumindest in der Lage, mit den anderen Autos mitzuhalten. In Monte Carlo lieferte neben dem gewohnt starken Alonso auch erstmals Felipe Massa eine gute Leistung ab.

Feiert Schumacher seinen achten Sieg in Montreal?, Foto: Sutton
Feiert Schumacher seinen achten Sieg in Montreal?, Foto: Sutton

Aber es sind vor allem die Fahrkünste Alonsos, die Ferrari vom ersten Titel seit der Konstrukteurs-WM 2008 träumen lassen. Trotz seines zum Saisonstart nicht wettbewerbsfähigen Autos führt der Spanier die Fahrerwertung dank seiner Fähigkeit, in jedem Rennen das Maximum herauszuholen, an. Gerade in dieser wechselhaften Saison könnten die große Konstanz und die niedrige Fehlerquote des zweimaligen Weltmeisters zu den großen Pluspunkten werden. Hinzu kommt die Unterstützung von Präsident Luca di Montezemolo. Das Ferrari-Oberhaupt stellte bereits klar, dass er ein Nachlassen im Kampf um die WM-Krone nicht dulden werde. "Alonso ist der beste Fahrer der Welt", sagte er. "Er hat alle Voraussetzungen, um zu gewinnen, aber wir müssen das Auto weiter verbessern. "

Verbessern muss sich auch Lotus. Lange Zeit hatte es den Anschein, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis das schwarz-goldene Team den ersten Saisonsieg einfährt. Button und Hamilton erklärten den E20 vor dem Qualifying im monegassischen Fürstentum noch unisono als das Auto, das es zu schlagen gilt. Doch im Rennen waren die Lotus-Piloten von ihrem ersten Saisonerfolg weiter entfernt als je zuvor. Romain Grosjean schied nach einem Startunfall mit Michael Schumacher aus und auch Kimi Räikkönen hat bestimmt schon bessere Rennen gehabt, als die Zwei-Punkte-Fahrt auf dem Circuit de Monaco.

Sollte die Serie der unterschiedlichen Rennsieger in Monaco allerdings weitergehen, stehen die Chancen gut, dass endlich ein Lotus-Fahrer den Platz ganz oben auf dem Treppchen besteigen darf. Neben Räikkönen und Grosjean gibt es nicht mehr viele Kandidaten, die für den Platz an der Sonne infrage kommen. Aber vielleicht schlägt in Montreal ja auch die Stunde von Schumacher. Mit bislang sieben Siegen ist er ohnehin der einsame Rekordhalter in Kanada. Und dass sich der Grand Prix dazu eignet, die Saison zum Guten zu wenden, hat er bereits im vergangenen Jahr gezeigt.