"Pastor wer?" titelte eine große deutsche Zeitung nach dem Sensationstriumph des Williams-Piloten in Spanien am Sonntagabend. Den Nicht-Formel-1-Fans und Motorsport-Insidern mag so eine Headline gerecht geworden sein - dem 27-Jährigen aus Maracay in Venezuela wurde sie es selbstredend nicht. Daher hier noch einmal die korrekte Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Pastor Rafael Maldonado Motta! Neuer Held der Formel 1, 104. Grand-Prix-Sieger in der Geschichte der Königsklasse und seit gestern 15:42 Uhr Ortszeit in Barcelona ohne Zweifel der venezolanische Superstar schlechthin.

Nur ein Mann steht in seiner Heimat noch vor ihm - und das wird wohl auch immer so bleiben: Hugo Chávez, höchst umstrittener Staatspräsident Venezuelas. Doch für Reibereien zwischen den beiden dürfte das Duell um die Gunst des Volkes kaum sorgen, ist eben dieser Chávez doch Maldonados größter Fan. "Bravo Pastor! Glückwunsch an dich und dein ganzes kämpferisches Team! Wir werden siegen!", twitterte der begeisterte Landesvater direkt im Anschluss an das Rennen und unterstrich durch den Plural im letzten Satz, was sich viele ohnehin schon dachten: Chávez schreibt sich den Triumph des Williams-Piloten vorsichtshalber gleich einmal selbst mit auf die Fahnen.

35 Millionen für einen Sieg

Verübeln darf man das dem selbstherrlichen Herrscher aber nicht - bedenkt man, dass dieser viele Millionen venezolanischer Steuergelder in das F1-Projekt seines Schützlings pumpt. Genaugenommen sprechen wir über die Jahre verteilt mittlerweile von der stattlichen Summe von 35 Millionen Euro. Zumindest auf dem Papier fließen diese gut getarnt - möglich macht es das großzügige Williams-Sponsoring durch die PDVSA, hinter deren Kürzel sich nichts anderes als die staatliche Ölfördergesellschaft des südamerikanischen Landes verbirgt. Brot und Spiele also, wenn man so will. Das Thema Maldonado und die Sportförderung - in der Heimat ist das auch ein politisches.

Während Chávez den jüngsten Erfolg als Bestätigung seiner jahrelangen Ausgaben sieht und durch seinen Kommunikationsminister Andres Izarra mit der öffentlichen Verkündung von Parolen wie "Viva Pastor! Lang lebe Chávez!" Propaganda in eigener Sache betreiben lässt, spricht sich Regime-Widersacherin und Präsidentschaftskandidatin Maria Corina Machado klar gegen die Förderung des neuen Stolzes der Nation aus. Bei aller Freude über den Sieg, seien die horrenden Summen gegenüber dem armen Volk nicht zu verantworten - besonders nicht gegenüber den Kindern, die auf den Straßen Venezuelas verhungern.

Die bunte, abgehobene Welt der Formel 1 kriegt in Europa von diesen Querelen freilich nicht viel mit. Doch selbst beim Blick auf das Sportliche steht fest: Maldonado ist ein Mann, der schon seit Jahren gegen die ihm entgegenschlagenden Widerstände zu kämpfen hatte - nicht nur neben, sondern auch auf der Piste. Wer immer meinte: 'Klarer Fall von Paydriver'... der irrte gewaltig. Mit den Unkenrufen nach dem vielen Geld musste sich der Mann der Stunde schon immer auseinandersetzen. Aufhalten konnten sie ihn nie. Deutschen Fans war er lange Zeit nur als der Pilot bekannt, der Ende 2010 den hochgelobten Nico Hülkenberg aus dessen Williams-Cockpit herauskaufte.

Talent & Geld vonnöten

Doch ist es Maldonados Fehler, dass er das Glück hat, immer starke finanzielle Unterstützung hinter sich wähnen zu können? Anders formuliert: Schuld ist das System, dass es zwingend notwendig macht, dass selbst ein so talentierter und unbestritten schneller Mann, wie der Shootingstar des Teams aus Grove, sich im Oberhaus des Motorsports einkaufen muss. Festzuhalten ist daher: Maldonado hat mehr oder weniger eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Mehr als einen überlegenen GP2-Titel und eben zehn Siege in dieser Serie in der Bewerbungsmappe zu haben, kann man von einem jungen, aufstrebenden Fahrer wohl kaum erwarten.

Manche Piloten fahren um Ruhm oder Geld - Maldonado fährt für ein Land und seinen Präsidenten, Foto: Sutton
Manche Piloten fahren um Ruhm oder Geld - Maldonado fährt für ein Land und seinen Präsidenten, Foto: Sutton

Um seine Chance musste Maldonado trotzdem immer kämpfen - am 13. Mai 2012 hat er sie schlussendlich genutzt und alle Kritiker Lügen gestraft. Besonders süß schmeckt der Erfolg, da es sich nicht um einen Lucky Punch unter widrigen Bedingungen handelte. Sicher half Maldonado die Hamilton-Rückversetzung am Samstag, doch sollte man nicht außer Acht lassen, dass er im Rennen am Sonntag zunächst zurückfiel. Einen geschenkten Sieg von der Pole-Position, der vornehmlich aus dem fehlerfreien Aneinanderreihen von Qualifyingrunden bestand und unter Druck oder dem Zugzwang, aufholen zu müssen, nicht stattgefunden hätte - wie ihn Kritiker der heutigen Fahrergeneration um Lewis Hamilton und Sebastian Vettel gerne vorwerfen - muss sich Maldonado bei Leibe nicht ankreiden lassen.

Das Team pokerte mit der Strategie besser als die Konkurrenz, er kämpfte sich zurück, blieb fehlerlos und überzeugte damit selbst Niki Lauda. Der Österreicher zog wie so oft sein 'Kapperl' und gestand ein, dass es sich bei der gesehenen Fahrt ganz sicher nicht um die einer Pastor-entochter handelte. "Maldonado hat bewiesen, dass er wirklich etwas in der Hose hat. Eine unglaubliche Leistung - noch dazu gegen einen Alonso, dem eigentlich besten Fahrer, den es heute gibt", schwärmte der Dreifachchampion mit dem für ihn bekannten, eigenen Humor. Während Christian Danner in erster Linie den unemotionalen, sachlichen, fast demütigen Umgang des Siegers mit seinem Erfolg über den grünen Klee lobte, fiel Nico Rosberg noch eine ganz andere Anekdote ein.

Nächste Chance: Lieblingsstrecke

Der Mercedes-Pilot erklärte nach dem Grand Prix: "Ich musste sehr lachen, als ich vor zwei Jahren von Journalisten gefragt wurde, was ich davon halte, dass sich Fahrer Cockpits kaufen können, obwohl sie gar nicht so gut sein sollen." Das Fahrerlager zollte somit einem Mann Respekt, der diesen verdient hat. Der starke finanzielle Hintergrund mag Maldonado in seine heutige Position und an den Start gebracht haben - doch eine alte Weisheit besagt: Geld allein gewinnt noch keine Rennen. Nun geht es für den Venzolaner darum, das nächste Klischee abzuschütteln: Das der Eintagsfliege. Was ihm dabei schon in naher Zukunft helfen könnte? Der Fakt, dass er auf einer Strecke schon immer besonders herausragend war.

Dabei handelt es sich ausgerechnet um den Straßenkurs in Monte Carlo, der in zwei Wochen auf dem Plan steht. In vier Jahren GP2 holte der 27-Jährige dort zwei Siege und zwei zweite Plätze. Selbst 2006 in der Formel Renault war er im Fürstentum siegreich. 2011 beendete in den Häuserschluchten nur ein ungestümer Lewis Hamilton ein starkes Rennen des Williams-Rookies. Ob man ihn nun in diesem Jahr auf der Liste potenzieller Sieger haben müsste, lautete daher die Frage in Barcelona. Maldonado orientierte sich bei seiner mit einem verschmitzten Grinsen vorgetragenen Antwort am Werbeslogan eines führenden Automobilkonzerns: "Warum nicht? Ich hoffe, wir können so weitermachen. Nichts ist unmöglich!"