Mich haut die "Hitzewand" jedes Mal fast um, wenn ich aus dem Flugzeug aussteige, was nun aber nicht gleich als Beleg mangelnder Fitness verstanden werden sollte. Die Regenjacke ist auf jeden Fall auch im Gepäck - es soll wie jeden Tag spätestens am Nachmittag regnen. Und Regen in Malaysia habe ich irgendwie hauptsächlich als Wolkenbruch in Erinnerung.

Aufstrebender Tigerstaat

Beeindruckend: die Petronas Tower, Foto: Mercedes GP
Beeindruckend: die Petronas Tower, Foto: Mercedes GP

Kuala Lumpur ist das Zentrum des modernen Malaysia. Die Hauptstadt bietet lebendige asiatische Kultur, Seite an Seite mit britischen Kolonialbauten und Hightech-Bauwerken wie die 443 Meter hohen Petronas-Towers. Kuala Lumpur liegt an der Westküste, etwa 35 Kilometer vom Meer entfernt, an den Flüssen Klang und Gombek. "KL" - so nicht nur die trendige Kurzform für einen fächerwedelnden deutschen Stardesigner - ist die größte Stadt des Landes, mit rund 1,5 Millionen Einwohnern verschiedener Volksgruppen.

Die Petronas Tower, die höchsten Bürogebäude der Welt, sind wohl das deutlichste Zeichen, dass Malaysia einer der aufstrebendsten der so genannten Tigerstaaten ist. Ich war vor einigen Jahren auf Einladung des Mercedes Sponsors (damals Partner des BMW Sauber Teams) im 41. Stock von Tower Eins, unglaublich, man hat das Gefühl da unten sind nur winzige Ameisen unterwegs. Angesichts der Höhe wurde mir zugegebenermaßen aber auch ein bisschen schwindelig.

Lange Fahrten sind hier an der Tagesordnung - Stau auch. Deswegen wohne ich seit dem ersten Malaysia Grand Prix im Concord Inn, genau zwischen Flughafen und Rennstrecke. Es hat einen netten Pool und beim Frühstück sieht man immer zahlreiche Formel 1 Kollegen. Diesmal ist hier auch das HRT Team abgestiegen, ich kann also gleich ein wenig spanisch lernen. Die meisten anderen Teams und Piloten logieren im Pan Pacific Airport. Sehr schön sind das Mines Beach Resort (zwischen Strecke und Kuala Lumpur), das Sunway Lagoon, die Cyberview Lodge (alle in Richtung Stadt, mit riesigen Wasserparks) und das Avillion Resort (an der Küste, von der Bar sieht man die Meeresstraße von Malacca, Schauplatz vieler Piratenstories und -filme).

Auf Schnäpchenjagd

Wer europäisch essen will, findet im Pan Pacific Airport Hotel einen guten Italiener, interessant sind aber die vielseitigen Food Courts im Airport und im Twin Towers Centre. Ein paar Straßen weiter gibt's auch ein Hard Rock Café, von da aus ist man schnell im Modestos - einer netten Bar/Disco in der Ferrari gerne feiert. Klasse - und Geldbeutelbewusst - zum Einkaufen ist der Chinamarkt, aber auch die verschiedenen kleinen "Malls", in denen man die neueste Software zu Spottpreisen kaufen kann. Aber aufgepasst: Der Zoll sieht so etwas genauso ungern wie gefälschte Uhren, die es hier auch billigst gibt.

In den echten Elektronikläden gibt es aber dann doch auch das eine oder andere Schnäppchen. Im IT-Shopping Center wird einem ganz schwindelig. Auf sechs Stockwerken kennt man sich irgendwann nicht mehr aus, vor lauter Supersales und Angeboten für Laptops und Smartphones. Interessant: Sprachen 1999 als wir das erste Mal hier waren, noch ziemlich alle hier sehr gutes englisch, hat man inzwischen Probleme, sich sogar am Flughafen und an Hotelrezeptionen verständlich zu machen. Auch in der City sprechen auffallend viele junge Leute kaum noch englisch.

Die Rennstrecke

Wegen der engen Kurven fahren die Teams viel Flügel. Sicher und groß - die Auslaufzonen, gewagt die Boxenausfahrt - direkt in der 180-Grad-Kehre zwischen der Doppelgeraden. Das Streckenlayout hat von jedem der aktuellen Formel 1 Kurse das Beste übernommen: eine scharfe Rechts gleich nach dem Start, gefolgt von einer noch schärferen Links und einem schnellen Rechtsbogen. Danach wird hochbeschleunigt auf über 215, vor Kurve 4 (ein Rechtsknick). Sie ist eine eventuelle Überholmöglichkeit, gefolgt von einem Kurvengeschlängel ähnlich dem Kurs in Budapest, aber mit 220 bis 240 Stundenkilometern eine Ecke schneller.

Vor der schwierigen Doppelrechtskombination Kurve 7 und 8 wird auf 140 heruntergebremst, dann geht es wieder mit über 200 steil bergab zur Kurve Nummer 9, ein Linkshaken, in dem es gleichzeitig wieder bergauf geht (ähnlich der Tosa in Imola). Die Kurven 10 und 11, ein Rechtsbogen, dann eine Links, hoch bis 290, Kurve 14, eine Kehre, die die schnelle Gegengerade einleitet. Am Ende der großen Tribüne eine Linkskehre (Kurve 15), aus der die Boxeneinfahrt abgeht – und wieder zurück mit Vollgas auf die Start-Ziel.

Malaysia Grand Prix - Geschichte (1999):

Michael Schumacher, der Streckenarchitekt Herrman Tilke gemeinsam mit Marc Surer beim Layout beraten hatte, feierte hier bei der Premiere 1999 sein grandioses Comeback. Im ersten Grand Prix seit seiner Verletzung in Silverstone im Juli holte er die Pole mit über einer Sekunde Vorsprung vor dem Rest des Feldes und führte das Rennen souverän an, bis er Teamkollege Eddie Irvine den Sieg schenkte, um ihm im Kampf um den Titel zu helfen. Doch dann ging der Schlamassel los – was folgte, wurde später nur noch spöttisch "der Windabweiser-Skandal" genannt.

Schumacher schenkte Irvine den Sieg, Foto: Sutton
Schumacher schenkte Irvine den Sieg, Foto: Sutton

Zwei Stunden nach der Zieldurchfahrt war das Rennergebnis noch immer nicht offiziell. Nach Erkenntnis der Kommissare waren die seitlichen Windabweiser der Ferrari 10 mm höher vom Unterboden entfernt als erlaubt - dies bedeutete die Disqualifikation. Ferrari legte Berufung ein, Mika Häkkinen war nur für wenige Tage Weltmeister, bis zur Berufungsverhandlung am 23. Oktober in Paris. Das Ergebnis versetzte Ferrari in Freude, McLaren Mercedes in Rage: Man habe falsch gemessen, gab die FIA zu und bei der richtigen Meßmethode sei "die Abweichung nur ein Millimeter, oder gar noch weniger in allen Dimensionen und liegt daher innerhalb der Toleranz", so das Statement des FIA Präsidenten Max Mosley.

Damit war der Weg frei für ein offenes Rennen in beim Finale in Suzuka, wo sich Häkkinen den Titel sicherte. Ach ja - ich hatte an jenem Sonntag Geburtstag und wollte eigentlich abends essen gehen. Essen waren wir dann auch, so gegen halb drei Uhr Morgens, als wir endlich die Rennstrecke nach der Extra-Arbeit verlassen hatten. Mit in meinem Gepäck etwas, das meinen Ärger wieder besänftigte: Mika hatte mir zum Geburtstag die Rennhandschuhe, die er im Grand Prix getragen hatte unterschrieben und geschenkt - mit persönlicher Widmung!

Selamat Datang, Eure Inga Stracke